17,5 Tonnen Verantwortung im Nacken
Eilbrief des Kassabeamten Stainer von Felsburg auf der Reise des Geldtransports aus Leoben an die Bankdirektion in Wien, 2. Oktober 1820
Der Kassabeamte J. Stainer von Felsburg war in einer schwierigen Lage. Einerseits war es eine große Ehre, dass die Bankdirektion ihn dazu bestimmt hat, den Münztransport von Wien in die Bankfilialkasse nach Mailand zu begleiten. Andererseits war er mit der Verantwortung über die Fracht während der vierwöchigen Kutschenfahrt allein auf sich gestellt: 17,5 Tonnen Silbergeld im Wert von 1.000.050,- Gulden Conventionsmünze (heute ca. 20 Millionen Euro). Und das brachte ihn gehörig ins Schwitzen.
Am 28. September 1820 fuhr der Geldtransport der privilegirten oesterreichischen National-Bank von Wien in Richtung Mailand ab. Ja, die Fässer, die mit Säcken voll Silbermünzen gefüllt waren, waren gut verstaut. Auf jedem Fuhrwerk waren mehrere Tonnen davon gepackt, die Zwischenräume der Fässer mit Stroh und Jutesäcke ausgeschoppt worden, damit die holprigen Straßen keinen Schaden an der wertvollen Fracht anrichteten. Täglich kontrollierte er mehrmals, ob die Fässer vollzählig und die darauf angebrachten Siegeln unversehrt waren – so wie es ihm die Bankdirektion eingeschärft hatte. Für Mautgebühren, Trink- und Schmiergeld (Entgelt für Wagenschmiere an den Achsen), sowie für Nächtigungen hatte er genügend Geld von der National-Bank erhalten.
Die 13 Mann starke Militärbegleitung sollte für freies Geleit sorgen und er, als auch der mitentsandte Kanzleidiener, hatten beide Reisepässe für die Lombardei ausgestellt bekommen. Aber wie sicher würden die Straßen sein? Sie waren ja auf der 940 km langen Strecke nur im Schritttempo unterwegs. Was, wenn der Wagenkonvoi und die über 20 Pferde nicht schnell genug weiterkamen oder sie einmal kein geeignetes Nachtquartier bekamen? Nicht jede Poststation war für so einen großen Tross eingerichtet. Besonders aus den neu zum Reich dazugekommenen italienischen Provinzen hörte man oft nichts Gutes. Hoffentlich erlebten sie keinen Überfall! Er konnte kein Auge zumachen.
Während des Aufenthalts in der Poststation in Leoben am 2. Oktober 1820 schrieb er sich den Kummer von der Seele und berichtete der Bankdirektion in Wien über seine Sorgen bezüglich der erwarteten Schwierigkeiten jenseits von Udine: „Anders soll es sich jedoch in der Lombardie selbst verhalten, wo die Unterkunft einer so zahlreichen Bespannung … unter den gegenwärthigen Verhältnissen, im Allgemeinen als schwierig, an mancher Station aber, beynahe als unmöglich geschildert wird.“
Unter diesen Umständen wären sie gezwungen, durchzufahren. Doch das wäre sehr riskant, denn aus Sicherheitsgründen durften sie nur bei Tageslicht unterwegs sein – so lautete die Anweisung der Bankdirektion. Er erbat sich eine Entscheidung, ob „… die hohe Direction eine Veränderung der gegebenen Directrize ausdrücklich belieben sollte. Ihre diesfalligen Befehle dürften uns noch in Udine erreichen, …woselbst wir wahrscheinlich erst am 14ten laufenden Monats anlangen werden.“
Die Bankdirektion ließ ihm in der Entscheidung freie Hand. Bei einer derart langen Reise könnten noch weitere unvorhergesehenen Umstände eintreten, die zwar einer sofortigen Entscheidung bedürften, man aber von Wien aus nicht rechtzeitig mitteilen könnte. Der Kassabeamte solle „seiner eigenen Klugheit folgen, und das zweckmässigste fürzukehren.“
So ging die Reise weiter. Jedes Mal war er erleichtert, wenn sie wieder eine Etappe ohne Radschaden und ohne weitere Vorkommnisse überstanden hatten. Am 24. Oktober 1820 erreichte der Geldtransport unter der Führung des tapferen Bankbeamten Stainer von Felsburg schließlich Mailand. Die Münzen wurden in der Bankfilialkasse sofort gezählt und überprüft – es fehlte ein Taler, bei einem weiteren war das Gewicht zu gering und wurde nicht angenommen. Dennoch – die Mission war erfüllt, die Bankfilialkasse Mailand konnte ihren Münzbestand wieder aufstocken. Und ein weit gereister Kassabeamter hat wahrscheinlich erlöst aufgeatmet…