Die (nicht ganz so) feine Art, sich Feinde zu machen: Was bedeutet die Blockade des Suezkanals für Konjunktur und Inflation?

04.04.2024

Ana Abeliansky, Christian Alexander BelabedClara De Luigi

Jemenitische Huthi-Rebellen attackieren Frachtschiffe im Roten Meer, und die Frachtkosten explodieren. Weltweit und im Euroraum könnten Konjunktur und Inflation die Auswirkungen zu spüren bekommen. Einige Reedereien umschiffen das Rote Meer sowie den Suezkanal bereits großräumig – sie weichen auf die Route um das Kap der Guten Hoffnung aus. Die Frachtmenge im Roten Meer ist eingebrochen.1

Für den europäischen Handel, insbesondere für Importe aus Fernost, sind das Rote Meer und der Suezkanal von immenser Bedeutung. Laut Eurostat importierte die Europäische Union im Jahr 2022 Waren im Gesamtwert von mehr als 3 Billionen EUR. Mehr als die Hälfte dieser Waren gelangte auf dem Seeweg zu uns – und etwa 40 % davon über den Suezkanal. Das entspricht in etwa 20 % aller Einfuhren in die EU.2 Weltweit betrachtet entfallen etwa 12 % bis 15 % des Warenhandels auf den Suezkanal.3 Als Handelsroute ist er also auch von globaler Bedeutung.

Simulation steigender Frachtkosten anhand eines globalen Wirtschaftsmodells
Welche Effekte hätten nun länger andauernde Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer auf Konjunktur und Inflation? Um das herauszufinden, verwenden wir das Global Economic Model von Oxford Economics. Wir approximieren den Anstieg der Frachtkosten durch einen Ölpreisschock4 – abgeleitet von dem während der pandemiebedingten Versorgungsengpässe beobachteten Verhältnis zwischen Frachtkosten und Ölpreisen (siehe Grafik 1). Dies ist natürlich eine verhältnismäßig starke Annahme.

Wir bedauern. Ihre Browserversion wird leider nicht unterstützt. Zur Ansicht dieser Funktion benötigen Sie eine neuere Browserversion oder einen anderen Browser.


Nehmen wir also zunächst an: Die während der Pandemie beobachtete Relation zwischen Ölpreisen und Frachtkosten gilt in ähnlicher Weise auch heute. Damit entspricht der seit Dezember 2023 beobachtete Frachtkostenanstieg von etwa 120 % einem Ölpreisanstieg von etwa 10 %. In unserem Modell unterstellen wir einen solchen Anstieg für das erste und das zweite Quartal 2024; danach gehen wir von einem allmählichen Rückgang der Ölpreise aus. Abgesehen von diesen direkten Effekten zöge eine mögliche weitere Eskalation des Konflikts im Nahen Osten (z. B. stärkere oder direktere Involvierung des Iran, die im Gefolge auch die Öllieferungen in der Straße von Hormus beeinflussen könnte) wohl erhöhte Unsicherheit auf den globalen Finanzmärkten nach sich. Daher unterstellen wir in unserem Modell in einem weiteren Szenario zusätzlich zum Anstieg des Ölpreises auch einen Anstieg des Volatilitätsindex (VIX) – einer gängigen Messgröße für die Unsicherheit auf den globalen Finanzmärkten – um 10 %.

Simulationen zeigen Auswirkungen auf globale Inflation
Ein Anstieg des Ölpreises um 10 % – potenziell ausgelöst durch Attacken auf Containerschiffe im Roten Meer – würde das Weltwirtschaftswachstum um bis zu 0,07 % verlangsamen und die globale Inflation um 0,31 Prozentpunkte erhöhen (siehe Grafik 2). Im Euroraum wäre das Wirtschaftswachstum etwas stärker betroffen, die Inflation jedoch weniger stark: Das BIP-Wachstum würde sich um bis zu 0,21 % verlangsamen, und der Inflationsanstieg würde 0,25 Prozentpunkte betragen. Rund zwei bis drei Quartale nach dem Schock wären die Auswirkungen am stärksten. Würde der Ölpreisschock bereits im ersten Quartal 2024 eintreten, wären besagte Maximaleffekte im dritten und vierten Quartal desselben Jahres zu beobachten.5

Im zweiten Szenario – inklusive höherer Volatilität auf den internationalen Finanzmärkten – sinkt das globale BIP um 0,23 % und die globale Inflation erhöht sich um 0,24 Prozentpunkte. Im Euroraum hingegen sinkt das BIP um 0,31 % und die Inflation geht um maximal 0,16 Prozentpunkte zurück. Der negative Effekt auf das BIP-Wachstum ist in diesem Szenario also ausgeprägter und dämpft im Vergleich zum ersten Szenario auch die Auswirkungen auf die Inflation.

Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Studien, in denen unterschiedliche Größenordnungen von Frachtkostenschocks berücksichtigt wurden (z. B. Carrière-Swallow et al., 2022; Herriford et al., 2016; OECD, 2021). Insgesamt zeigen unsere Simulationen deutlich: Setzen sich die Angriffe auf den Schiffsverkehr im Roten Meer fort, hätte das spürbare Auswirkungen auf das Weltwirtschaftswachstum und die globale Inflationsentwicklung.

Wir bedauern. Ihre Browserversion wird leider nicht unterstützt. Zur Ansicht dieser Funktion benötigen Sie eine neuere Browserversion oder einen anderen Browser.

              

Wir bedauern. Ihre Browserversion wird leider nicht unterstützt. Zur Ansicht dieser Funktion benötigen Sie eine neuere Browserversion oder einen anderen Browser.


Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.

[1] Siehe Kiel Trade Indicator Update vom März 2024.
[2] Wir gehen von der Annahme aus, dass die Seerouten für Importe aus den folgenden Ländern über den Suezkanal führen: Bahrein, China, Indien, Irak, Iran, Japan, Jemen, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Südkorea, Taiwan, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam. Damit wird der Suezkanal auch von den wichtigsten Exporteuren aus Fernost und von den Erdöl produzierenden Staaten für den Transport von Waren in die EU genutzt.
[3] UNCTAD (2024a).
[4] Wir wählen diese Vorgangsweise, weil die Hälfte der gesamten Frachtkosten auf Treibstoffkosten entfallen kann (siehe z. B. https://maritime-professionals.com/will-shipping-costs-ever-drop/ und https://wefreight.com/ocean-freight-cost-factors/). Zudem deuten Studien darauf hin, dass Ölpreise und Frachtkosten ähnliche wirtschaftliche Auswirkungen haben (siehe Carrière-Swallow et al., 2022).
[5] Mögliche Reaktionen der Geldpolitik auf die unterstellten Schocks bleiben hier unberücksichtigt.