Sanierungsplanung
Die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2007/08 haben gezeigt, dass einige Banken nur unzureichend auf schlechter werdende Marktbedingungen vorbereitet waren. Gerät eine Bank in Schieflage, bleibt nur wenig Zeit, um Gegenmaßnahmen zur Abwendung einer drohenden Insolvenz oder Abwicklung zu ergreifen. Darum ist es notwendig, dass schon vor einem potenziellen Krisenfall geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Überlebensfähigkeit einer Bank vorbereitet und in einem Sanierungsplan festgeschrieben werden.
Auf Basis des BaSAG (Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken) sind alle Banken in Österreich verpflichtet, Sanierungspläne zu erstellen. Sowohl die BRRD, als auch das BaSAG sehen das Proportionalitätsprinzip vor. Dieses wird in der Bankensanierungsplanverordnung (BaSaPV) der FMA konkretisiert. Somit können Bankengruppen einen Plan für die gesamte Gruppe verfassen. Banken, die sich in einem institutsbezogenen Sicherungssystem (IPS) befinden, erstellen einen Gesamtplan für das Sicherungssystem. Darüber hinaus sind auch die Anforderungen an den Detaillierungsgrad der Pläne nach dem Prinzip der Proportionalität abgestuft. Kleinere Banken können in ausgewählten Bereichen weniger umfassende Sanierungspläne vorlegen.
Für Banken, die über Auslandstöchter verfügen oder selbst Tochter eines Mutterinstituts im Ausland sind, werden sogenannte „Sanierungscolleges“ unter Teilnahme der Analystinnen und Analysten der national zuständigen Bankenaufsichtsinstitutionen abgehalten. Diese dienen der Analyse des Gruppenplans. Die zentralen Bestandteile eines Sanierungsplans sind:
- Sanierungsindikatoren: Welche Kennzahlen werden laufend beobachtet und bei welchen Schwellenwerten ist zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Sanierungsmaßnahmen umzusetzen sind?
- Sanierungsmaßnahmen und Sanierungsszenarien: Was sind typische Gefährdungsszenarien? Welche Maßnahmen kann die Bank in welchem Szenario umsetzen, und welche Effekte haben die Maßnahmen (insbesondere auf Kapital und Liquidität)? Wie lange dauert ihre Umsetzung?
- Gesamtsanierungskapazität: Ist die Sanierungskapazität der vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen angemessen, um die finanzielle Solidität des Instituts in einer Krisensituation wiederherzustellen?
Um die Banken in der Erstellung der Sanierungspläne zu unterstützen, werden von OeNB und FMA Muster zur Verfügung gestellt und Informationsveranstaltungen angeboten. Dadurch wird die Erwartungshaltung der Aufsicht klar an die Banken kommuniziert und die Vergleichbarkeit und Aussagekraft der Sanierungspläne erheblich erhöht.
Wie erfolgt die Analyse von Sanierungsplänen?
Der Analyseprozess für einen Sanierungsplan unterscheidet sich je nachdem, ob es sich um ein bedeutendes (significant institution, SI) oder weniger bedeutendes Kreditinstitut (less significant institution, LSI) handelt. Während die Pläne für SI in Zusammenarbeit mit der EZB analysiert werden, obliegt die Analyse der Pläne für LSI allein der OeNB.
Im Zusammenhang mit der Analyse der Sanierungspläne von SI gibt es einen harmonisierten Prozess, der eine SSM-weite Vergleichbarkeit der Qualität der Pläne sicherstellt. Die Analyse führen die zuständigen JST in enger Kooperation mit EZB-Krisenmanagement-Spezialisten durch. Festgestellte Mängel werden gegenüber den Banken schriftlich mitgeteilt. In weiterer Folge werden durch die EZB gegebenenfalls Verbesserungsaufträge erteilt, welche innerhalb eines – von dem JST festgelegten – Zeitrahmens von den Banken zu erfüllen sind. Dabei besteht eine enge Kooperation mit den nationalen Stellen, die für Abwicklungsfragen zuständig sind. In Österreich ist das die FMA als Abwicklungsbehörde, auf europäischer Ebene das Single Resolution Board (SRB) als Einheitliches Abwicklungsgremium. Die Erkenntnisse aus der Analyse der Sanierungspläne fließen in die Erstellung der behördlichen Abwicklungspläne durch die zuständigen Abwicklungsbehörden ein.
Die Analyse der Sanierungspläne von LSI erfolgt durch die OeNB. Die FMA erteilt auf Basis dieser Analyse Verbesserungsaufträge. Weitere Verbesserungen der Pläne sind im Rahmen ihrer kontinuierlichen Anpassung und Überarbeitung, abhängig von der Größe der Bank im Ein- oder Zweijahresrhythmus vorzunehmen.
Die Analyse der Sanierungspläne für SI und LSI findet sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene statt. Das bedeutet, dass jede Bank einzeln für sich betrachtet wird, aber auch der Bankensektor als Ganzes. Das ist wichtig, da die Banken nicht unabhängig voneinander am Markt agieren und dadurch Schwierigkeiten einer Bank Wechselwirkungen mit anderen Banken zur Folge haben können.
Auf der Mikroebene werden beispielsweise die folgenden Fragestellungen adressiert:
- Sind die Angaben der Bank, wie z. B. Kennzahlen, konsistent mit Bilanzen und Jahresabschlüssen?
- Sind die Sanierungsindikatoren bzw. die Kalibrierung der entsprechenden Schwellenwerte angemessen?
- Sind die Sanierungsmaßnahmen geeignet, die Überlebensfähigkeit sowie die Finanzlage des Instituts (bzw. der Gruppe) aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen und ist die angenommene Dauer zur Umsetzung realistisch?
- Erfüllt die Bank die Voraussetzungen, um bestimmte Sanierungsmaßnahmen durchzuführen (z. B. Marktzugang)?
- Sind die dargestellten Szenarien für die Bank von Relevanz und berücksichtigen sie das Geschäfts- und Refinanzierungsmodell des Instituts?
- Ist die Gesamtsanierungskapazität in Hinblick auf die Risikosituation des jeweiligen Instituts angemessen?
Auf der Makroebene werden folgende Aspekte beleuchtet:
- Wie sehen die Maßnahmen vergleichbarer Banken aus?
- Ist es sinnvoll, die genannten Maßnahmen in einem bestimmten Szenario zu aktivieren? So wäre beispielsweise ein Forderungsverkauf in einer systemischen Bankenkrise nicht sinnvoll, da er vermutlich mit massiven Wertabschlägen verbunden wäre.
- Gibt es nennenswerte negative Auswirkungen auf das Finanzsystem in Szenarien, in denen auch andere Institute Sanierungspläne aktivieren?