Umgehung der KIM-V über deutsche Banken? Ein Faktencheck

30.07.2024

Stefan W. Schmitz

Der Blog-Eintrag vom 10. Mai 2024 zeigt die Notwendigkeit der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V). Wenn eine Maßnahme wie die KIM-V umgesetzt wird, gelten hohe Anforderungen an die Einführung und an das Monitoring durch die Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).

Dieser Blog-Eintrag widmet sich einem wichtigen Aspekt dieses Monitorings: Seit Einführung der KIM-V standen wiederholt Bedenken im Raum, dass Kreditnehmer:innen vermehrt zu deutschen Banken wechseln könnten, da diese nicht der KIM-V unterliegen. Zum Beispiel titelte Der Standard: „Wer in Österreich keinen Kredit bekommt, geht nach Deutschland“ (27. Dezember 2022). Ein Faktencheck der OeNB zeigt jedoch, dass seit Einführung der KIM-V 2022 deutsche Kredite in Österreich weniger stark wachsen.

Wachstum der Kreditvergabe deutscher Banken an österreichische Haushalte hat seit Einführung der KIM-V stark abgenommen
Laut Verordnung gilt seit 1. August 2022 für die Aufnahme eines Wohnkredites (i) eine Beleihungsquote von max. 90 %, das heißt ca. 90 % der Immobilie, die als Sicherheit dient, können über einen Kredit finanziert werden; (ii) eine Schuldendienstquote von max. 40 %; und (iii) eine Laufzeit von max. 35 Jahre. Mit 1. Juli 2024 wurde ein einheitliches, institutsbezogenes Ausnahmekontingent von 20 % des Volumens neuer Wohnimmobilienfinanzierungen eingeführt.  

Daten der OeNB zeigen, dass sich die Dynamik der Kreditvergabe deutscher Banken an österreichische Haushalte seit dem zweiten Quartal 2022 um rund 70 % verlangsamt hat. Seitdem hat der Bestand dieser Kredite um weniger als 0,2 % der österreichischen Haushaltskredite zugenommen. Eine systematische Umgehung der KIM-V über Kredite deutscher Banken ist daher nicht feststellbar.

Kommt es zu einer Umgehung der KIM-V über andere Banken des Euroraums?

Im ersten Quartal 2020 machte das Kreditvolumen von Banken aus dem Euroraum an österreichische Haushalte (Wohnimmobilien- und Konsumkredite) rund 2,2 Mrd EUR aus. Davon stammen 83 % aus Deutschland, was rund 1,1 % des gesamten österreichischen Kreditbestands an Haushalte entspricht. Wenn man das Kreditwachstum von deutschen Banken an österreichische Haushalte betrachtet, wird deutlich, dass österreichische Kreditnehmer:innen nicht vermehrt ins Ausland gewechselt haben.

Im Gegenteil vor Einführung der KIM-V stieg der Kreditbestand deutscher Banken an österreichische Haushalte (DE-AT-Kreditvolumen) um durchschnittlich 4,6 % pro Quartal. Nach der Einführung der KIM-V verlangsamte sich das langjährige Wachstum auf 1,4 % pro Quartal, was einem Rückgang um 70 % entspricht. Das DE-AT-Kreditvolumen hat lediglich um weniger als 0,2 % des Bestandes der Kredite österreichischer Haushalte zugenommen. Eine systematische Umgehung der KIM-V über deutsche Banken ist folglich nicht zu beobachten.

Kein Effekt der KIM-V auf die Kreditvergabe österreichischer Banken an deutsche Haushalte

Ein verwandtes Argument ist, dass österreichische Banken aufgrund des niedrigeren AT-Geschäfts verstärkt nach Deutschland expandierten. Auch hier zeigt sich ein anderes Bild. Während der durchschnittliche Anstieg des AT-DE-Kreditvolumens bis zur Einführung der KIM-V bei 0,4 % pro Quartal lag, kam es seither mit –1,3 % zu einem leichten Rückgang. Auch in Deutschland ist die Nachfrage nach Haushaltskrediten in Folge der höheren Zinsen und der hohen Immobilienpreise zurückgegangen.

Das österreichische Bankensystem ist deutlich kleiner als das deutsche. Dennoch ist das AT-DE-Kreditvolumen im 1. Quartal 2024 mit 3,5 Mrd EUR um 13 % höher als jenes in die Gegenrichtung.  Aufgrund des großen deutschen Marktes entsprach dies nur rund 0,2 % des gesamten Bestands der Kredite deutscher Haushalte.

Eine systematische Kompensation des Nachfragerückgangs österreichischer Haushalte durch eine Ausweitung des Kreditgeschäfts mit deutschen Haushalten ist nicht zu erkennen. Denn auch dort ist ohne kreditnehmer:innenbezogene Maßnahmen ein Rückgang der Nachfrage zu beobachten.

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.