Gouverneur Nowotny im Interview mit Regionalzeitungen – 01.06.2016
Das Interview führten Wirtschaftsredakteure der Bundesländer-Zeitungen (Oberösterreichische Nachrichten, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten) sowie die Presse. Lesen Sie hier das in den Salzburger Nachrichten veröffentlichte Interview.
Staatliche Garantien sind gefährlich
Eine Lehre aus dem Hypo-Skandal müsse die Begrenzung öffentlicher Garantiezusagen sein, sagt OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny. Für die Zukunft sollte man an einem Insolvenzrecht für Bundesländer arbeiten.
Die Oesterreichische Nationalbank feiert ihr 200-Jahr-Jubiläum. Blicken wir in die Zukunft. Wie lange wird es die Nationalbank noch geben?
Im Eurosystem haben nationale Notenbanken nach wie vor wichtige Aufgaben, eine ganz wichtige ist die Bankenaufsicht. Zudem haben wir eine Aufgabe als Serviceinstitution im Zahlungsverkehr. Ich bin ganz sicher, dass wir auch das 300. Jubiläumsjahr der OeNB feiern werden. Ich nehme an, dass dann eine Gouverneurin an der Spitze der Bank steht.
Wird Bargeld verwalten dann noch eine Aufgabe sein?
Bargeld verwalten wird auf jeden Fall eine Aufgabe sein. Die Österreicher ändern ihre Präferenzen nicht so rasch. Solange es die Bevölkerung wünscht, wird es Bargeld geben.
Kann es sein, dass die Bevölkerung irgendwann sanft dazu gedrängt wird, auf unbare Zahlungsmittel umzusteigen?
In Zentraleuropa gibt es eine große Präferenz für Bargeld und die ist für uns relevant. Wir sind gerade dabei, eine neue Bargeldserie herauszubringen. Ich denke, das ist ein gutes Argument für alle, die immer Angst haben, dass Bargeld verschwindet.
Sie haben sich im Zuge der Abschaffung des 500ers für den Erhalt des Scheins eingesetzt. Da waren Sie im EZB-Rat in der Minderheit. Glauben Sie, dass die Debatte über die Abschaffung des Bargelds weitergeht?
Bargelds weitergeht?
Nein, ich habe das ja unmittelbar miterlebt. Der 500er hat eine besondere Reputation. Gerade in Frankreich ist er sehr stark mit Terrorismus in Verbindung gebracht worden und in Italien mit der Mafia. Da gibt es spezielle Psychologien, die es bei uns nicht gibt. Ich glaube nicht, dass es darüber hinausgeht.
Unbares Zahlen ist ja nicht automatisch sicherer. Was kann man gegen Hackerangriffe auf Zentralbanken und auf das Swift-Zahlungssystem unternehmen?
Wir haben fast jeden Tag irgendeinen Angriff, der an unseren Mauern (Firewalls, Anm.) abprallt. Die Botschaft, die ich von unserer IT-Abteilung bekomme, ist: Es wird versucht, aber wir sind gerüstet.
Weiß man, woher die Angriffe kommen?
Es gibt keine eindeutige Richtung. Zum Teil sind das sehr amateurhafte Angriffe, die das vielleicht auch als Spielerei machen.
Das lässt Sie ruhig schlafen?
Ja, man muss eben tun, was man kann. Aber man soll es auch nicht überschätzen. Eine falsche geldpolitische Entscheidung ist kostspieliger als ein Hackerangriff (lacht).
Würden Sie die Gefahr Hacker und Unbares größer bewerten als die Gefahr Bargeld und Terrorfinanzierung?
Man kann das schwer vergleichen. Die Rolle des Bargeldes als Helfer für Terrorismus sollte man nicht überschätzen, weil es dort immer wieder Alternativen gibt. Wenn der 500er ausläuft, dann wird sich das Interesse nach 1000-Franken-Noten verstärken. Das Risiko ist weiter weg, als ein unmittelbarer, professioneller Hackerangriff.
Tragen Sie die expansive Geldpolitik von Mario Draghi in allen Punkten mit?
Die Geldpolitik, die gefahren wird, unterstütze ich. Jede Alternative wäre sehr gefährlich. In einer Zeit, wo ich niedrige Inflationsraten habe und schwaches Wachstum, brauche ich auch eine expansive Geldpolitik.
Wird es irgendwann auch Negativzinsen für Privatkunden geben?
Dazu wird es meines Erachtens für Privatkunden nie kommen. Für Großeinleger gibt es das dagegen ja schon, in der Schweiz etwa.
Sieht sich die EZB und die OeNB ausreichend von der Politik unterstützt, um Geldpolitik auch wirksam werden zu lassen?
Wir sehen als Notenbank, dass es bestimmte Bereiche gibt – speziell in der Strukturpolitik – wo wir uns raschere Fortschritte vorstellen könnten. Wir sehen auch, dass wir im Bereich der Bankenpolitik – also der Finanzstabilität – erheblichen Reformbedarf haben.
Was müsste der von Bundeskanzler Christian Kern angekündigte New Deal unbedingt enthalten?
Ich bitte um Verständnis, dass ich als unabhängiger Gouverneur die Pläne des neuen Kanzlers nicht im Detail kommentieren kann. Aber langfristig ist der Bildungsbereich wohl am wichtigsten. Meine Lieblingsreform ist das zweite verpflichtende Kindergartenjahr, das mittelfristig eine positive Wirkung entfalten wird. Kurzfristig sehen wir, dass die Investitionen bei den Sachgütern zwar anziehen. Erstaunlicherweise gibt es im Wohnbau aber keinen wirklichen Durchbruch.
Gehört es zu einem guten New Deal dazu, dass die Bankenabgabe geändert wird?
Es ist unbestreitbar, dass wir in Österreich in der Kreditwirtschaft eine starke Belastung haben. Umgekehrt, muss der Staat auch versuchen, sein Budget in Ordnung zu halten. Die Notenbank hat ein Interesse an einer möglichst starken Kapitalausstattung der Banken. Da ist aus unserer Sicht alles positiv, was diese Kapitalausstattung erleichtert.
Gibt es eine Schätzung, wie viel die Hypo Alpe Adria die Steuerzahler insgesamt kosten wird?
Bis jetzt sind etwa sieben Milliarden Euro in die Bank geflossen. Das ist aber noch nicht alles. Man muss jetzt warten, ob das Angebot der Regierung auch wirklich angenommen wird. Dann ist die Verwertung der Assets durch die Heta natürlich entscheidend. Das kann noch lange dauern und am Ende wird man dann sehen, was es tatsächlich gekostet hat.
Welche Schlüsse soll der Gesetzgeber aus dem Hypo-Skandal ziehen?
Der wichtigste Schluss: Garantien sind gefährlich. Wenn man sie abgibt, glaubt man, dass sie nie schlagend werden. Aber sie werden oft schlagend. Hier braucht es eine klare Darstellung im Rahmen des Bundeshaushaltsrechts und nach Möglichkeit auch eine Begrenzung der Garantievergabe von Ländern und Gemeinden.
Wie müsste eine solche Begrenzung gestaltet sein?
Erstens, aus der Höhe des Budgets ergibt sich auch die Möglichkeit, im Notfall für Garantieleistungen einzustehen. Zweitens ist es unter Umständen problematisch, wenn Banken in öffentlichem Eigentum sind. Die ungebremste Expansion der Hypo Alpe Adria war Ergebnis eines massiven politischen Einflusses. Umgekehrt aber gab es keine wirklich effektive Kontrolle, intern nicht durch den Aufsichtsrat und die Wirtschaftsprüfer. Vor allem hat aber das Land Kärnten, der Eigentümer, völlig in der Kontrolle versagt.
Wäre es ein guter Zeitpunkt, wenn sich Bundesländer aus Banken zurückziehen?
Ich will kein Misstrauenszeugnis gegenüber den Landesbanken ausdrücken. Ich glaube, dort ist allen bewusst, dass gerade bei öffentlichen Banken die unabhängige Kontrolle eine ganz besonders wichtige Rolle hat.
Würden Sie nach der Erfahrung mit Kärnten auch für ein Insolvenzrecht für Länder votieren?
Wenn sich der Staub der Hypo Alpe Adria wieder gelegt hat, dann halte ich es für sinnvoll, ein Insolvenzrecht für Länder zu machen. Es ist schon problematisch, dass auf der einen Seite Länder Schulden aufnehmen können und de facto der Bund immer wieder zur Stabilisierung herangenommen wird.
Sie sagten vor dem Hypo-U-Ausschuss, das Insolvenzrecht müsste genug abschrecken. Wie?
Das Insolvenzrecht als solches ist abschreckend. Das Insolvenzrecht bei Gemeinden bedeutet zum Beispiel, dass der Bürgermeister abgesetzt wird. Wo anstelle des Bürgermeisters ein Regierungskommissar eingestellt wird. Also man kann sich da durchaus abschreckende Varianten vorstellen.
Muss sich ein Land wie Österreich einstellen, dass der Wohlstand der nächsten Generation geringer ist als der ihrer Vorgänger?
Ich glaube nicht, dass er geringer ist. Aber die Zeit der hohen Wachstumsraten ist auf absehbare Zeit vorbei.