Straffere Geldpolitik verschärft Finanzierungsbedingungen, Bankensektor profitierte von steigenden Zinssätzen
(, Wien)Präsentation des 45. Financial Stability Report der OeNB
Die österreichische Wirtschaft erwies sich im Jahr 2022 gegenüber den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine als widerstandsfähig. Obwohl die Inflation und in weiterer Folge die Zinssätze in den letzten Monaten stark anstiegen und zu verschärften Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Haushalte führten, sind Kreditausfälle bei österreichischen Banken nach wie vor gering. Der österreichische Bankensektor profitierte bislang in diesem Umfeld von steigenden Zinsmargen und erwirtschaftete einen Rekordgewinn, die Herausforderungen nehmen jedoch zu.
Verschärfte Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Haushalte
„Unternehmen und Haushalte sehen sich aufgrund der Normalisierung der Geldpolitik mit strafferen Finanzierungsbedingungen konfrontiert“, sagte Vize-Gouverneur Gottfried Haber anlässlich der Präsentation der 45. Ausgabe des Financial Stability Report der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Während die Ungewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung die Nachfrage der Unternehmen nach langfristigen Krediten dämpfte, stieg die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten leicht an. Da die meisten Unternehmensdarlehen variabel verzinst werden, sind die Kosten für den Schuldendienst zuletzt markant gestiegen. Dennoch ist die Schuldenquote der österreichischen Unternehmen im Jahr 2022 aufgrund eines deutlichen Gewinnanstiegs zurückgegangen. Das Ausfallsrisiko von Unternehmenskrediten hat sich jedoch angesichts der gestiegenen Kosten, der angespannten Finanzierungsbedingungen und des eingetrübten wirtschaftlichen Umfelds erhöht.
Das Kreditwachstum an österreichische Haushalte hat sich nach einer sehr dynamischen Phase ab Mitte 2022 verlangsamt, besonders bei Wohnimmobilienkrediten. Um auch weiterhin eine gute Kreditqualität mit niedrigen Kreditausfallsraten zu gewährleisten, war es vor dem Hintergrund hoher Anteile von nicht nachhaltigen Vergabekonditionen in den letzten Jahren Mitte 2022 notwendig geworden, die bisher geltenden Standards für die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten verbindlich zu machen. Seit Einführung der entsprechenden Verordnung haben sich die Vergabestandards deutlich verbessert. Neben dem Wohnimmobilienbereich legt die Aufsicht verstärktes Augenmerk auf die gestiegenen Risiken aus Gewerbeimmobilienkrediten, da auch in diesem Marktsegment höhere Zinssätze sowie strukturelle Veränderungen (u.a. Onlineshopping und Homeoffice) zu Herausforderungen für die Kreditnehmer führen.
Österreichischer Bankensektor profitierte von steigenden Zinssätzen
Der Anstieg der Zinssätze hat sich positiv auf die Zinsmarge und in Folge die Profitabilität des österreichischen Bankensektors ausgewirkt, auch weil die Rückzahlungsfähigkeit der Schuldner bislang sehr gut blieb. Der Gesamtjahresgewinn erreichte 2022 (inklusive Einmaleffekten) mit über 10 Mrd EUR ein Rekordhoch, wobei das Geschäft in Zentral-, Ost- und Südosteuropa mehr als 5 Mrd EUR beitrug. Der Gewinnanstieg der Tochterbanken in der Region beruht auf gestiegenen Profiten in fast allen Ländern, besonders aber auch auf einem hohen Beitrag aus Russland. Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen sowie der nach wie vor starke Inflationsdruck stellen jedoch erhebliche Herausforderungen dar, insbesondere wenn Zinsmargen – zum Beispiel aufgrund steigender Einlagenzinsen – unter Druck kommen oder die Kreditrisiken bei schwacher wirtschaftlicher Entwicklung steigen sollten.
Trotz vielfältiger Herausforderungen hat das diversifizierte Geschäftsmodell österreichischer Banken gepaart mit einer guten harten Kernkapitalquote, die zum Jahresende 2022 mit 16,3% ihren bisherigen Höchstwert erreichte, auch im Umfeld jüngster Finanzmarktturbulenzen stabilisierend gewirkt. Turbulenzen bei Banken in den Vereinigten Staaten und der Schweiz führten am österreichischen Finanzmarkt zu keinen Verwerfungen, und die Liquidität der heimischen Banken blieb uneingeschränkt gewährleistet. „Der österreichische Bankensektor zählt weiterhin zu den stabilsten der Welt, wie von S&P Global Ratings erst Anfang 2023 wieder bestätigt wurde“, erläutert Vize-Gouverneur Gottfried Haber. Dennoch haben v.a. größere österreichische Banken im europäischen Vergleich bei ihrer Kapitalisierung nach wie vor Aufholbedarf.
Empfehlungen der OeNB zur Stärkung der österreichischen Finanzstabilität
Um für die gestiegenen Risiken gewappnet zu sein, empfiehlt die OeNB den Banken daher:
- eine nachhaltige Stärkung der Kapitalbasis, unter anderem durch Zurückhaltung bei der Gewinnausschüttung,
- die Sicherstellung nachhaltiger Vergabestandards bei Wohn- und Gewerbeimmobilienkrediten,
- die adäquate Steuerung von Kredit- und Zinsrisiken nach einer langen Phase niedriger Risiken und Zinssätze,
- weitere Effizienzsteigerungen zur Sicherung einer nachhaltigen Profitabilität und
- die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Strategien zum Umgang mit Herausforderungen aufgrund neuer Informationstechnologien, gestiegener Cyberrisiken und des Klimawandels.
Der halbjährlich in englischer Sprache erscheinende Financial Stability Report der OeNB analysiert finanzstabilitätsrelevante Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld sowie Spezialthemen im Zusammenhang mit der Finanzstabilität.
Video
Aufzeichnung der Pressekonferenz vom 07.06.2023.