1938–1945

Die Notenbank im Dritten Reich

Der Anschluss

Reichsbankhauptstelle Wien mit Löschteich, 1943
Reichsbankhauptstelle Wien mit Löschteich, 1943

Österreichs Gesellschaft gelang es nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nicht mehr, zu einem gemeinschaftlichen Leben zurückzukehren. In allen Bereichen formierten sich Lager, die notfalls auch mit Betrug, Nötigung und Waffengewalt ihre Interessen durchzusetzen dachten. Der Ständestaat, durch seine autoritäre Staatsführung und durch die Ausschaltung der Sozialdemokratischen Partei innen- wie auch außenpolitisch weitgehend isoliert, konnte nicht jene Kräfte mobilisieren, die zur Abwehr des nach der Annexion Österreichs strebenden nationalsozialistischen Deutschen Reichs notwendig gewesen wären.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im März 1938 war von Verhaftungen, Verschleppungen und Selbstmorden österreichischer Politiker, Künstler und Intellektueller begleitet. Davon waren insbesondere solche jüdischer Herkunft betroffen; Sigmund Freud z. B. emigrierte unter bedrohlichen Umständen.

Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich vollzog sich auch bei der Notenbank. Schon wenige Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Wien ordnete ein deutsches Gesetz die Liquidation der Oesterreichischen Nationalbank an; sie ging nunmehr in den Bestand der Deutschen Reichsbank über. Ebenso wurden ihre sämtlichen Gold- und Devisenreserven nach Berlin transferiert. (Von den 78.267 kg Gold im Wert von damals 470 Millionen Schilling wurden der Nationalbank nach dem Krieg 50.182 kg zurückerstattet. Der verbliebene Rest, Österreichs Anteil am Internationalen Goldpool in der Höhe von 102.108.516,42 Schilling, wurde 1998 dem Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus zugewendet.)

Beamte der Deutschen Reichsbank übernahmen im ganzen Bereich der nunmehrigen Reichsbankhauptstelle Wien, wie auch in den auf österreichischem Territorium befindlichen Reichsbankstellen und -nebenstellen die Führung. Alle den neuen Machthabern missliebigen Beamten, Angestellten und Arbeiter des Instituts wurden innerhalb kürzester Zeit entlassen, pensioniert oder durch Verhaftung entfernt.

Unmittelbar nach der Okkupation erfolgte die währungspolitische Angleichung an das Reich. Mit einer Verordnung vom 17. März 1938 wurde in Österreich die Reichsmarkwährung eingeführt; der Umrechnungskurs für eine Reichsmark betrug 1,5 Schilling.

Unwiederbringliche Verluste

Alliierte Militärbehörde: 5 Schilling – 1944
Alliierte Militärbehörde: 5 Schilling – 1944

Der durch den deutschen Überfall auf Polen 1939 ausgelöste Krieg, der sich in den Folgejahren zum Weltkrieg ausweitete, führte in rasch zunehmender Weise zu höchsten Belastungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft.

Zahlreiche Mitarbeiter der Notenbank mussten in die Wehrmacht einrücken. Jene von ihnen, die 1945 auf ihren zivilen Arbeitsplatz zurückkehrten, sahen sich mit einer nüchternen Eröffnungsbilanz konfrontiert. Der Krieg hatte hunderttausende Menschenleben gekostet; Produktionsanlagen und Wohnraum wiesen Zerstörungen auf; die Leistungskraft der österreichischen Wirtschaft war spürbar geschwächt. Nach Beendigung des Krieges verfügte Österreich bloß über 40 % der Produktionskraft von 1937.

Die Nationalsozialisten hatten den Geldumlauf zum Zwecke der Kriegsfinanzierung gewaltig anschwellen lassen. Nach zeitgenössischen Schätzungen hätte ein preisstabilisierender Umlauf Ende 1946 nicht mehr als rund eine halbe Milliarde Reichsmark betragen dürfen. Tatsächlich erreichte der Geldumlauf aber schon zu Kriegsende einen (geschätzten) Umfang von rund 11 Milliarden Reichsmark. Zusätzlich hatten auch die Alliierten Papiergeld ausgegeben; insgesamt waren rund 10 Milliarden Alliierte Militärschillinge gedruckt worden.

Reichsbankanstalten 1938–1945 am Beispiel der Reichsbankhauptstelle Wien

Die OeNB beauftragte eine Historikergruppe unter der Leitung von Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb und Dr. Theodor Venus, die bisher unerforschte Personengeschichte der Bank in den Jahren unmittelbar vor dem „Anschluss“ 1938 und in der NS-Zeit zu beleuchten. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit liegen in Form einer Studie vor.

„Reichsbankanstalten 1938–1945 am Beispiel der Reichsbankhauptstelle Wien“