Systemrisikopuffer
Zweck des Instruments
Banken können strukturellen systemischen Risiken ausgesetzt sein, welche die Stabilität des Bankensystems in seiner Gesamtheit gefährden oder vom Bankensystem wieder zurück auf die Banken wirken können. Derartige Risiken können beispielsweise aus der Größe eines Bankensektors, aus der Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle oder aus korrelierten Risikopositionen vieler einzelner oder besonders signifikanter Institute entstehen. Auch Reputationsrisiken für weite Teile des Finanzsystems zählen dazu. Dadurch kann es zu einer Störung des Finanzsystems mit möglicherweise bedeutenden nachteiligen Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität und die Realwirtschaft kommen.
Der Systemrisikopuffer (SyRP) soll eben diese strukturellen systemischen Risiken adressieren. Damit trägt er zur Wahrung der Finanzmarktstabilität, Minderung der Systemgefährdung und Reduzierung des systemischen und prozyklisch wirkenden Risikos bei (§ 44c Nationalbankgesetz (NBG)). Er zählt zu den strukturellen makroprudenziellen Kapitalpuffern und ist im europäischen Rahmenwerk verankert (Capital Requirements Regulation und Capital Requirements Directive). Er ist damit Teil der aufsichtlichen Eigenmittelanforderungen an die Banken, welche in nationalem Recht umgesetzt sind (§ 23e Bankwesengesetz (BWG)) und ist in hartem Kernkapital zu halten. Der SyRP kann für alle oder auch nur für Teile des Bankensektors verhängt werden. Der SyRP kann in Schritten von 0,5 Prozentpunkten ausgestaltet sein und deren Vielfachem angepasst werden.1
Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) identifiziert in einem Gutachten jene Banken, die mit einem SyRP zu belegen sind. Diese Empfehlung wird dem Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) vorgelegt. Das FMSG empfiehlt auf dieser Grundlage der FMA, die rechtlich notwendigen Schritte zu setzen (§ 23e BWG). Die behördliche Überprüfung des SyRP (u.a. Prüfung der Höhe der Systemrisiken, der Angemessenheit der Pufferhöhe und der Auswahl der mit dem SyRP belegten Banken) muss zumindest alle zwei Jahre erfolgen. Die Einhaltung der Pufferanforderungen durch die Banken wird laufend überprüft. Erfüllt eine Bank oder Bankengruppe die Kapitalpufferanforderung für den SyRP nicht vollständig, so kommt es für die betroffene Bank unter anderem zu Ausschüttungsbeschränkungen und ein Kapitalerhaltungsplan ist von der Bank zu erstellen (§ 24 BWG).
Informationen über die aktuelle Festsetzung des SyRP in Österreich sind auf der Internetseite des FMSG sowie der FMA zu finden.
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[1] Bei einer Höhe von über 3 % der risikogewichteten Aktiva (RWA) gibt es zusätzliche Verfahrenserfordernisse bei der Feststellung (§ 23e BWG). Für verschiedene Teilgruppen der Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen können unterschiedliche Anforderungen vorgesehen werden (z. B. auf unkonsolidierter und konsolidierter Ebene von Bankkonzernen). Der SyRP kann auch auf eine Teilgruppe von Risikopositionen gerichtet werden. Dabei können für verschiedene Risikopositionen unterschiedliche Anforderungen vorgesehen werden.
Eignung des Instruments zur Adressierung struktureller Systemrisiken
Liegen strukturelle Systemrisiken im Bankenmarkt vor, ist der SyRP geeignet, um diese Risiken zu adressieren. Die durch den SyRP entstehenden höheren Kapitalanforderungen bei den betroffenen Banken wirken über zwei Transmissionskanäle: eine Stärkung der Resilienz gegenüber strukturellen Systemrisiken in Banken, die mit dem SyRP belegt sind, und eine mögliche Reduktion der strukturellen Systemrisiken selbst.
Höhere Kapitalanforderungen durch den SyRP sind geeignet, die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der Banken gegenüber Systemrisiken zu erhöhen. Ein höherer SyRP gewährleistet, dass die betroffene Bank mehr Kapital im Verhältnis zum Risiko hält. Dadurch steht der Bank mehr Kapital zur Absorption von Verlusten im Krisenfall zur Verfügung. Die Wahrscheinlichkeit einer Krise als auch deren Kosten können verringert werden.2
Höhere Kapitalanforderungen durch den SyRP können Banken auch als Anreiz dienen, ihre Beiträge zu beziehungsweise Exponiertheit gegenüber den identifizierten Systemrisiken zu reduzieren. Der Anreiz liegt darin, dass niedrigere Kapitalanforderungen mit geringeren Kosten für die betroffenen Banken einhergehen. Adaptiert nun eine Bank ihre Bilanz derart, dass jene Indikatoren „fallen“, welche für die Feststellung der Systemrisiken herangezogenen werden, so reduziert sich ihr Beitrag zum Systemrisiko (z.B. durch eine stärkere Diversifizierung des Geschäfts, den Verkauf von Portfolien oder Änderungen in den Eigentümerstrukturen). Das Systemrisiko für den Gesamtmarkt kann dadurch über die Zeit sinken. Wird die Höhe des SyRP neu festgelegt, kann sich diese bei entsprechend hoher Risikoreduktion verringern. Eine Deaktivierung des SyRP ist möglich, wenn keine erhöhten strukturellen Systemrisiken mehr vorliegen. Im Gegensatz dazu wird der SyRP erhöht, wenn die Beiträge der Banken zu den Systemrisiken und damit das Systemrisiko per se steigen.
Insgesamt stärkt der SyRP bei Vorliegen von Systemrisiken die Finanzmarktstabilität. Dies wirkt sich auch auf die Gesamtwirtschaft positiv aus. Die Einschätzung von Analyst:innen, Ratingagenturen und internationalen Institutionen verbessert sich und kann das Rating des Bankensystems bzw. des gesamten Landes positiv beeinflussen; in Folge können sich die Refinanzierungskosten der Finanzwirtschaft (und der Realwirtschaft) verringern.
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[2] ESRB. 2014. The ESRB handbook on operationalizing macroprudential policy in the banking sector.
Erforderlichkeit des Instruments
Werden strukturelle Systemrisiken im Bankenmarkt identifiziert, ist eine Abwägung der verschiedenen aufsichtlichen Handlungsmöglichkeiten wesentlich, um eine bestmögliche, effektive Wirkung der aufsichtlichen Maßnahmen zu erzielen. Die Resilienz soll gegenüber den Systemrisiken erhöht, bzw. die Systemrisiken verringert werden. Dabei werden Kosten und Nutzen sämtlicher makro- wie mikroprudenzieller Handlungsalternativen gemäß BWG und Capital Requirements Regulation (CRR) abgewogen. Auch „Nicht-Handeln“ wird in Betracht gezogen.
Im Fall von strukturellen systemischen Risiken stellt der SyRP das gelindeste Mittel dar. Bei der Kalibrierung der Pufferhöhe werden andere prudenzielle Maßnahmen, wie der Other Systemically Important Institutions (OSII) Puffer, die Minimum requirements for own funds and eligible liabilities (MREL) oder der Aufbau des Abwicklungsfonds (Single Resolution Funds (SRF)), berücksichtigt. Die rechtlichen Konsequenzen bei Nichterfüllung des SyRP gemäß § 24 BWG sind eine proportional gestaffelte Ausschüttungsbeschränkung, eine Beschränkung der Managerboni und der Ausschüttung von Additional Tier 1 (AT1)-Coupons sowie die Vorlage eines Kapitalerhaltungsplanes.
Methodik zur Feststellung struktureller systemischer Risiken
Bei der Analyse systemischer Risiken verfolgt die OeNB einen umfassenden Ansatz, um Kosten von Bankenkrisen innerhalb des Finanzsektors zu internalisieren und nicht auf die Öffentlichkeit überzuwälzen zu müssen. Dieser umfassende, integrierte Ansatz zielt auf die Konsistenz zwischen makroprudenzieller Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung ab. Zu diesem Zweck werden die Ergebnisse der Evaluierungen der makroprudenziellen Kapitalpuffer, so auch des SyRP, der Tragfähigkeit der Einlagensicherung sowie der Glaubwürdigkeit und Durchführbarkeit von Abwicklungen zusammengeführt. So kann einerseits sichergestellt werden, dass Banken, die in diesen Bereichen systemischen Risiken besonders ausgesetzt sind, bzw. zu diesen in erhöhtem Maße beitragen, mit höheren Kapitalpuffererfordernissen belegt werden. Damit werden sie krisenfester. Andererseits können diese Banken im Ernstfall auch besser abgewickelt werden. Die zusätzlichen Kapitalpuffer ermöglichen, die gesamtwirtschaftlichen Kosten eines Marktaustritts im Bankensystem zu internalisieren und damit für die Realwirtschaft zu reduzieren. Das österreichische Bankensystem ist dadurch in der Lage, größeren Schocks besser standzuhalten.
Die Analyse der strukturellen Systemrisiken3 des österreichischen Bankensektors bildet die Grundlage für eine Empfehlung, ob ein SyRP zur Wahrung der Finanzmarktstabilität als notwendig erachtet wird. Diese Analyse führte in den letzten Jahren zu dem Ergebnis, dass aus Sicht der Finanzmarktstabilität ein erhöhtes strukturelles Systemrisiko auf Grund einer spezifischen Kombination an Faktoren besteht. Die im Folgenden dargelegten strukturellen Systemrisiken betreffen große Teile des österreichischen Bankensektors und ergeben sich erst in der Zusammenschau aller Banken. Da der Bankensektor den österreichischen Finanzsektor dominiert, sind die identifizierten Systemrisiken für den gesamten Finanzsektor und folglich auch für die Realwirtschaft von großer Bedeutung.
Großer Bankensektor
Für eine kleine offene Volkswirtschaft, wie Österreich, ist der Bankensektor (gemessen an der Bilanzsumme) in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) groß. Eine systemische Krise eines derart großen Bankensektors führt in einer kleinen offenen Volkswirtschaft zu potenziell hohen Krisenkosten. Diese können sich in großen staatlichen Rettungspaketen mit ungünstigen Auswirkungen auf den Staatshaushalt und starken negativen Effekten für die Realwirtschaft niederschlagen. Grundsätzlich korreliert ein großer Bankensektor mit höheren systemischen Bankenrisiken.4 Auch der Verschuldungsgrad – einerseits der Banken, andererseits des privaten Sektors – ist ein wesentlicher Parameter für die Wahrscheinlichkeit als auch die Kosten von Bankenkrisen. Ein nachhaltiger Beitrag der Kreditvergabe zum Wirtschaftswachstum benötigt hingegen eine starke Eigenkapitalbasis auf Schuldner- und Bankenseite. Krisenprävention durch Stärkung der Eigenkapitalbasis trägt daher wesentlich zur Wahrung der Finanzmarktstabilität bei und ist volkswirtschaftlich betrachtet wesentlich effizienter als die Finanzierung potenzieller Krisenkosten infolge von Insolvenzen und Abwicklungen durch die öffentliche Hand.
Starke Vernetzung
Die Vernetzung innerhalb der Finanz- und dieser auch mit der Realwirtschaft ist im österreichischen Bankenmarkt besonders ausgeprägt. Im Fokus der Analyse steht das Interbankennetzwerk bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Kapitalisierung der Banken. Im OeNB-Stresstestmodell wird der Ausfall österreichischer Banken simuliert und die Betroffenheit anderer Banken bis hin zu einem weiteren Folgeausfall bewertet. Die individuelle Verwundbarkeit innerhalb des Bankennetzwerks misst sich durch die sich daraus ergebenden Verluste.
Spezifische (teilweise öffentliche) Eigentümerstrukturen
Starke und leistungsfähige Eigentümer:innen sind wichtig für eine gute Solidität von Banken. Spezifische Eigenschaften können diese jedoch schwächen. Dazu zählen etwa eine geringe Eigenkapitalbasis beziehungsweise eine hohe Verschuldung. Die Risikotragfähigkeit der Banken kann sich dadurch verringern und eine Rekapitalisierung wird im Krisenfall erschwert (systemisches „Rekapitalisierungsrisiko“). Der Grund ist, dass sich Banken überwiegend über Fremdkapital finanzieren. Sind Eigentümer:innen von Banken selbst (stark) verschuldet, führt dies zu einer geringeren Risikotragfähigkeit und erschwert eine Rekapitalisierung (Risiko des sogenannten „Double leverage“). Eine öffentliche Eigentümerschaft oder hohe Landeshaftungen können zudem zu Anreizverzerrungen bei Banken führen. Eine Fehlallokation von Kapital, Liquidität und Risiko sowie eine Fehlbepreisung von Risiken ist die Folge, wonach Risiken direkt auf die Steuerzahler:innen durchschlagen können. Zusätzlich kommt es im Fall einer notwendigen Rekapitalisierung zu beihilferechtlichen Problemstellungen. In der Analyse werden als Indikatoren Landeshaftungen und der Anteil der öffentlichen Eigentümerschaft bei Banken herangezogen.
Hohe Exponierung gegenüber aufstrebenden Volkswirtschaften in Europa
Die regionale Konzentration österreichischer Bankaktivitäten in CESEE (Central, Eastern and Southeastern Europe) ist aus systemischer Perspektive relevant. Schocks in CESEE können über die österreichischen Konzernmütter der Banken das gesamte österreichische Bankensystem direkt oder indirekt anstecken. Insbesondere dann, wenn österreichische Banken in der gesamten Region oder in einzelnen Ländern besonders exponiert sind, wären diese Banken von regionalen oder nationalen Schocks besonders betroffen. Diese Exponiertheit zeigt sich zum Beispiel in einem hohen Anteil der Bankbilanz zum jeweils nationalen BIP. Diese Ansteckung kann verschiedene Ursachen haben, unter anderem: externe Effekte aus Notverkäufen, psychologische Ansteckungseffekte durch die Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle oder Ansteckungen durch direkte Risikopositionen zwischen den Banken und unter ihren Töchtern. Die OeNB weist auf diese Risiken seit Jahren in ihren Finanzmarktstabilitätsberichten hin. Letztendlich können auch die Finanz- und Realwirtschaft als auch der öffentliche Haushalt in Österreich durch dieses systemische Klumpenrisiko betroffen sein. Trotz der Heterogenität der Region hinsichtlich realwirtschaftlicher Bedingungen, korrelieren die finanzmarktrelevanten Risiken der geografisch in CESEE konzentrierten Risikopositionen über diese Länder stark. Dies ist insbesondere in Krisenzeiten der Fall.5 Auch wird die CESEE-Region bzw. werden Teile davon von Investor:innen und Marktbeobachter:innen als ähnlich wahrgenommen – im Sinne „eines Geschäftsmodells“, welches die österreichischen Banken verfolgen. Daher ist es wichtig, die CESEE-Region in ihrer Gesamtheit zu betrachten.
Die Analyse stützt sich insbesondere auf das Verhältnis der Risikopositionen des österreichischen Bankensektors im Ausland zum österreichischen BIP. Auch wird das Auslandsengagement international verglichen.
Mangelnde strukturelle Profitabilität
Die Profitabilität ist in Österreich im internationalen Vergleich langfristig betrachtet strukturell niedrig. Insbesondere das Österreich-Geschäft ist traditionell margenschwach, auch auf Grund des hohen Wettbewerbs. Zudem gibt es eine hohe Abhängigkeit der Profitabilität der österreichischen Banken von den Gewinnen der Tochtergesellschaften in CESEE. Ein Bankensystem mit einer höheren strukturellen Profitabilität kann Schocks, zum Beispiel verursacht durch Abschreibungen oder Wertberichtigungen, leichter über eine Gewinnreduktion abfedern, ohne dass diese auf die Kapitalisierung durchschlägt. Falls eine Rekapitalisierung notwendig ist, kann ein profitableres System sich wesentlich leichter durch einbehaltene Gewinne bzw. durch seinen besseren Zugang zum Kapitalmarkt (z. B. über günstigere Eigenkapitalkosten) rekapitalisieren. Letzteres hängt allerdings auch stark von der Eigentümerstruktur des Bankensystems ab.
In der Analyse wird die Entwicklung der Profitabilität vor allem in Zusammenhang mit dem Kreditwachstum, den damit einhergehenden Provisionsergebnissen und Kreditrisikokosten betrachtet. Dabei werden Profitabilitätstreiber und mögliche Konzentrationen beobachtet. Laufende Marktentwicklungen und das Zinsumfeld spielen dabei ebenfalls eine Rolle.
Langfristiges strukturelles Spreadrisiko
Durch das Abwicklungsregime (BRRD, BaSAG)6 wurde grundsätzlich versucht, die Belastung der öffentlichen Hand und somit der Steuerzahler:innen bei Bankenkrisen zu vermeiden. Kommt es zu keiner Staatsintervention mehr, fällt damit die sogenannte „implizite Staatsgarantie für Banken“ weg. Dieser gänzliche Wegfall kann potenziell zu Rating-Downgrades bei jenen Banken führen, die unzureichend darauf vorbereitet sind (bspw. durch eine unzureichende Kapitalisierung). In Folge würden ihre Refinanzierungskosten steigen.7, 8 Dieses Risiko nennt man „Spread-Risiko“. Vor allem in Zeiten erhöhter Unsicherheit ist ein systemisches „Spread-Risiko“ die Folge, welches viele Banken betreffen kann. Dadurch würde die Profitabilität im Bankensystem weiter geschwächt. Dies könnte dazu führen, dass manche Geschäftsmodelle infrage gestellt werden und in weiterer Folge die Refinanzierungskosten der Realwirtschaft deutlich steigen. In der Analyse der impliziten Staatsgarantie wird der verbleibende Refinanzierungskostenvorteil durch die noch vorhandene implizite Staatsgarantie für die österreichischen Banken geschätzt.
Niedrige Kapitalausstattung
Den vorangegangen strukturellen systemischen Risiken steht nach den Gewinnen („first line of defense“) die Kapitalisierung als „second line of defense“ zur möglichen Verlustabsorption im Krisenfall gegenüber. In der Analyse wird als Indikator insbesondere auf die harte Kernkapitalquote (core equity tier 1 (CET1)) abgestellt. Diese wird im Zeitablauf als auch im Peer-System-Vergleich mit Bankensystemen mit ähnlichen strukturellen Systemrisiken betrachtet. Die Kapitalausstattung des österreichischen Bankensystems ist bei diesem Vergleich seit vielen Jahren verhältnismäßig niedrig.
Die Zusammenschau dieser identifizierten strukturellen Systemrisiken dient als Grundlage für die Kalibrierung der Pufferhöhe und Auswahl der Banken, die mit dem SyRP zu belegen sind. Dabei stehen zwei Risikobereiche im Vordergrund:
Erstens, die systemische Verwundbarkeit ist ein Risiko, das vom System auf die einzelne Bank durch (a) starke Vernetzung und/oder (b) öffentliche Eigentümerschaft wirkt. Die systemische Verwundbarkeit durch (a) starke Vernetzung, ist eine erhöhte Verwundbarkeit eines oder mehrerer Banken gegenüber Störungen im Finanzsystem oder Teilen davon, die sich aufgrund von Verflechtungen eines oder mehrerer Banken mit anderen Marktteilnehmenden, dem Finanzsystem generell und/oder der Realwirtschaft ergibt. Die systemische Verwundbarkeit in Bezug auf (b) die öffentliche Eigentümerschaft berücksichtigt die besondere Gefahr, dass Bankenkrisen zu einer Belastung des öffentlichen Haushalts führen können, die über die Eigentümerschaft der öffentlichen Hand wirkt.
Zweitens, das systemisches Klumpenrisiko ist ein Risiko, das vom System auf die einzelne Bank wirkt, wenn substanziell gleichartige Risikopositionen der Kreditwirtschaft (beziehungsweise mehrerer Kreditinstitute) ein systemisches Ausmaß annehmen und zu Störungen führen können, die schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Realwirtschaft entfalten können. Hierbei wird insbesondere auf die hohe Exponierung österreichischer Banken gegenüber aufstrebenden Volkswirtschaften abgestellt.
Durch den Aufbau des SyRP sollen Banken mehr hartes Kernkapital im Verhältnis zu ihrem Risiko halten. Dadurch wird der inhärente Risikoteilungsmechanismus im Falle einer Krise im Bankensystem gestärkt. Auch soll sichergestellt werden, dass Banken Krisenkosten selbst tragen können.
Grundsätzlich umfassen strukturelle systemische Risiken auch jene Risiken, die sich von einer Bank auf das System auswirken und sich v.a. aus der Größe einzelner Banken sowie der hohen Konzentration im Bankensektor ergeben. Diese strukturellen systemischen Risiken werden jedoch vom Puffer für Systemrelevante Institute (OSII-Puffer, § 23d BWG) adressiert. Der OSII-Puffer deckt zusätzlich jene Systemrisiken ab, die von einem einzelnen Kreditinstitut ausgehen und durch eine starke Vernetzung auf andere Institute übertragen werden. Diese Systemrisiken können sich entweder durch eine direkte Ansteckung materialisieren (z.B. durch den Ausfall von Interbankkrediten) oder indirekt über den inhärenten Risikoteilungsmechanismus im Rahmen der Einlagensicherung und Abwicklung auf andere Kreditinstitute wirken.
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[3] Von diesen strukturellen Systemrisiken sind idiosynkratische Risiken, wie z. B. bankbetriebliche und bankgeschäftliche Risiken aus der Geschäftsgebarung eines einzelnen Instituts oder institutsspezifische Risiken aus konzentrierten Risikopositionen, zu unterscheiden. Darüber hinaus werden von der OeNB weitere langfristige strukturelle systemische Risiken für das österreichische Bankensystem identifiziert (zum Beispiel aus der Immobilienfinanzierung und das Klimarisiko).
[4] Laeven L. and F. Valencia. 2018. Systemic banking crises revisited. IMF Working Paper 18/206.
[5] Gemessen wird dies über die sogenannte Tail Dependance. Sie gibt an, wie häufig der Wert einer Zufallsvariable (bspw. Änderung des credit default swap (CDS) spread von Tschechien) über einem bestimmten Quantil (bspw. 95 %) liegt, wenn die zweite Zufallsvariable (bspw. Änderung des CDS spread der Slowakei) über dem gleichen Quantil liegt. Das bedeutet, dass in jenen Fällen, in denen der CDS spread eines Landes stark ansteigt, es wahrscheinlich (d. h. wahrscheinlicher als bei bloßer Betrachtung der Korrelation) ist, dass auch der CDS spread eines anderen CESEE-Landes stark ansteigt.
[6] Mit der Umsetzung der europäischen Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) in Österreich in Form des Bankensanierungs- und Abwicklungsgesetzes (BaSAG) soll ein geordneter Marktaustritt von Banken ohne Finanzmarkstabilitätsgefährdung, mit geringen Kosten für die Realwirtschaft und ohne Einsatz öffentlicher Mittel gewährleistet werden. Damit soll die implizite Staatsgarantie, die eine indirekte Subvention durch den Staat darstellt und dadurch Banken einen Refinanzierungskostenvorteil ermöglicht, wegfallen. Zudem werden mit der Umsetzung der BRRD seitens des Bankensektors Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL, Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities) aufgebaut. Durch dieses stärkere Vorhalten Bail-in-fähiger Verbindlichkeiten sollte eine bessere Finanzierung im Fall der Abwicklung einer Bank gewährleistet werden. Auch durch die Befüllung des Abwicklungsfonds (SRF, Single Resolution Fund) auf europäischer Ebene steigt die Manövriermasse in Abwicklungsfällen weiter, sodass negative Auswirkungen der Abwicklung einer großen Bank auf andere Marktteilnehmer:innen geringer ausfallen sollten. Dies bedeutet eine Reduktion des Risikos des Systems auf einzelne Banken.
[7] Studien zeigen, dass sich der Refinanzierungskostenvorteil der impliziten Staatsgarantie durch regulatorische Maßnahmen reduziert hat, aber weiterhin signifikant ist – vor allem in Krisenzeiten. Dies führt zu einer Fehlallokation von Kapital, Liquidität und Risiko sowie einer Fehlbepreisung von Risiken (u. a. Denk, Schich und Gournède 2014).
[8] Denk O., Schich, S. und B. Cournède. 2014. Why implicit bank debt guarantees matter: Some empirical evidence. OECD Journal: Financial Market Trends 2. 63–88.
Angemessene Kalibrierung des SyRP
Werden strukturelle Systemrisiken im Bankensektor identifiziert und der SyRP als am besten geeignet und als gelindestes Mittel erachtet, erfolgt eine verhältnismäßige Kalibrierung des SyRP in einem vierstufigen Analyseprozess.
Die Grundlage bildet die Systemrisikoanalyse. Die dabei identifizierten Risikobereiche werden zur Auswahl jener Banken herangezogen, welche mit einem SyRP zu belegen sind. Die Kalibrierung der Pufferhöhe erfolgt mittels drei verschiedener Berechnungsmethoden. Änderungen in den Systemrisiken und Überlappungen mit anderen rechtlichen Anforderungen werden dabei berücksichtigt. Abschließend wird auf Basis dieser Ergebnisse die individuelle Pufferhöhe je Bank kalibriert.
Auswahl der Banken für den SyRP
Da die Systemrisiken auf das gesamte Bankensystem wirken, wären prinzipiell alle Banken mit einem SyRP zu belegen. Zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit werden jedoch nur jene Banken mit einem SyRP belegt, die den beiden Risikobereichen Systemische Verwundbarkeit auf Grund der Vernetzung (1a) und/oder öffentlichen Eigentümerschaft (1b) und/oder (2) Systemisches Klumpenrisiko besonders ausgesetzt sind. Zusätzlich müssen diese Banken ein Proportionalitätskriterium erfüllen, um mit dem SyRP belegt zu werden. Werden die Grenzwerte für die Indikatoren des jeweiligen Risikokanals überschritten, ist die Bank mit einem SyRP zu belegen. Ziel ist es, eine größtmögliche Stabilität in der Auswahl der Banken und Kalibrierung der Pufferhöhen zu gewährleisten, damit nicht kurzfristige Volatilitäten zu Puffersetzungen beziehungsweise -aufhebungen führen. Dafür werden die Aktivitäten der Banken und diesbezügliche Trends, auch in Absprache mit der Einzelbankaufsicht, beobachtet. Die Bankenauswahl erfolgt auf konsolidierter und unkonsolidierter Ebene separat.
Die Bankenauswahl für das Risiko der systemischen Verwundbarkeit auf Grund der Vernetzung (1a) basiert auf folgenden Indikatoren: Anteil an gesicherten Einlagen, Position im österreichischen Bankennetzwerk und als Proportionalitätskriterium der Anteil der Bank an der aggregierten Bilanzsumme aller österreichsicher Banken. Der Indikator Anteil an den gesicherten Einlagen wird gewählt, da darauf der gesetzliche Verteilungsschlüssel für die Beitragspflichten der Banken bei Einlagensicherungsfällen aufbaut und diese beträchtliche Ansteckungseffekte auslösen können.
Die Bankenauswahl für das Risiko der systemischen Verwundbarkeit auf Grund der öffentlichen Eigentümerschaft (1b) erfolgt auf Basis folgender Indikatoren: Anteil an staatlichem Eigentum an der Bank und als Proportionalitätskriterium der Anteil an der aggregierten Bilanzsumme.
Die Bankenauswahl für das systemische Klumpenrisiko basiert auf folgenden Indikatoren: Ähnliches Geschäftsmodell, Bedeutung der Profitabilität aus CESEE für das gesamte Periodenergebnis der Bank und als Proportionalitätskriterium der Anteil des CESEE-Exposures der Banken am österreichweiten CESEE-Exposure. Der Heterogenität der CESEE-Region wird dabei Rechnung getragen.
Höhe des Systemrisikopuffers
Die angemessene Höhe des SyRP wird mittels drei verschiedener Berechnungsmethoden ermittelt:
- Der Peer-System-Vergleich zeigt einen möglichen Kapitalaufholbedarf gegenüber ähnlichen Bankensystemen. Als Peer-Systeme werden Länder herangezogen, die wie Österreich kleine offene Volkswirtschaften mit einem großen Bankensektor sind, welcher über ein hohes Auslandsexposure verfügt.
- Der systemische Ansatz adressiert das Risiko der Größe des Bankensektors und die damit einhergehenden hohen Kosten einer systemischen Krise. Dabei steht die Intention im Vordergrund, dass durch höhere Kapitalpufferanforderungen dem Bankensystem im Krisenfall mehr Pufferkapital zur Verlustabsorption sowie zur Finanzierung der Realwirtschaft zur Verfügung stehen soll.
- Der synthetische Ansatz verfolgt das Ziel der stärkeren Systemrisikotragfähigkeit für spezifische systemische Risiken.
Diese Quantifizierungen und eine etwaige Veränderung der Systemrisiken bilden die Basis für die Festlegung der Pufferhöhe. Gleichzeitig wird berücksichtigt, dass durch die MREL-Anforderungen sowie den Abwicklungsfonds die Manövriermasse in Abwicklungsfällen gestiegen ist. Dies sollte die Auswirkungen von Krisen auf andere Marktteilnehmende schmälern. Auch wird eine etwaige Überlappung mit anderen regulatorischen Anforderungen in der Kalibrierung berücksichtigt. So wirken SyRP und OSII-Puffer grundsätzlich komplementär, jedoch gibt es Überlappungsbereiche. Diese werden in einer umfassenden Analyse bereinigt.
Die Anwendung des SyRP soll auf konsolidierter und unkonsolidierter Ebene auf das gesamte Exposure abzielen, da die Kalibrierung der adäquaten Höhe des SyRP auf Basis der gesamten risikogewichteten Aktiva (RWA) erfolgt und das Auftreten nicht intendierter Nebeneffekte dadurch minimiert werden kann. Auch ist im Fall einer strukturellen systemweiten Krise davon auszugehen, dass sowohl Soloinstitute als auch der Konzern als Ganzes von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen sind. Sollte der Konzern allfällige Kapitalreserven haben, könnten aufgrund insolvenzrechtlicher Barrieren diese den betroffenen Soloinstituten nicht oder nicht zeitgerecht zur Verfügung stehen. Daher ist eine Pufferverhängung auch auf unkonsolidierter Ebene notwendig. Die üblicherweise bindende Kapitalberechnung ist die konsolidierte Sicht. Dennoch gibt es Fälle, in denen die unkonsolidierte Sichtweise die tatsächlich Bindende ist. Da die Funktionsfähigkeit der Puffer in Krisensituationen nur dann erfüllt ist, wenn es rechtzeitig zu den in Art. 141 Capital Requirements Directive (CRD) IV beschriebenen Konsequenzen betreffend u.a. Gewinnausschüttung kommt, wird empfohlen, die Puffer auch auf unkonsolidierter Ebene zu vergeben.
Angemessene Bewertung des Nutzens und der Kosten des SyRP
Die Einführung makroprudenzieller Maßnahmen, wie dem SyRP, bedarf einer Abwägung von sozialem Nutzen und sozialen Kosten der Maßnahme für Banken, die Gesamtwirtschaft und Gesellschaft im Allgemeinen. Nur wenn der erwartete Nutzen der Maßnahme die erwarteten Kosten übersteigt, wird eine makroprudenzielle Maßnahme gesetzt.
Vor diesem Hintergrund wird der Nutzen der Maßnahmen beurteilt. Dazu wird eine ex-ante, das heißt eine vor Maßnahmensetzung durchgeführte, Auswirkungsabschätzung durchgeführt (Impact Assessment). Diese eruiert die potenziellen Kosten der Maßnahme. Im Ergebnis kann eine makroprudenzielle Maßnahme zu kurzfristig höheren Kosten (in Form von etwas höheren Kreditkosten) führen. Der Nutzen durch das Nichteintreten bzw. durch die geringeren Auswirkungen einer systemischen Krise soll diese Kosten jedoch langfristig übertreffen.
Nach Setzung einer makroprudenziellen Maßnahme erfolgt ex-post eine Wirkungsanalyse. Dabei stehen die für die Systemrisikoanalyse und Kalibrierung des Instruments herangezogenen Indikatoren im Vordergrund. Auch werden Entwicklungen in anderen regulatorischen Bereichen und sich ändernde makroökonomische Rahmenbedingungen sowie die (inter)nationale Wahrnehmung durch Institutionen (u.a. Europäische Zentralbank (EZB), Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) oder Internationaler Währungsfonds (IWF)) und Ratingagenturen in die Analyse miteinbezogen. Diese Ex-post-Ergebnisse fließen in die tourliche Evaluierung der makroprudenziellen Maßnahmen ein und können zu einer Adaptierung der Ausgestaltung der Maßnahmen führen.
Ziel des SyRP ist es, mögliche ernsthafte nachteilige Auswirkungen der Risiken auf das Finanzsystem und die Realwirtschaft – soweit möglich – zu mindern oder zu vermeiden (Art. 133 Abs 1 CRD IV). Der erwartete gesamtwirtschaftliche Nutzen des SyRP liegt daher in der Minderung der langfristigen systemischen strukturellen Risiken. Er kann an der Stärkung der Resilienz gegenüber eben diesen Risiken gemessen werden. Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit stellt insbesondere auf eine Erhöhung der Eigenmittelbasis ab. Dadurch wird die Verletzlichkeit von Instituten durch systemische Risiken verringert. Durch das Halten zusätzlicher Kapitalpuffer steht dem Bankensystem im Krisenfall mehr Kapital zur Verlustabsorption sowie zur Finanzierung der Realwirtschaft zur Verfügung. Dadurch können sich die Kosten von systemischen Krisen verringern. Durch die Ex-ante-Reduzierung der Krisenwahrscheinlichkeit beziehungsweise etwaiger Krisenkosten ist eine gesamthafte Stärkung der Stabilität des Finanzsystems zu erwarten. Diese ist wichtig für eine friktionsfreie Finanzierung der Realwirtschaft. Das heißt, dass auch im Krisenfall Unternehmen, Haushalten und der öffentlichen Hand effizient und ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden können. Die Minderung der langfristigen strukturellen systemischen Risiken kann anhand der in der Systemrisikoanalyse herangezogenen Indikatoren festgestellt werden. Sie führt zu einer Verringerung der Wahrscheinlichkeit, dass eine Systemkrise eintritt.
Die erwarteten sozialen Kosten der makroprudenzieller Kapitalpuffer, so auch des SyRP, sind mögliche negative Effekte auf die Realwirtschaft. Grundsätzlich können Banken höhere Kapitalanforderungen, gemessen als Eigenkapital in Prozent der RWA durch eine Erhöhung des Eigenkapitals (Gewinneinbehaltung und/oder Neuemission) und/oder eine Reduktion der RWA erreichen. Beides geht mit zusätzlichen Kosten für die Banken einher. Diese können an die Bankkund:innen weitergeben werden. Dadurch kann sich die Refinanzierung der Realwirtschaft verteuern bzw. erschweren und das gesamtwirtschaftliche Wachstum verringern. Da das Kreditgeschäft grundsätzlich eine bedeutende Einnahmequelle für Banken darstellt, ist zu erwarten, dass es zu einer Substitution der Kreditrisiken innerhalb des Bankensektors, z.B. durch ausländische Banken oder durch alternative Finanzierungsformen kommt. Internationale wissenschaftliche Studien zeigen, dass Banken angesichts höherer Kapitalanforderungen zunächst Kapital aufnehmen bzw. andere Assets reduzieren und erst als letzte Instanz die Kreditvergabe einschränken, um höhere CET1-Quoten zu erzielen.9 Ein volkswirtschaftlich gefährlicher Einbruch der gesamten Kreditintermediation in Österreich ist daher nicht zu erwarten.
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[9] BCBS. 2019. Survey on the interaction of regulatory instruments: results and analysis. BCBS Working Paper 35.
Auswirkungsabschätzung
Für die Ex-ante-Auswirkungsabschätzung (Impact Assessment) kapitalbasierter makroprudenzieller Maßnahmen, wie dem SyRP, wird ein mehrstufiges Verfahren herangezogen. Kurz zusammengefasst wird dabei analysiert, wie sich die bei Banken entstehenden „privaten Kosten“ auf Grund einer aufsichtlichen Maßnahme auf die Bepreisung der von ihnen vergebenen Kredite auswirken. Dadurch können sich die Finanzierungskosten der Realwirtschaft verteuern und damit die Entwicklung der Gesamtwirtschaft potenziell trüben. Diese sogenannten „sozialen“, das heißt gesamtwirtschaftlichen, Kosten können sich beispielsweise in einem verhalteneren Investitions- und Konsumverhalten zeigen und zu geringerem Wirtschaftswachstum führen.
Methodisch gliedert sich die Analyse in folgende Schritte:
- Zunächst wird der Kapitalbedarf in jenen Banken ermittelt, die mit höheren Kapitalpuffern belegt werden. Dieser ergibt sich aus dem Vergleich der tatsächlichen Kapitalausstattung mit den zukünftigen regulatorischen Kapitalanforderungen.
- Für die Auswirkungsabschätzung werden zunächst die zusätzlichen „privaten Kosten“ der Eigenkapitalaufbringung für die Banken, auch Opportunitätskosten genannt, geschätzt. Bei konstanter Bilanzsumme und gleichbleibenden Gewinnerwartungen wird angenommen, dass Banken das teuerste Fremdkapital durch Eigenkapital ersetzen, um die Pufferanforderungen zu erfüllen. Die Empirie zeigt, dass Banken zahlreiche Optionen haben, auf Eigenkapitalanforderungen zu reagieren. Sie wählen die Optionen so, dass ihre zusätzlichen Kosten möglichst gering sind. Zu erwarten ist daher, dass die Kosten über alle Maßnahmen in der Realität unter den Kosten einer Kapitalerhöhung liegen. Die Verwendung letzterer ist daher eine sehr konservative Annahme.
- In Folge wird angenommen, dass Banken ihre zusätzlichen Kosten (Opportunitätskosten) vollständig und ausschließlich auf Kreditnehmende der Realwirtschaft überwälzen. Banken kompensieren demnach die zusätzlichen Eigenkapitalkosten durch eine Erhöhung der Zinsen auf Neukredite an Nichtbanken. Dies trägt ebenfalls zu einer konservativen Schätzung der Auswirkungen bei.
- Im letzten Schritt werden die Auswirkungen dieser Zinserhöhung auf die Makroökonomie geschätzt. Diese Berechnungen basieren auf dem erprobten Prognosemodell der OeNB, mit welchem die OeNB ihre Wirtschaftsprognosen erstellt. Die dabei berechneten Elastizitäten stellen durch einen Zinsanstieg ausgelöste Wachstumseffekte auf makroökonomische Variablen dar (u.a. BIP-Wachstum, Veränderung der Bruttoanlageinvestitionen, Privatkonsum). Zwei Wirkungskanäle von Zinserhöhungen stehen dabei im Vordergrund: Erstens gehen Zinssätze als jeweiliger Kostenfaktor in die Gleichungen ein („cost of capital channel”). Eine Zinserhöhung senkt ceteris paribus den optimalen Kapitalstock und die Investitionsnachfrage. Zweitens reduzieren höhere Zinssätze den privaten Konsum, da sie einerseits die Sparquote erhöhen und sich andererseits aufgrund geringerer Konsumnachfrage die Beschäftigung und somit das real verfügbare Haushaltseinkommen verringert („Substitutionskanal“).
Eine derartige Auswirkungsabschätzung ist fester Bestandteil der Einschätzung der Angemessenheit makroprudenzieller Instrumente.