Einheitlicher Abwicklungsmechanismus

Die Finanzkrise der Jahre 2007/08 hat gezeigt, dass insbesondere systemrelevante und grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute mit finanziellen Schwierigkeiten nicht das herkömmliche Insolvenzverfahren durchlaufen können, ohne potenziell die Stabilität des Finanzmarktes zu gefährden. Bis dahin fehlten Regeln und Instrumente für einen geordneten Marktaustritt von Banken („Abwicklung“), um im Fall eines Scheiterns einer systemrelevanten Bank bestimmte „kritische Funktionen“ (volkswirtschaftlich notwendige Bankdienstleistungen, wie z. B. Zahlungsverkehr und Kreditvergabe) aufrechtzuerhalten. Mit dieser Begründung wurden oftmals Banken mit dem Einsatz öffentlicher Mittel gerettet. Das daraufhin entwickelte System für die Bankenabwicklung soll sicherstellen, dass im Fall des Zusammenbruchs einer systemrelevanten Bank die Eigentümer und Gläubiger die Kosten tragen und (möglichst) kein Steuergeld herangezogen werden muss.

Der Einheitliche Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) ergänzt somit den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM). Das Konzept des SRM basiert auf zwei Gesetzgebungsakten: auf der Verordnung zum Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM-VO) und auf der Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD), in Österreich umgesetzt durch das Bundesgesetz für die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG). Institutionell setzt sich der SRM aus dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board, SRB) und dem Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) zusammen.

Ausschuss für die Einheitliche Abwicklung

Der Einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board, SRB) ist eine EU-Agentur mit eigener Rechtspersönlichkeit und mit Sitz in Brüssel. Seit Anfang 2016 übt das SRB seine Aufgaben in Zusammenhang mit der Abwicklungsplanung (einschließlich Beurteilung und Herstellung der Abwicklungsfähigkeit) sowie der konkreten Abwicklung von Kreditinstituten, die von einem Ausfall betroffen oder bedroht sind, vollumfänglich aus.

Wie beim SSM kommt es auch innerhalb des SRM zu einer Arbeitsteilung zwischen dem SRB und den nationalen Abwicklungsbehörden. Die nationale Abwicklungsbehörde in Österreich ist die FMA. Das SRB ist für jene Banken zuständig, die entweder direkt von der EZB beaufsichtigt werden (Significant Institutions, SI), darüber hinaus grenzüberschreitend tätig sind oder Mittel aus dem SRF beanspruchen. Für alle anderen Institute sind hingegen die jeweiligen nationalen Abwicklungsbehörden zuständig.

Das SRB arbeitet bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben eng mit den nationalen Abwicklungsbehörden zusammen.

Einheitlicher Abwicklungsfonds

Neben dem SRB wurde der Einheitliche Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) als finanzielles Fundament des Abwicklungsmechanismus geschaffen. Der SRF ist im Eigentum und unter der Verwaltung des SRB und wird durch finanzielle Beiträge der Banken gespeist. Die individuelle Beitragshöhe bemisst sich auf Basis der Größe und des Risikoprofils der jeweiligen Bank. Die Zielausstattung von 1 % der gedeckten Einlagen aller in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute wurde 2023 zum ersten Mal erreicht.

Rechtliche europäische Grundlagen der Bankenabwicklung

Die Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Banking Recovery and Resolution Directive, BRRD) stellt den Rechtsrahmen für das Krisenmanagement im Finanzsektor dar. Sie schafft europaweit einheitliche Regeln für die Abwicklung von Banken und umfasst die drei Eckpunkte Vorbeugung, Frühintervention und Abwicklung von Banken.

Die BRRD wurde in Österreich durch das Bundesgesetz für die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG) umgesetzt.

Vorbeugung:
Im Rahmen der Vorbeugung haben Banken präventiv Sanierungspläne auszuarbeiten und darzustellen, welche Maßnahmen sie bei einer Verschlechterung der finanziellen Lage ergreifen würden. Diese Pläne sind von der zuständigen Aufsichtsbehörde zu prüfen und zu bewerten. Parallel dazu haben die Abwicklungsbehörden (in Österreich: Finanzmarktaufsicht, FMA) in den von ihnen zu erstellenden Abwicklungsplänen darzulegen, wie eine geordnete Abwicklung oder Restrukturierung des Instituts erfolgen kann. Sollten in den Abwicklungsplänen mögliche Hindernisse festgestellt werden, wird die Bank beauftragt, entsprechende Maßnahmen zu treffen (z. B. ändern der rechtlichen oder operativen Struktur, veräußern bestimmter Vermögenswerte, einschränken bestimmter Tätigkeiten).

Frühintervention:
Zudem sind die Aufsichtsbehörden mit umfangreichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet und können nicht nur bei einem Gesetzesverstoß, sondern bereits bei einem voraussichtlichen Verstoß („likely breach“) frühzeitig eingreifen. Sie können etwa anordnen, dass zusätzliches Eigenkapital zu halten ist und Maßnahmen und Regelungen aus dem Sanierungsplan umzusetzen sind.

Abwicklung:
Greifen die ersten beiden Maßnahmenbündel – Vorbeugung und Frühintervention – nicht, kann es zu einer Abwicklung anstelle eines regulären Insolvenzverfahrens kommen. Voraussetzungen dafür sind, dass eine Bestandsgefährdung eines Instituts beispielsweise aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten besteht, es keine private Lösung zur Rettung des betroffenen Instituts gibt und ein öffentliches Interesse an der Abwicklung dieses Instituts vorliegt. Können diese Voraussetzungen für eine Abwicklung nicht erfüllt werden, so hat der Marktaustritt im Wege des herkömmlichen Insolvenzverfahrens zu erfolgen.

Im Rahmen der Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Banken stehen den Abwicklungsbehörden bestimmte Abwicklungsinstrumente zur Verfügung. Kernstück des Systems ist das „bail-in“-Instrument, das die Verlusttragung durch die Eigentümer und Gläubiger der Bank ermöglicht. Ausgenommen vom „bail-in“ sind insbesondere durch Einlagensicherungssysteme geschützte Einlagen, besicherte Verbindlichkeiten und Verbindlichkeiten gegenüber Beschäftigten.

Darüber hinaus werden den Abwicklungsbehörden weitere Instrumente bzw. Befugnisse eingeräumt, wie beispielsweise die Unternehmensveräußerung, die Möglichkeit, Vermögenswerte auf ein sogenanntes Brückeninstitut zu übertragen, oder die Übertragung von Vermögenswerten auf eine Zweckgesellschaft („bad bank“).

Nationale Umsetzung in Österreich

Mit der Umsetzung der BRRD durch das Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG) in österreichisches Recht wurde ein nationaler Rechtsrahmen für den Umgang mit Banken in Schieflage geschaffen. Das BaSAG soll einen geordneten Marktaustritt von Banken ohne signifikante negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität gewährleisten, bei gleichzeitigem Schutz der Einlagen von Kundinnen und Kunden sowie möglichst geringem Einsatz öffentlicher Mittel.

Basierend auf den Regelungen der BRRD enthält das BaSAG die bereits erläuterten Vorschriften, die Banken zur Erstellung von Sanierungsplänen verpflichten, die Entwicklung von Abwicklungsplänen durch die Abwicklungsbehörde vorsehen und Aufsichtsbehörden die Möglichkeit geben, bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten frühzeitig einzugreifen (Frühintervention).

Die Bestimmungen zu Sanierungsplänen und Frühintervention richten sich an die Aufsichtsbehörden, jene zu Abwicklung an die Abwicklungsbehörde. Gemäß BaSAG ist die FMA die zuständige Abwicklungsbehörde und arbeitet in Anlehnung an das duale Aufsichtssystem bei spezifischen Fragestellungen mit der OeNB zusammen.