Probleme bei der Versicherung gegen Naturkatastrophen

25.10.2024

Wolfgang Pointner

Versicherungen leisten bei Schäden durch Naturkatastrophen einen wichtigen Beitrag zur makroökonomischen Stabilisierung. Der menschengemachte Klimawandel führt laut einem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aus dem Jahr 2022 bereits aktuell zu mehr extremen Wetterereignissen – diese Schadensfälle werden in Zukunft aber noch zunehmen. Extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen können nicht nur Produktionsanlagen oder Verkehrsinfrastruktur beschädigen, sie können auch die wirtschaftliche Aktivität in den betroffenen Regionen nachhaltig dämpfen. Der Wiederaufbau nach Naturkatastrophen muss finanziert werden, und die dafür eingesetzten Finanzmittel stehen dann nicht mehr für Investitionen zur Verfügung, die künftig höheres Wachstum generiert hätten. Versicherungen sorgen dafür, dass Firmen und Haushalte schnell und verlässlich die nötigen Mittel für Aufbauarbeiten zur Verfügung haben. So tragen sie dazu bei, dass sich die Wirtschaft nach einer Katastrophe schneller stabilisiert.

Der Versicherungsschutz gegen Naturkatastrophen bzw. sein Fehlen, die sogenannte Deckungslücke, können auch Einfluss auf die Finanzstabilität in einer betroffenen Region haben. Gut versicherte Unternehmen werden eher in der Lage sein, nach einer Naturkatastrophe ihre Kredite weiter zu bedienen, unterversicherte Kreditnehmer:innen können eher in Schwierigkeiten geraten. Da Banken bei der Kreditvergabe das Ausfallsrisiko von Kreditnehmer:innen vorausschauend beurteilen sollten, haben besser versicherte Unternehmen auch besseren Zugang zu Bankkrediten. Da Naturkatastrophen oft ganze Regionen betreffen, kann eine ausgeprägte Deckungslücke zu einem großen Klumpenrisiko für regionale Kreditinstitute werden.

Daten der Europäischen Umweltagentur zeigen, dass in vielen EU-Mitgliedstaaten die vom Klimawandel und Unwettern verursachten Schäden nur zu einem sehr geringen Teil auch versichert sind. Diese Deckungslücke bei Versicherungen gegen Naturkatastrophen ist weniger dadurch zu erklären, dass manche Staaten einem geringeren Risiko von Naturkatastrophen ausgesetzt sind. Eher scheinen die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich gegen diese Risiken zu versichern, vom Einkommen abzuhängen.

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Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA hat ein Dashboard eingerichtet, das anzeigt, wie stark der Versicherungsschutz für verschiedene Arten von klimawandelbezogenen Risiken in den EU-Mitgliedstaaten ist und wie sehr die einzelnen Länder diesen Risiken ausgesetzt sind. Auch dabei zeigt sich, dass die Deckungslücke und das Risikoexposure nicht zusammenhängen.

Eine risikoadäquate Bepreisung von Versicherungsleistungen führt bei zunehmenden Risiken zu steigenden Preisen. Höhere Versicherungsprämien für Gebäude aufgrund eines höheren Überschwemmungsrisikos an bestimmten Standorten könnten Firmen und Haushalte zu einer anderen Standortwahl bewegen. Wer aber bereits an einem risikobehafteten Standort ansässig ist, sieht sich mit höheren Kosten und/oder Vermögensverlusten konfrontiert. Eine veränderte Einschätzung über das Katastrophenrisiko kann auch den Wert von Immobilien reduzieren. Für ärmere Haushalte können höhere Versicherungsprämien dazu führen, dass sie sich keine Versicherung mehr leisten können. Im Katastrophenfall müssen sie dann alle Kosten selbst tragen, wodurch die Gefahr von Privatkonkursen und Kreditausfällen steigt. Auf diese Weise trägt die Deckungslücke zu mehr Ungleichheit bei.

Zusätzlich ergibt sich auch das Problem der adversen Selektion: Haushalte, die ihr Risiko nicht für so hoch halten, dass es den neuen Preis rechtfertigen würde, werden keine Versicherung mehr abschließen, sodass sich die Versicherungen vermehrt mit Versicherungsnehmer:innen konfrontiert sehen, die auch ein höheres Risiko tragen. Das erschwert es den Versicherungen, einen effizienten Risikoausgleich unter ihren Versicherungsnehmer:innen herbeizuführen.

Der Klimawandel macht es für Versicherungen auch schwieriger, risikoadäquate Prämien zu berechnen, da die klimawandelbedingte Zunahme von Naturkatastrophen hohen Unsicherheiten unterliegt. Das IPCC geht mit sehr hohem Vertrauen davon aus, dass die Erderwärmung zu einer deutlichen Zunahme von extremen Wetterereignissen und entsprechenden Schadensfällen führen wird. Wenn Versicherungen die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Ereignisse auf Basis historischer Zeitreihen berechnen, wird der realisierte Schaden ihre Erwartungen übertreffen. Die tatsächliche Verteilung der Risiken durch den Klimawandel ist aber unbekannt, mit jedem Kipppunkt, der überschritten wird, können die erwartbaren Schäden noch weiter zunehmen.

Grafik Risikoverteilung und Klimawandel

Bei allen Versicherungen gibt es das Problem von moral hazard, dass nämlich die Versicherungsnehmer:innen nach Abschluss der Versicherung weniger Vorsicht walten lassen, da ihr Schaden im Versicherungsfall durch die finanziellen Leistungen der Versicherung geringer ist als ohne. Auf Naturkatastrophen umgelegt bedeutet das etwa, dass Versicherungsnehmer:innen Adaptierungsmaßnahmen unterlassen, die den Schaden an ihrem Haus bei einer Überschwemmung verringern können. Bei Naturkatastrophen gibt es auch noch das sogenannte charity hazard, dass nämlich potenziell Gefährdete keine Versicherung oder nur eine ungenügende Versicherung abschließen, weil sie davon ausgehen, dass bei einem solchen Extremereignis die politischen Entscheidungsträger:innen den Betroffenen großzügig finanzielle Hilfe zuteilwerden lassen. Da die finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand aber im Umfang nicht vorhersehbar ist und auch kein Anspruch darauf besteht, kann dieses Verhalten tatsächlich als hasardieren bezeichnet werden.

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.