1878–1922
1816 – 1818 |
1818 – 1878 |
1878 – 1922 |
1922 – 1938 |
1938 – 1945 |
1945 – 1998 |
seit 1999 |
Die Oesterreichisch-ungarische Bank
Gemeinsamer Nenner
Bei den Ausgleichsverhandlungen zwischen Österreich und Ungarn von 1867 wurde die Notenbankfrage zur Vermeidung weiterer Komplikationen nicht aufgerollt und die Aufrechterhaltung der bestehenden Zustände bis zu einer künftigen gesetzlichen Regelung vereinbart. Bis zu dieser Regelung konnte die Nationalbank ihre Privilegialrechte in Ungarn ungehindert ausüben.
Nach Jahren langwieriger Verhandlungen gelang es im Jahre 1878, die Nationalbank in ein Institut überzuführen, an dem Österreich und Ungarn gleichermaßen beteiligt waren. Die „Oesterreichisch-ungarische Bank“ sollte die Aufgaben einer Notenbank beider Reichshälften erfüllen. Während die Regierungen der ungarischen und der österreichischen Seite vor allem über Haftungsfragen für die Staatsschulden (in der Höhe von 80 Mio fl) uneins waren, ging es der Notenbankleitung darum, jeden zusätzlichen Einfluss der Regierungen auf das Geschäftsgebaren der Bank hintan zu halten. Das letztlich erstellte erste Privilegium der Oesterreichisch-ungarischen Bank spiegelte einen Kompromiss zwischen diesen Interessensgegensätzen wider.
Die Einheit der Bankverwaltung wurde durch die „Generalversammlung“ und den „Generalrat“, der dualistische Charakter des Institutes durch die beiden „Direktionen“ und die beiden „Hauptanstalten“ in Wien und Budapest repräsentiert.
Zu den weitreichenden Währungsreformen, die es für die Oesterreichisch-ungarische Bank zu bewältigen galt, zählte der Übergang von der Silberwährung zum Goldstandard. Diesem Übergang ging eine lange währungspolitische Debatte voran.
Nach einer achtjährigen Übergangsfrist löste mit dem Jahr 1900 die „Gold-Krone“ den „Silber-Gulden“ als gesetzliches Zahlungsmittel ab. Im Publikumsverkehr erwiesen sich die neuen Banknoten als beliebtes Zahlungsmittel. Die Goldmünzen selbst konnten daher in die Tresore der Notenbank wandern.
Insgesamt erwiesen sich die achtziger und neunziger Jahre aus der Sicht der Bankleitung als eine geglückte Synthese aus Wachstum und Preisdämpfung. Das Pro-Kopf-Sozialprodukt wuchs, während das Preisniveau teils sank bzw. teils stabil blieb. Dieser Umstand erleichterte es der Notenbank, die kräftigen Impulse zu unterstützen, die vom Banksektor im Hinblick auf eine neue Industrialisierungswelle ausgingen.
Nach der Jahrhundertwende
Die Statuten des dritten Privilegiums vom 21. September 1899 enthielten u. a. Änderungen, welche die Eigenständigkeit der Oesterreichisch-ungarischen Bank zugunsten der staatlichen Beeinflussung beschnitten. So waren Bedingungen vorgesehen, unter denen die Bank in den finanziellen Dienst des Staates gestellt werden konnte.
Andererseits fanden sich im Privilegium von 1899 wichtige Neuerungen, welche sich auf die Geschäfte der Bank bezogen, und letztendlich die Grundlage für eine erfolgreiche Devisenpolitik der Oesterreichisch-ungarischen Bank bilden sollten. Dies zeigte sich darin, dass bis 1914 der Außenwert der österreichisch-ungarischen Währung mit nur ganz geringen Schwankungen auf der Goldparität geblieben ist.
Die politische Entwicklung jener Zeit stand dazu jedoch im krassen Gegensatz. Die Nationalitätenkonflikte legten die parlamentarische Arbeit immer häufiger lahm. Daran änderten auch die Neuwahlen zum Reichsrat im Jahre 1911 wenig. Im März 1914 wurde das Parlament vertagt. Das Kabinett Stürgkh regierte nun ohne Kontrolle. Der Expansionskurs, der 1908 zur Annexion Bosniens verleitet hatte, wurde fortgesetzt; er mündete in die Ereignisse des August 1914.
Inflationäre Kriegsführung
Der außenpolitisch expansive Kurs der österreichischen Regierung hatte der Notenbankleitung ausreichend Zeit gegeben, sich mit den Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen zu konfrontieren. Dabei war allen Beteiligten klar geworden, dass die Regierung zur Bestreitung von rasch anlaufenden Kriegskosten in erster Linie die Notenbank in Anspruch zu nehmen gedachte. Schon während der Balkankrise 1912 musste sich die Notenbankleitung an der Krisenplanung beteiligen.
Trotz einer tiefsitzenden Skepsis gegenüber dem Optimismus der Militärs, „dass bei dem Stand der Kriegstechnik ein Krieg in Europa in drei Monaten sicher zur definitiven Austragung gelangt“, sah sich die Bankleitung nicht in der Lage, die Stabilität der Währungsordnung zu verteidigen.
Mit welcher Geldentwertung zu rechnen war, wurde schon in den ersten Tagen nach der Kriegserklärung klar. Die Heeresleitung verfügte, dass alle requirierten Güter mit dem doppelten Preis entschädigt wurden. Nach diesem Paukenschlag wurde der Preisauftrieb durch eine spürbare Verknappung der Güter und eine laufende Ausweitung der Geldmenge in Gang gehalten. Während des Krieges weitete sich die Geldmenge auf das 13-fache aus; das Preisniveau stieg auf das 16-fache an.
Die Kriegskosten der Monarchie wurden zu rund 40 % über Notenbankkredite und zu rund 60 % durch Kriegsanleihen finanziert.
Je länger der Krieg dauerte, desto deutlicher zeigten sich die realwirtschaftlichen Belastungen für die Monarchie. Was in vielen Jahrzehnten an Leistungskraft aufgebaut worden war, wurde durch die Konzentration der Ressourcen auf die kriegerischen Auseinandersetzungen gelähmt. Am Ende der Kampfhandlungen war das Realeinkommen der Arbeiter auf rund ein Fünftel des letzten Friedensjahres gesunken.
Der Zerfall der alten Ordnung
Was die Künstler und Wissenschaftler des Fin de Siècle schon erfasst hatten, trat mit dem Ende des Krieges für alle offen zu Tage: Die alte Ordnung war zerfallen; und sich unter den neuen Umständen zurechtzufinden, fiel schwer.
Vor allem durch die Tatsache des Zerfalls der k.u.k. Monarchie ab Ende 1918 in mehrere Nachfolgestaaten sah sich die Notenbank bei dem Versuch, stabile Orientierungspunkte zu finden, mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Trotz der Bemühungen der Bankleitung, Beziehungen mit den Verwaltungen der einzelnen neu gegründeten Staaten zu unterhalten, gelang es dieser nicht, die Währungstrennung zu verhindern.
Um dem politischen Zerfall Rechnung zu tragen, wurde eine eigene „Österreichische Geschäftsführung“ eingerichtet. Da es jedoch an einer verlässlichen Garantie für ein unabhängiges Geschäftsgebaren fehlte, sah sich die Bankleitung genötigt, auch der Republik jene Finanzierungsmittel zur Verfügung zu stellen, deren es bedurfte, um die massiven Abgänge des öffentlichen Haushaltes zu bedecken. Rund 75 % des Defizits des Bundeshaushaltes zwischen 1918 und 1922 wurden schließlich über die Notenbank finanziert.
Die Devisenkurse fingen nach einer Periode der deutlichen Überbewertung der Krone an, auf das Ungleichgewicht der österreichischen Wirtschaft zu reagieren. Im ersten Halbjahr 1919 stieg der Dollarkurs von rund 16 auf fast 30 Kronen. Ende 1921 mussten bereits 5.275 Kronen pro Dollar bezahlt werden. Dem Verfall des Außenwertes entsprach die galoppierende Inflation im Inland. Je stärker der Kronenkurs sank, desto rascher lief die Notenpresse. Erst die Unterzeichnung der „Genfer Protokolle“ am 4. Oktober 1922, die ein umfassendes Sanierungsprogramm mit Unterstützung einer Völkerbundanleihe vorsahen, brachte den Preisauftrieb zum Stillstand. Allerdings hatte Österreich sich zu einer Entlassung von 100.000 Staatsbeamten verpflichtet.
Das baldige Ende der Oesterreichisch-ungarischen Bank selbst war längst vorgezeichnet. Der Friedensvertrag von St. Germain von 1919 bestimmte, neben anderen schmerzlichen Bedingungen für die junge österreichische Republik, die vollständige Liquidation der Oesterreichisch-ungarischen Bank. Die Liquidierungsmaßnahmen wurden durch von der Reparationskommission in Paris ernannte Kommissäre gesetzt, welche die gesamte Liquidation im Interesse aller Nachfolgestaaten zu besorgen hatten.
Die letzte ordentliche Generalversammlung wurde am 14. Juli 1921 abgehalten. Und am 15. Dezember 1922 fand unter dem Vorsitz von Gouverneur Dr. Alexander Spitzmüller die letzte Sitzung des engeren Generalrates der Oesterreichisch-ungarischen Bank statt.