Vor 100 Jahren wurde die „Oesterreichische Nationalbank“ gegründet
Claudia Köpf, 23.01.2023Das österreichische Noteninstitut besteht zwar bereits seit 1816, als „Oesterreichische Nationalbank“ (OeNB) nahm es aber erst mit 1. Jänner 1923 seine Tätigkeit auf. Gegründet in schwierigen Zeiten, welche von Hyperinflation und dem Bewältigen der Kriegsfolgen geprägt waren, übernahm die OeNB nach der Liquidierung der aus der Monarchie stammenden „Oesterreichisch-ungarischen Bank“ die Aufgabe, die Währung in der Republik Österreich zu stabilisieren. Dem Übergang in neu geordnete politische und wirtschaftliche Verhältnisse gingen internationale Vorgaben und jahrelange Verhandlungen voraus.
Mit Ende des Ersten Weltkriegs 1918 begann die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn in mehrere Nationalstaaten auseinanderzubrechen. Für die Oesterreichisch-ungarische Bank (OeUB) wurde eine österreichische Geschäftsführung eingerichtet, um das bisherige Noteninstitut auf dem reduzierten Staatsgebiet der damaligen Republik Deutschösterreich weiter bestehen zu lassen. Doch gemäß den Bestimmungen des Friedensvertrags von St. Germain vom 10. September 1919, der am 16. Juli 1920 in Kraft trat und die Auflösung von Österreich-Ungarn auch völkerrechtlich bestätigte, wurde die Liquidierung der OeUB eingeleitet.
Zur gleichen Zeit stieg in Österreich als Folge der anhaltenden Staatsfinanzierung durch die vermehrte Banknotenproduktion die Inflation in dramatische Höhen. Auch das Staatsdefizit konnte nicht verringert werden. Bundeskanzler Seipel suchte deswegen beim Völkerbund (diese 1920 gegründete internationale Organisation zur Friedenssicherung mit Sitz in Genf gilt als indirekte Vorläuferin der Vereinten Nationen und wurde 1946 aufgelöst) um einen Hilfskredit für Österreich an, der schließlich im Oktober 1922 gewährt wurde, allerdings unter Auflagen. Die „Genfer Protokolle“ verpflichteten Österreich nämlich zu einem tiefgreifenden wirtschaftlichen Sanierungsprogramm.
Eine wichtige Stütze in diesem neuen Aufgabenspektrum sollte eine vom Staat unabhängige Notenbank sein. Am 14. November 1922 beschloss der Nationalrat per Bundesgesetz die Gründung der neuen Aktiengesellschaft „Oesterreichische Nationalbank“. Am 15. Dezember 1922 fand die letzte Sitzung der zu liquidierenden Oesterreichisch-ungarischen Bank und zur Übergabe der Geschäfte bereits eine Woche später die erste Sitzung des Generalrates der neuen OeNB statt.
Mit 1. Jänner 1923 nahm die Oesterreichische Nationalbank ihre geschäftsmäßige Tätigkeit auf. Das Aktienkapital der OeNB wurde mit 30 Millionen Goldkronen festgelegt und stammte zu 97 Prozent von österreichischen Banken. Die Oesterreichische Nationalbank war nicht die Rechtsnachfolgerin der Oesterreichisch-ungarischen Bank, die Aktionär:innen der liquidierten OeUB wurden von der OeNB entschädigt.
Das oberste Entscheidungsorgan der OeNB bildete der Generalrat mit einem Präsidenten an der Spitze, zwei Vizepräsidenten und elf weiteren Mitgliedern. Zum ersten Präsidenten der OeNB wurde der ehemalige Finanzminister Richard Reisch bestellt. Die mit dem Nationalbankgesetz festgesetzten Satzungen legten auch die Funktionen des neuen Gremiums „Direktorium“ (zur Zeit der Monarchie noch „Geschäftsleitung“) fest, welches für die Ausführung des Tagesgeschäfts verantwortlich ist. Das Direktorium setzte sich aus einem Generaldirektor sowie drei bis fünf Direktoren zusammen.
Zu den Kernaufgaben der OeNB gehörte, für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Das große Ziel, die Hyperinflation einzudämmen und die Währung zu stabilisieren, gelang bereits ein Jahr später. Die Währungsreform wurde per 20. Dezember 1924 gesetzlich festgelegt, und mit 1. Jänner 1925 wurde die neue Währung offiziell eingeführt: der Schilling. 10.000 Kronen in Papiergeld entsprachen nun einem Schilling, unterteilt in 100 Groschen. Der Schilling galt als Symbol der Überwindung der Kriegs- und Nachkriegszeit und als Hoffnung auf eine bessere Zukunft.