Gouverneur Nowotny im Interview mit der Standard

30.01.2016

Nowotny: "Neue Arbeitsteilung für Europas Notenbanken"

Die Notenbanken prüfen eine neue Aufgabenteilung. Die OeNB will den Zentralbanken ihre Osteuropa-Expertise anbieten, sagt OeNB-Chef Ewald Nowotny

Der Standard: Die Nationalbank, OeNB, feiert heuer ihr 200-Jahr-Jubiläum. Welches war die interessanteste Phase ihrer Geschichte?

Nowotny: Wir haben geschichtsmäßig viel zu bieten, aber ich finde die Einbindung der OeNB ins System der europäischen Zentralbanken (ESZB) am spannendsten. Damit wurden wir zur multinationalen Zentralbank. Die Europäische Zentralbank, EZB, rüstet sich nun für die Zukunft, mit dem Projekt Crescendo. Seit 2015 ist die Bankenaufsicht bei der EZB, ihre Struktur steht also. Jetzt geht es um deren Gestaltung. Und im Projekt Collaboration eruieren wir die neue Aufgabenverteilung innerhalb des ESZB: Welche Aufgaben einzelne Notenbanken übernehmen, welche die EZB. In den USA etwa ist die New Yorker Fed für den gesamten Geldmarkt zuständig, aber jede regionale Notenbank hat einen starken volkswirtschaftlichen Bereich. Wir sind in der Anfangsphase, aber die Diskussion hat begonnen. Wir werden unseren Vorschlag bis Ende 2016 ausarbeiten.

Der Standard: Welche Rolle will die OeNB da spielen?

Nowotny: Wir können unser spezielles Know-how für Ost- und Südosteuropa anbieten. Es gibt schon jetzt derartige Kooperationen. Die finnische Notenbank übernimmt unsere Analysen für Zentral- und Südosteuropa, wir ihre für Russland und China. Wir haben auch IT-Programme entwickelt, die andere Nationalbanken von uns übernehmen.

Der Standard: Was geschieht mit den Notenbankdruckereien?

Nowotny: Da haben wir in Europa Überkapazitäten, auch da gibt es Abstimmungsgespräche. Unsere Druckerei hat ein Technologisches Zentrum, das fürs gesamte ESZB die Sicherheitsprüfung entwickelt.

Der Standard: Auf welchen Bereich wird die OeNB verzichten?

Nowotny: Das alles werden wir bis Ende des Jahres ausarbeiten. Sicher ist, dass jede Notenbank bei der geldpolitischen Analyse autonom bleiben muss.

Der Standard: Wird Crescendo in der EZB zu Einsparungen führen?

Nowotny: Das Projekt hat zwei Seiten: Arbeitsteilung im Gesamtsystem und Effizienzsteigerung in der EZB. Derzeit steigt der Personalstand im Aufsichtsbereich, und natürlich dürfen die Kosten nicht immer weitersteigen.

Der Standard: Die österreichische Aufsicht möchte der Finanzminister offenbar in der OeNB zusammenführen; Sie sollen das wegen der Behördenfunktion der FMA ablehnen. Stimmt das?

Nowotny: Das ist eine politische Entscheidung, und uns hat bisher niemand gefragt. Und die Zusammenarbeit zwischen der FMA und der OeNB funktioniert.

Der Standard: Noch kurz zur Historie. Sie wurden im September 2008 Gouverneur, 15 Tage später fiel Lehman. Ihre spannendste Zeit?

Nowotny: Genau die. Wir haben damals den Zusammenbruch der Geldmärkte erlebt, so etwas war zuvor nicht vorstellbar. Die Notenbanken haben den Geldmarkt dann ersetzt, auch dafür gab es keinen Präzedenzfall. Wir mussten die Fehler der 1930er vermeiden, das haben damals alle Notenbankchefs gewusst. Das gefällt mir übrigens so sehr an der Notenbankpolitik: Das ist der akademischste Bereich der Wirtschaftspolitik, den es gibt. Wir haben ein höheres intellektuelles Niveau als ich es anderswo erlebt habe.

Der Standard: Klingt, als wären Sie gern dabei gewesen.

Nowotny: Ja, ich war auch gern dabei. Da tut sich was, man ist Teil eines geschichtlichen Prozesses.

Der Standard: Nie Angst gehabt, dass alles zusammenkracht?

Nowotny: Ich hatte meinen Kollegen gegenüber den Vorteil, dass ich als Kommerzbanker in der Bawag praktische Erfahrungen mit Krisen hatte. Ich kannte das Problem, dass die Leute ihr Geld abholten und man schauen musste, dass wieder frische Liquidität reinkommt.

Der Standard: Kurz in die jüngere Vergangenheit. Sie waren für die Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria, aus dem U-Ausschuss wissen wir, dass die Republik gegen 300 Millionen auf Gewährleistung der Bayern verzichtet hat. Ein teurer Deal?

Nowotny: Das sind Details, die ich erst jetzt erfahren habe. Aber man muss sagen, dass die Verhandlungssituation schwierig war, man hat das Beste daraus gemacht. Der von der FMA bestellte Regierungskommissar saß schon in Klagenfurt im Kaffeehaus, daher war das alles ein Wettlauf gegen die Zeit.

Der Standard: Aber wer verzichtet auf Gewährleistung?

Nowotny: Kommt selten vor, aber wenn daran die Verhandlungen geplatzt wären, wäre der Konkurs da gewesen. Die Bayern hatten keinen Spielraum, dort war das keine ökonomische, sondern eine politische Entscheidung.

Der Standard: Im Ausschuss sagt man nun, die FMA habe mit der Entsendung des Regierungskommissars den Zeitdruck ohne Not erhöht.

Nowotny: Die FMA hatte gar keine andere Möglichkeit. Es gab damals schon einen Bankrun, man musste reagieren. Und die Verhandlungen waren nur der Endpunkt einer langen Entwicklung.

Der Standard: Im U-Ausschuss ergab sich unlängst aus Dokumenten, dass Sie der Republik Ende 2014 von der Irrtumsanfechtung abgeraten haben. Sie äußerten die Befürchtung, das würde ein schlechtes Licht auf die Bankenaufseher werfen. Die Republik hat die Klage trotzdem eingebracht, weil sie sich beim Kauf der Hypo-Aktien von den Bayern Ende 2009 getäuscht gefühlt hat.

Nowotny: Diese Dokumente kenne ich im Detail nicht. Aber die Irrtumsanfechtung war auch wirklich ein ungewöhnlicher Schritt damals.

Der Standard: Weil man sich als Republik nicht irrt?

Nowotny: Weil man sich im Geschäftsleben gut vorbereitet auf Schritte, die man setzt. Man muss schon sehr gute Gründe haben, um zu behaupten, man sei getäuscht worden.

Der Standard: Irmgard Griss hat gemeint, der Ausschuss bringe nichts.

Nowotny: Der Ausschuss ist ein parlamentarisches Instrument, die OeNB respektiert das Parlament.

Der Standard: Beim Amtsantritt haben Sie sich die Kürzung der OeNB-Sozialleistungen vorgenommen. Sie haben ein neues Dienstrecht etabliert, die Bankwohnungen verkauft, die Bankpensionen wurden per Gesetz gekappt. Zufrieden?

Nowotny: Die OeNB ist jetzt zukunftsfähig, die Rahmenbedingungen sind branchenüblich, und wir haben eine tolle Mannschaft.

Der Standard: Wie sieht der Sozialdemokrat Nowotny die hohen Bankpensionen der altgedienten Notenbanker?

Nowotny: Das stammt aus früheren Zeiten, das Problem schmilzt ab. Es ging bei unseren Reformen darum, den Anspruch von Mitarbeitern auf Rechtssicherheit mit veränderten gesellschaftlichen Entwicklungen in Einklang zu bringen. Zwischen diesen zwei Polen haben wir eine gute Lösung gefunden.

Der Standard: Ihren Plan, den Mittagsmenü-Preis um zwei Euro auf 3,40 Euro zu erhöhen, haben Sie noch nicht durch.

Nowotny: Da reden wir noch.

Der Standard: Die Belegschaftsvertretung wollte Ihren Plänen zustimmen: gegen Einführung der 35-Stunden-Woche. Kommt die?

Nowotny: Die OeNB wird bei der 35-Stunden-Woche sicher keine Vorreiterrolle spielen.

Der Standard: Wie gehen Sie in der OeNB denn mit Kritik um? Berichtet man kritisch, wird man als Feind betrachtet, ein interner Revisor wurde wegen eines kritischen Revisionsberichts versetzt ...

Nowotny: Das hatte einen anderen Grund. Bei uns wird sicher kein Revisor wegen der eines kritischen Revisionsberichts versetzt. Wenn jemand aus anderen Gründen dort nicht reüssiert, dann wird er aber schon versetzt. Bei der OeNB wird darüber halt mehr geschrieben.

Der Standard: Hat Sie Ihr Bestreben, die sogenannten Privilegien zu kürzen, eigentlich an Beliebtheit gekostet?

Nowotny: Ich fürchte schon, aber kein Reformer ist beliebt. Mir geht es um die Zukunft der OeNB. (Renate Graber, 30.1.2016)