Wie grün ist die Inflation? Klimaschutz treibt die Preise nur wenig

22.01.2024

Andreas Breitenfellner

Wie sehr Klimapolitik unser Leben verteuert, ist leichter zu übertreiben als nachzuweisen. Laut einer Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) trägt die CO2-Bepreisung nur moderat zur Inflation in Österreich bei. Insgesamt ist die Teuerung wohl eher „grau“ als „grün“.

Die hohe Inflation ist vor allem fossil

Bei der Suche nach den Ursachen für die jüngste Teuerungswelle fällt der Verdacht häufig auf die sogenannte „Greenflation“. Damit ist jener Teil der Inflation gemeint, den öffentliche und private Maßnahmen für eine klimaneutrale Wirtschaft antreiben. In Österreich spielt jedoch die Klimapolitik als Inflationstreiberin nur am Rande eine Rolle. Hauptfaktor für den beispiellosen Inflationsanstieg der letzten Jahre war neben Lieferkettenengpässen ein internationaler Energiepreisschock im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Da ein Großteil des heimischen Energiebedarfs in Form von Öl oder Gas importiert wird, schnellten die heimischen Energiepreise hoch und trieben die allgemeinen Verbraucherpreise.

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Wurde vielleicht weltweit in den Jahren zuvor aus Klimaschutzgründen die Energieerzeugung zu wenig ausgebaut und so das Angebot zusätzlich verknappt? Das ist fragwürdig, denn laut Internationaler Energieagentur wurden die seit 2015 rückläufigen fossilen Investitionen durch erneuerbare überkompensiert.

Klimaschutz hat seinen Preis

Im Sinne des globalen Klimaziels plant die EU, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto-null zu senken; Österreich will sogar schon bis 2040 klimaneutral werden. Die damit verbundene Energiewende macht uns zwar weniger importabhängig, doch sie ist nicht kostenlos. Das gilt für alle drei wesentlichen Typen klimapolitischer Maßnahmen:

  • Bepreisung von Kohlenstoffemissionen über CO2-Steuern oder Emissionshandel;
  • Förderung von Investitionen in klimaschonende Technologien;
  • Umweltvorschriften in Form von Geboten, Verboten oder Normen.

Jede der drei Maßnahmentypen beeinflusst den Verbraucherpreisindex unterschiedlich über komplexe Zusammenhänge. Dabei wirken sie einerseits direkt über höhere Preise für Heizung, Sprit und Strom. Andererseits wirken sie auch indirekt etwa über steigende Produktionskosten sowie über Angebot und Nachfrage von Konsumgütern und Dienstleistungen. Beispielsweise senken CO2-Steuern sowohl das Angebot an Brennstoffen als auch die allgemeine Konsumnachfrage. Ersteres treibt die Preise, Letzteres senkt sie, der Gesamteffekt ist schwer auszumachen. Hingegen erhöhen Investitionsförderungen das Angebot etwa an grüner Energie und dämpfen mittelfristig auch deren Preise. Vermutlich wurde deshalb das wichtigste Klimagesetz der USA „Inflation Reduction Act“ genannt.

Bepreisung, Investitionen und Vorschriften ändern zunächst nur die relativen Preise zwischen fossilen und erneuerbaren Energieträgern. Im Idealfall sollte „grüner“ Konsum billiger werden und „grauer“ entsprechend teurer. Beides schafft Anreize für nachhaltiges Verhalten von Unternehmen und Haushalten. Meist ändern sich aber nicht nur die relativen Preise, sondern auch das gesamte Preisniveau. Preise und Löhne sind nämlich nach unten eher starr und die Energienachfrage reagiert kurzfristig mangels Ausweichmöglichkeit wenig auf Preissignale. Vorerst überwiegen die inflationären Effekte, doch mit der Zeit werden erneuerbare Energieträger dank Massenfertigung und Effizienzgewinnen immer günstiger, was die Inflation sogar dämpft. Genau vorhersagen kann das aber niemand.

Der CO2-Preis erhöht die Inflation nur wenig

Eine OeNB-Studie aus dem Jahr 2022 untersuchte die direkten Auswirkungen der Bepreisung von Treibhausgasemissionen auf die Verbraucherpreisinflation in Österreich. Sowohl die österreichische CO2-Bepreisung als auch der europäische Emissionshandel erhöhen demnach die heimische Inflationsrate höchstens um wenige Zehntel-Prozentpunkte.

Die in Österreich 2022 eingeführte CO2-Bepreisung wird in den Sektoren Verkehr und Gebäude erhoben, die noch nicht vom EU-Emissionshandel erfasst sind. Ähnlich wie in Deutschland stieg der Preis seither von 30 EUR auf nunmehr 45 EUR je Tonne und soll bis 2025 schrittweise auf 55 EUR erhöht werden. Für Brennstoffe bedeutet das einen jährlichen Preisaufschlag um einige Cent. Danach soll ein weiteres europäisches Emissionshandelssystem die Bepreisung auch dieser Sektoren übernehmen.

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Wir schätzen, dass die österreichische CO2-Bepreisung die Gesamtinflation zwischen 2022 und 2025 jährlich um lediglich etwa 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte direkt erhöht(e). Hinzu kommen geringfügige indirekte Effekte, je nachdem wie stark und schnell höhere Produktionskosten auf die Verbraucherpreise überwälzt werden. In weiterer Folge wirken Zweitrundeneffekte durch höhere Gewinne und Lohnabschlüsse. Doch schon bald sollte der Inflationsdruck wieder nachlassen, nicht zuletzt, weil mehr emissionsarme Alternativen angeboten werden.

Das 2005 in der EU vor allem für die Industrie und die Elektrizitätswirtschaft eingeführte Emissionshandelssystem hatte dazu beigetragen, dass die österreichischen Emissionen seit damals bis 2020 um etwa ein Fünftel gesunken waren. Die Preise für Emissionszertifikate stiegen seither stark an und schwanken nun zwischen 70 EUR und 100 EUR je Tonne CO2-Äquivalent. Jedoch hatte das bisher auf die Inflation in Österreich, anders als in anderen EU-Mitgliedstaaten, keinen nennenswerten Einfluss. Grund dafür ist, dass hierzulande mehr als 80 % der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen stammt und die österreichische Industrie viele Gratiszertifikate zugeteilt bekommt, um sie vor Wettbewerbsnachteilen zu schützen.

Auch Rohstoffe sind zeitweilig teurer

In der Diskussion um „Greenflation“ wird oft auf stark schwankende Inputpreise hingewiesen. Mineralien wie Kupfer, Lithium, Nickel, Kobalt und Seltene Erden sind für die Energiewende von kritischer Bedeutung. Wann immer diese Materialien knapp sind, gehen die Preise auf den Rohstoffweltmärkten in die Höhe. Allerdings bewegen sich auch diese Märkte erstaunlich parallel mit den fossilen Energiepreisen.

Beispielsweise ist gegen Jahresende 2023 der Preis für Lithium gefallen, weil zu viel Angebot auf sinkende Nachfrage stieß. Der Absatz dieses für Batterien essenziellen „weißen Goldes“ leidet unter einem akuten Einbruch der Verkaufszahlen von Elektroautos in China und drohenden Handelsschranken seitens Europas. Sobald der globale Wandel hin zur Elektromobilität sich fortsetzt, könnten Engpässe den Lithium-Preis auch wieder in die Höhe treiben.

Allerdings muss sich ein Rohstoffpreisboom nicht unbedingt stark auf die Inflation der Verbraucherpreise auswirken. Denn die Rohstoffe machen nur einen geringen Teil der Produktionskosten aus. Tatsächlich sind die Preise für Batterien in den letzten Jahren auch aufgrund technischer Innovationen weiterhin gesunken. Einen laufenden Preisverfall sieht man auch bei so gut wie allen Formen erneuerbarer Energie, wie Fotovoltaik, Windenergie oder grünem Wasserstoff. Auch in Österreich halbierten sich die Installationskosten von Fotovoltaikanlagen im letzten Jahrzehnt. Gründe dafür sind Massenproduktion, Wettbewerb und technische Entwicklungen. Mit zunehmender Installationsleistung wird dieser Trend den Inflationsdruck vermutlich dämpfen. Ganz ausschließen lassen sich Preisausschläge durch vorübergehende Engpässe bei Produktionsmitteln, Rohstoffen, Vorleistungsgütern und Fachkräften freilich nie.

Ob grün, ob grau: Die Geldpolitik hält die Inflation in Schach

Sowohl Klimawandel als auch Klimaschutzmaßnahmen werden zunehmend schwankende Inflation mit sich bringen. Das erschwert den Auftrag von OeNB und EZB, für Preisstabilität zu sorgen. Die grüne Energiewende zu verzögern, könnte jedoch langfristig noch mehr kosten. Die Geldpolitik unterstützt die Klimapolitik am besten indirekt, indem sie die Inflationserwartungen niedrig und stabil hält. Läuft die Inflation jedoch aus dem Ruder, muss die EZB, wie zuletzt, die geldpolitischen Zinssätze erhöhen.

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.