Deckeln, bremsen, fixieren: Aktuelle Inflationsmaßnahmen der Regierung

11.09.2023

Eine Analyse des Maßnahmenpaketes vom 30.8.2023

Was bringt das Entlastungspaket – und wem?

Am 30. August hat die Regierung ein weiteres Paket zur Abfederung der Inflation für österreichische Haushalte präsentiert. Darin enthalten sind ein „Mietpreisdeckel”, eine „Gebührenbremse” und weitere kleinere Maßnahmen die wir in diesem Blogbeitrag genauer unter die Lupe nehmen.

Zusammenfassend ergeben sich für die errechnete Durchschnittsinflation (wir fokussieren hier auf den HVPI) Effekte von -0,4 Prozentpunkten. Das ergibt sich speziell aus der Art wie die Inflation berechnet wird, wie wir weiter unten erklären. Speziell für Mieter:innenhaushalte trägt der Mietpreisdeckel aber zu einer kurzfristigen Dämpfung des Preisanstieges bei und beeinflusst die „persönliche Inflationsrate” stärker.

In Summe werden die Maßnahmen die Inflation 2024–2026 um 0,4 Prozentpunkte reduzieren (siehe Tabelle 1).

Maßnahme Zeitraum Fiskalische Kosten Inflationseffekt
(gesamt, HVPI)
 
Mietpreisdeckel 2024–2026 (50 MIO Euro) -0,3 Prozentpunkte
Gebührenbremse 2024 150 MIO Euro -0,1 Prozentpunkt
Vignette 2024 46 MIO Euro < -0,1 Prozentpunkt
Klimaticket 2024
 
Summe 2024–2026 ca. 200 MIO Euro -0,4 Prozentpunkte

Ein Mietpreisdeckel, der eigentlich ein Mietpreiserhöhungsdeckel ist

Österreich hat 1,7 Mio Mieter:innenhaushalte, die man grob gesprochen in vier Gruppen einteilen kann: 40 % finden sich in Genossenschaftswohnungen, 30 % in Richtwert- oder Kategoriemietverträgen, und weitere 30 % am “freien” (unregulierten) Wohnungsmarkt oder in sonstigen Mietverträgen (etwa Dienstwohnungen). Für die ersten drei Fälle gilt ab 2024 der Mietpreisdeckel – oder Mietpreiserhöhungsdeckel, wie er korrekterweise heißen müsste: Dabei wird nämlich die (jährliche) Mieterhöhung auf max. 5 % begrenzt. Nicht unter diese Regelung fallen Betriebskosten oder die Darlehensrückzahlungen bei Genossenschaftswohnungen (Annuitäten).

Klingt im ersten Moment recht einfach, ist aber im Grunde eine sehr komplexe Materie: Die verschiedenen Mietverträge unterscheiden sich beispielsweise dadurch, wie und wann sie wertgesichert werden. Kategoriemieten werden etwa angepasst, sobald die Inflation den Schwellwert von 5 % überschreitet – mit dem Ergebnis, dass im vergangenen Jahr viele Mieter:innen mehrere Inflationsanpassungen ihrer Miete stemmen mussten (seit März 2022 in Summe über 20 %). Richtwertmieten werden hingegen nur alle zwei Jahre angepasst (in ungeraden Jahren, daher das nächste Mal 2025), allerdings mit der aufsummierten Inflationsrate der vorangegangenen beiden Jahre. In Zeiten hoher Inflation bedeutet das einen großen Anstieg der Richtwerte: 2023 waren es 8,6 %. Bei Genossenschaftswohnungen wird zwar auch alle zwei Jahre (in geraden Jahren, also das nächstes Mal 2024) an die Inflationsraten angepasst, aber das betrifft nur einen Teil der Miete (u. a. den sogenannten “Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag”, nicht aber reguläre Betriebskosten oder Annuitätenzahlungen).

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Im Rahmen des 3. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes sollen für diese drei Mietvertragsverhältnisse ähnliche Indexierungsregeln geschaffen werden. Zum einen wird auf eine jährliche Wertsicherung am 1. April umgestellt, zum anderen wird diese bis 2026 nach oben hin mit +5 % begrenzt.

Für das Jahr 2024 bringt diese Regelung eine Dämpfung der Inflation von 0,2 Prozentpunkten, da hier die Mieten von Genossenschaftswohnungen um mehr als 15 % gestiegen wären. Im Jahr 2025 sind es nur knapp 0,1 Prozentpunkte, die aus der Deckelung der Richtmietzinsenerhöhung (diese hätte ohne Maßnahmen 12 % betragen) resultieren. Dieser geringe Effekt wird durch das Gewicht der Mieten im durchschnittlichen Warenkorb ausgelöst: Dieses beträgt nur knapp 4,7 % (HVPI) aller Ausgaben eines durchschnittlichen Haushaltes. In Österreich mieten aber nur knapp die Hälfte der Haushalte, der Rest lebt im Eigentum und bezahlt keine Miete (Details im Household Finance and Consumption Survey, HFCS). Das zeigt sich dann auch im niedrigen Gewicht bei den Ausgaben im (wiederum durchschnittlichen) Warenkorb.

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Folglich beeinflussen Veränderungen der Mietkosten (nach oben wie unten) die Gesamtinflation nur zu einem kleinen Teil. Für einzelne Mieter:innen ist dieser Effekt stärker, da Mieten in ihrem persönlichen Warenkorb eine größere Rolle spielen (Persönliche InflationsApp der OeNB). Abschätzen kann man diesen Effekt in dem man einen durchschnittlichen Warenkorb nur für Mieter:innen bildet, etwa auf Basis der Konsumerhebung 2019/20. In diesem Warenkorb haben Mieten (exkl. Betriebskosten) ein dreimal stärkeres Gewicht und führen damit zu einer stärkeren Inflationsreduktion für diese Haushalte – knapp -1 Prozentpunkt für die Periode 2024–2026 statt -0,3 Prozentpunkte im Durchschnitt über alle Haushalte.

Ab 2027 erfolgt eine weitere Umstellung, denn ab dann werden Mieten jährlich mit der Durchschnittsinflation der letzten drei Jahre angepasst. Dies führt einerseits dazu, dass kurzfristige Inflationsanstiege gedämpft werden, andererseits aber auch dazu, dass Phasen höherer Inflation länger in den Mieterhöhungen sichtbar bleiben – dieser letzte Punkt ist nicht irrelevant, denn die OeNB prognostiziert für 2024 immer noch eine HVPI-Inflation von 4,1 %.

Ausgebremst: Gemeindegebühren

Während der Bund in seinem Wirkungsbereich bereits 2022 einen Gebührenstopp umgesetzt hat, drohen im Bereich der Gemeindegebühren starke Erhöhungen in folge des aktuellen Inflationsumfeldes. Dies hat zwei Gründe: Einerseits kann der Bund den Gemeinden einen solchen Gebührenstopp nicht vorschreiben, andererseits sind Gemeinden (speziell die Gemeindeverbände) dazu verpflichtet, kostendeckend zu wirtschaften – sie müssen Preiserhöhungen, etwa durch gestiegene Einkaufspreise oder Löhne, weitergeben.

Das aktuelle Paket setzt daher beim sogenannten Finanzausgleich an, der die Finanzströme zwischen Bund, Ländern und Gemeinden regelt. Im konkreten Fall der Gebührenbremse gewährt der Bund den Gemeinden einen “Zweckzuschuss”, damit diese die Müll-, Abwasser- und Wassergebühren nicht anheben müssen.

Der Bund stellt hierfür eine Summe von 150 Mio EUR bereit, die zu einer leichten Verminderung der Inflation um -0,1 Prozentpunkte beitragen kann. Klingt wenig? Ist es auch, jedoch muss berücksichtigt werden, dass diese drei Gebühren weniger als 0,7 % der durchschnittlichen Haushaltsabgaben ausmachen und somit rein technisch bereits kein großer Inflationseffekt möglich ist. Eine stärkere inflationsdämpfende Wirkung könnte man nur über das Einfrieren aller Gemeindegebühren und anderer administrierter Preise erreichen, die einen deutlich größeren Anteil von 8,4 % im Warenkorb haben.

In der Nebenrolle: Vignette und Klimaticket

Zusätzlich werden zwei Preise im Jahr 2024 nicht inflationsangepasst: jener der Autobahnvignette und der des Klimatickets. Dabei handelt es sich aus Sicht der Regierung wohl um Maßnahmen mit Signalwirkung, die aber effektiv kaum einen Einfluss auf den VPI haben.

Die Autobahnvignette würde im kommenden Jahr mit der durchschnittlichen Inflation 2022 – 8,6 % – angepasst werden. Das “Pickerl” würde sich somit von derzeit 96,40 EUR auf nicht ganz 105 EUR verteuern. Die ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-AG) kostet diese Maßnahme knapp 46 Mio EUR und sie wird diese Kosten vermutlich an den Staat über niedrigere Dividendenauschüttungen weiterreichen.

Was bedeutet diese Maßnahme aber für die Inflation? Wie bereits angedeutet: Fast nichts. Die Vignette ist nur ein sehr kleiner Teil der Ausgaben eines durchschnittlichen Haushaltes (allgemeine Mautgebühr: 0,22 % aller Ausgaben), womit der Inflationseffekt auch deutlich unter 0,01 Prozentpunkten liegt.

Beim Klimaticket verhält es sich noch etwas einfacher: Hier ist der Inflationseffekt 2024 exakt null. Wie kann das sein? Nun, die erste Valorisierung des Klimatickets seit seiner Einführung ist auch ohne zusätzliche Maßnahmen erst 2025 geplant (§1 Abs. 4 Klimaticketgesetz).

Zusammenfassung

Das neue Anti-Teuerungspaket bringt einen “Mietpreisdeckel”, eine “Gebührenbremse” und das Einfrieren der Preise für Autobahnvignette und Klimaticket. Der Effekt auf den HVPI beträgt -0,4 Prozentpunkte, da es sich in Summe um einen kleinen Anteil an den gesamten Ausgaben eines durchschnittlichen Haushaltes handelt. Für die persönliche Inflationsrate bestimmter Gruppen, etwa von Mieter:innen, können sich Maßnahmen wie der Mietpreisdeckel aber deutlich stärker auswirken.