Welchen Preis hat Klimaneutralität?

20.09.2024

Nada Dzubur, Wolfgang Pointner

Die makroökonomischen Auswirkungen der CO2-Bepreisung im Euroraum

Der dringende Kampf gegen den Klimawandel hat zur Entwicklung zahlreicher Strategien zur Reduzierung von Treibhausgas (THG)-Emissionen geführt. Die EU hat sich in ihrer Fit-for-55-Strategie das Ziel gesetzt, die Emissionen bis 2030 um 55 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Eine wichtige Maßnahme dabei ist die Einführung eines CO2-Preises, durch den die Verursachenden von THG-Emissionen auch deren soziale Kosten tragen sollen. Dass die Verursachenden mit ihren Emissionen ungehindert den Klimawandel beschleunigen, stellt ein erhebliches Marktversagen dar. Da ein CO2-Preis Emissionen teurer macht, haben die Verursachenden auch einen höheren Anreiz sie, zu vermeiden. Der primäre Mechanismus für die CO2-Bepreisung in der EU ist das Emissionshandelssystem (ETS), das wichtige Sektoren wie Energie, Industrie und Verkehr abdeckt.

Hoher CO2-Preis als Korrektiv für Marktversagen
Wir haben mit einem Simulationsmodell untersucht, wie hoch ein EU-weiter CO2-Preis sein müsste, damit die EU ihr Fit-for-55-Ziel erreicht. Dabei interessierte uns besonders, welche Auswirkungen dieser CO2-Preis auf das BIP-Wachstum und die Inflation hat. Es ist klar, dass neben dem CO2-Preis auch andere Maßnahmen zum Einsatz kommen müssen, um das Fit-for-55-Ziel zu erreichen, die aber modelltechnisch schwierig abzubilden sind und somit über einen höheren Preis repräsentiert werden. Denn auch andere Maßnahmen wie die Einführung höherer Energieeffizienzstandards verursachen Kosten und können kurzfristig preistreibend wirken.

Aktuell liegt der CO2-Preis im Euroraum bei durchschnittlich 43 EUR pro Tonne THG-Emissionen. Um die Klimaziele der EU ohne andere Maßnahmen zu erfüllen, müsste er bis 2030 noch auf 668 EUR steigen. Das würde dazu führen, dass im Euroraum das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2030 um 2,2 % niedriger wäre als ohne diesen hohen CO2-Preis, während die Verbraucherpreise um 6,4 % höher wären. Diese Effekte sind nicht unerheblich, verteilen sich aber über sechs Jahre.

Unterschiedliche makroökonomische Auswirkungen im Euroraum
Unser Szenario zeigt, dass die makroökonomischen Auswirkungen einer klimaneutralen CO2-Bepreisung innerhalb des Euroraums in Summe zwar nicht übermäßig ausfallen, aber nicht in allen Ländern gleich sind. Die wirtschaftlichen Auswirkungen unterscheiden sich in den Ländern des Euroraums nach dem nationalen Energiemix und der jeweiligen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

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Energiemix und sektorale Spezialisierung erklären die Unterschiede
Österreich wird im Vergleich zu den anderen Ländern des Euroraums weniger stark von dem hohen CO2-Preis betroffen sein. Der erwartete Rückgang des BIP liegt mit –1,7 % unterhalb des Euroraum-Durchschnitts. Der relativ hohe Anteil an erneuerbarer Energie, insbesondere aus Wasserkraft, spielt hier eine entscheidende Rolle und mildert die negativen Auswirkungen der CO2-Bepreisung auf das Wirtschaftswachstum. Die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise fallen in Österreich ebenfalls geringer aus als im Euroraum-Durchschnitt. Die Handelsbilanz Österreichs dreht sich in unserem Szenario von einem Überschuss ins Defizit. Grund dafür sind steigende Exportpreise.

Die Inflation in Österreich wird nach unserer Schätzung bis 2030 um 5,3 Prozentpunkte stärker steigen als ohne den hohen CO2-Preis. Insgesamt steigen die österreichischen Verbraucherpreise in den sechs Jahren von 2024 bis 2030 in dieser Simulation um 14 %. Das entspricht ziemlich genau der kumulierten Veränderung der Verbraucherpreise in Österreich von 2007 bis 2013, als die Inflation im Gefolge der Finanzkrise eher verhalten war. In den sechs Jahren von 2017 bis 2023 haben sich die Verbraucherpreise mit 23 % deutlich stärker erhöht, da der Energiepreisschock nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Preise erheblich steigen ließ.

Länder wie Finnland, die bereits stark in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert haben und eine relativ geringe Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aufweisen, sind in unseren Simulationen deutlich weniger stark vom Anstieg des CO2-Preises betroffen. Die Slowakei ist stärker in emissionsintensiven Industrien aktiv, daher ist ihr BIP mehr als doppelt so stark wie der Euroraum-Durchschnitt betroffen. Sie könnte mit einem Rückgang des BIP um –4,7 % rechnen bei einem entsprechenden Anstieg des Verbraucherpreisindex um 16,8 Prozentpunkte. Zum Vergleich: In Ländern, in denen Verbraucherpreise eine geringe Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aufweisen, wie z. B. Frankreich, das stark auf Kernenergie setzt, würde der Anstieg des Verbraucherpreisindex mit 4,3 Prozentpunkte nur etwa ein Viertel so hoch ausfallen.

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Politische Überlegungen und Verteilung der Einnahmen
Die erheblichen Einnahmen aus der CO2-Bepreisung könnten eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung des Übergangs zu einer CO2-armen Wirtschaft spielen. Die Simulationen lassen darauf schließen, dass die CO2-Bepreisung zwischen 2025 und 2030 Einnahmen in Höhe von 2.620 Mrd EUR für den Euroraum generieren könnte. Ein erheblicher Teil dieser Einnahmen ist für den Modernisierungs- und Innovationsfonds der EU und den Klima-Sozialfonds vorgesehen, mit denen Klimaschutzmaßnahmen unterstützt und die sozioökonomischen Auswirkungen des Übergangs abgefedert werden sollen. Die Verteilung dieser Einnahmen wirft jedoch wichtige politökonomische Fragen auf. Effektive Strategien für den Rückfluss der Einnahmen, wie z. B. Ausgleichszahlungen an Haushalte und Investitionen in grüne Infrastruktur, sind entscheidend, um die gesellschaftliche Akzeptanz von CO2-Steuern zu gewährleisten. Länder, in denen sich CO2-Steuern stark auf die Verbraucherpreise auswirken, insbesondere Niedriglohnländer, benötigen möglicherweise zusätzliche Unterstützung, um die Auswirkungen dieser Steuern zu bewältigen.

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Fazit: Auch sehr hohe CO2-Preise haben nur moderate Inflationseffekte
Die Einführung hoher CO2-Preise ist ein wirksames Instrument, um die Klimaziele der EU zu erreichen, negative BIP- und Inflationseffekte fallen im Euroraum tendenziell moderat aus. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind jedoch nicht in allen Ländern gleich, mit erheblichen Unterschieden in den Auswirkungen auf das BIP und die Inflation zwischen den Mitgliedstaaten. Länder, die bereits größere Fortschritte bei der Entwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien gemacht haben, sind besser in der Lage, wirtschaftliche Schocks abzufedern, die mit höheren CO2-Preisen einhergehen. Österreich ist sowohl beim erwarteten Rückgang des BIP wie beim Anstieg der Inflation bis 2030 unter dem Durchschnitt des Euroraums.

Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung eines koordinierten Ansatzes zur Verteilung der Steuereinnahmen, bei dem ein Teil der Einnahmen wie vorgesehen zur Unterstützung EU-weiter Klimainitiativen verwendet wird, während gleichzeitig jene Personen, die besonders stark von erforderlichen Maßnahmen wie dem hohen CO2-Preis betroffen sind, Unterstützung erhalten. Der Ausbau der Kapazitäten für erneuerbare Energien braucht Geld, aber auch Zeit. Wenn die EU ihre Klimaziele bis 2030 erreichen will, wird es entscheidend sein, die wirtschaftlichen Auswirkungen mit den Emissionsminderungen in Einklang zu bringen, um einen gerechten und effizienten Übergang zu gewährleisten.