Warme Zeiten – teures Bier? Was Wetter und Klima mit Inflation zu tun haben

09.01.2024

Mirjam Salish

Was haben Wetter und Inflation gemeinsam? Sie sind beide sehr schwer vorherzusagen, und es gibt auch einen Zusammenhang zwischen extremen Wetterereignissen und Preisen. Grund genug also für die Oesterreichische Nationalbank (OeNB), sich genauer mit dem Thema zu befassen. Schon die bislang gefundenen, begrenzten Effekte machen deutlich: Der Klimawandel beeinflusst die österreichische Inflationsrate zunehmend stärker.

Temperatur steigt in Europa schneller als im weltweiten Durchschnitt

2023 war eines der heißesten Jahre seit Aufzeichnungsbeginn. Gerade Europa ist von der globalen Erwärmung stark betroffen, da hier die Temperaturen noch schneller ansteigen als im Rest der Welt. Österreich bildet da keine Ausnahme. So lagen die durchschnittlichen Tagestemperaturen in Österreich in den Jahren 2001–2021 in etwa 1,4 Grad Celsius über den Durchschnittstemperaturen im Zeitraum 1950–1980.

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Nicht nur höhere Temperaturen, auch ein häufigeres Eintreten extremer Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürreperioden oder Starkregen sind Folgen des Klimawandels. Die Auswirkungen dieser Wetterextreme auf die Umwelt sind komplex und entfalten sich auf unterschiedliche Weise. Auch unsere Wirtschaft und die Preise können davon betroffen sein. Es existieren zahlreiche mögliche Wirkungskanäle, die sich gegenseitig verstärken oder in entgegengesetzte Richtungen verlaufen können. Dies erschwert sowohl die Vorhersage als auch eine mögliche Abfederung der Folgen.

Die OeNB ist wie die anderen Notenbanken im Eurosystem der Preisstabilität verpflichtet und behält daher alle Faktoren, die das allgemeine Preisniveau beeinflussen, im Auge. Somit ist es auch für die OeNB wichtig zu wissen, wie Klimawandel und Wetter die Verbraucherpreise beeinflussen. In einem aktuellen Forschungsprojekt mit OeNB-Beteiligung (Rodrigues et al., 2024) wird daher der Frage nachgegangen, ob es einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen extremen Wetterereignissen und Inflation gibt. Dafür werden unter anderem die Wetterdaten des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus sowie die monatlichen Daten des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) herangezogen. Mithilfe dieser Daten kann untersucht werden, wie sich ein „Wetterschock“, etwa in Form ungewöhnlich hoher Temperaturen oder geringer Niederschläge, auf die Preise in den folgenden 24 Monaten auswirkt.

Kleiner Effekt von Wetterextremen auf die Gesamtinflation, großer Effekt auf einzelne Komponenten

Der Effekt, den Wetterextreme auf die Gesamtinflation in Österreich haben, ist statistisch signifikant, wenn auch (noch) nicht sehr groß. Das gilt nicht nur für hohe Temperaturen. Auch ungewöhnlich hohe Niederschläge sowie Änderungen in der Sonneneinstrahlung oder Windgeschwindigkeit schlagen sich mitunter in der Inflationsrate nieder. Die Auswirkungen treten zumeist nicht direkt bei Eintreten des Wetterereignisses auf, sondern erst mit einigen Monaten Verzögerung. Außerdem kann sich der Effekt auch drehen. Beispielsweise ist in den Monaten, die auf einen besonders niederschlagsreichen Monat folgen, die Inflationsrate leicht erhöht, dies dreht sich jedoch nach etwa einem halben Jahr in einen leicht inflationsdämpfenden Effekt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass in den ersten Monaten vor allem die Inflationsraten von Energie und Dienstleistungen betroffen sind. Der inflationsdämpfende Effekt, der nach ungefähr sechs Monaten eintritt, betrifft wiederum vor allem die Nahrungsmittelinflation.

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Die Auswirkungen auf die Gesamtinflation sind gering, da sich gegenläufige Effekte in unterschiedlichen Sektoren teilweise ausgleichen bzw. einzelne Komponenten aufgrund ihres geringeren Gewichts im Warenkorb kaum Einfluss auf die Gesamtinflation haben. Bei einzelnen Sektoren sind jedoch mitunter deutliche Effekte zu beobachten. Wie stark der Einfluss von Wetterereignissen auf die Verbraucherpreise ist, hängt von vielen anderen Faktoren ab. So spielt beispielsweise der Zeitpunkt eine wesentliche Rolle. Ein heißer Sommer hat andere Auswirkungen auf die Preise als ein milder Winter.

Heißer Sommer, teures Bier

Ein gutes Beispiel dafür ist die Inflationsrate für Bier. Hier sehen wir sowohl nach einem ungewöhnlich warmen als auch nach einem ungewöhnlich niederschlagsreichen Frühling einen inflationstreibenden Effekt. Treten beide Wetterereignisse ein, also nach einem zugleich überaus warmen und feuchten Frühling, verstärken sich die Effekte gegenseitig. Ein milder, trockener Winter wirkt bei Bier inflationsdämpfend, ein heißer Sommer inflationssteigernd. Warum das so ist, lässt sich anhand der vorhandenen Daten nicht genau erklären. So könnten Hitzewellen die Nachfrage nach Erfrischungsgetränken beleben und somit deren Preise treiben. Aber auch die Angebotsseite kann betroffen sein, da die Ernteerträge von den Wetterbedingungen abhängen. Eine Forschungsstudie aus dem Jahr 2018 (Wei et al., 2018) zeigt, dass extreme Wetterereignisse die globale Gerstenproduktion reduzieren und der Klimawandel daher die Bierproduktion verteuern wird.

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Die vorliegenden Ergebnisse ermöglichen also keine eindeutigen Rückschlüsse darüber, welche der Wirkungskanäle tatsächlich zum Tragen kommen. Manche Wetterereignisse beeinflussen die Nachfrage, andere das Angebot und in einigen Fällen wirken sie auf beide gleichzeitig. Dabei können sich die Effekte gegenseitig verstärken oder auch in entgegengesetzte Richtung wirken. Abgesehen von der Jahreszeit sind auch die Dauer und Stärke der Wetterereignisse entscheidend. Zudem treten oft mehrere Wetterereignisse zeitgleich ein und es ist auch nicht nur das österreichische Wetter, das Einfluss auf die österreichischen Preise hat. Gerade im Lebensmittelbereich werden viele Waren und Rohstoffe importiert. Somit können sich globale Dürreperioden zum Beispiel über ein verknapptes Angebot auch auf die österreichischen Preise durchschlagen.

Wetterschocks - Wirkungskanäle - Verbraucherpreise

(W)ärmere Aussichten?

Insgesamt sind vielfältige Effekte von Wetterereignissen auf die Verbraucherpreise möglich. Einige davon wirken sich inflationssteigernd aus, andere inflationsdämpfend. Manche Preise reagieren rasch, andere wiederum mit einer Verzögerung von mehreren Monaten. Da manche Sektoren stärker betroffen sind als andere, ändern sich die relativen Preise. Also selbst wenn sich die Effekte im Durchschnitt wieder ausgleichen, spüren manche Haushalte (je nach Konsumverhalten) diese deutlicher.

Die berechneten Inflationseffekte basieren auf dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre. Doch auch innerhalb dieser Zeit wurde es laufend wärmer. Und da mit dem Klimawandel die Häufigkeit von extremen Wetterereignissen weiter zunehmen wird, müssen wir damit rechnen, dass auch die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise und deren Schwankungen in Zukunft deutlicher spürbar sein werden. Die Folgen des Rekordjahres 2023 werden uns in den kommenden Monaten begleiten, aber auch in den Jahren danach wird der Einfluss von Wetterextremen einen immer größeren Teil der Kosten und Preise zahlreicher Produkte bestimmen. Ob Bier oder andere Konsumprodukte – der Klimawandel wird nicht nur die Temperaturen, sondern auch die Preise beeinflussen.