Die „Eisbrecher“ – manuelle und maschinelle Geldzählkräfte in der OeNB
Die Notenbank bringt unser Geld in Umlauf – und früher oder später kommt es auch wieder zu seiner Ausgabestelle zurück. Dann werden jeder Geldschein und jede Münze, die Handel und Banken abliefern, gezählt, auf Echtheit und Beschädigungen überprüft, sortiert und entweder der Vernichtung zugeführt oder wieder in Umlauf gebracht. Seit 1999 wird diese Aufgabe durch Hochleistungsmaschinen der OeNB-Tochtergesellschaft „Geldservice Austria“ (GSA) erfüllt. Davor waren das Zählen und die Qualitätskontrolle von Bargeld lange Zeit eine rein manuelle Tätigkeit, die von den ausgebildeten Geldzählerinnen erfüllt wurde. Zeitweise mussten aber auch alle anderen OeNB-Mitarbeitenden diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen.
Fingerfertigkeit, Genauigkeit und hohe Konzentrationsfähigkeit zeichneten die eigens ausgebildeten Geldzählerinnen in der Banknoten- und Münzenkasse (BMK) der OeNB aus. Die Frauen zählten täglich bis zu 20.000 Stück gebrauchter Banknoten, erkannten darunter Falschgeld und sortierten beschädigte oder verschmutzte Geldscheine aus. Eine sehr routinierte Zählerin erreichte am Ende ihrer Karriere auch schon 40.000 Banknoten pro Tag. 1969 waren es 41 Millionen Stück unbrauchbarer Geldscheine, die händisch herausgesucht wurden.
Kam es phasenweise zu einem besonders hohen Rückfluss aus dem Banknotenumlauf, dann sollten zum anderen alle Mitarbeitenden bereit sein, als Geldzählerin bzw. als Geldzähler in der BMK auszuhelfen. Denn das „Eis“ sollte sich nicht erst zur „Eismisere“ stapeln! (Der bis heute in der OeNB verwendete Begriff „Eis“ steht für aus dem Umlauf zurückgeströmte Banknoten, die noch nicht bearbeitet wurden – also einstweilen „auf Eis gelegt“ sind). Zählkundige Mitarbeitende mussten dann für jeweils zirka einen Monat als „Eisbrecher“ einspringen. Dazu hatten Generationen von neu eingetretenen Angestellten als Teil ihrer Ausbildung einen Geldzählkurs zu absolvieren, ganz gleich, für welchen Fachbereich sie aufgenommen worden waren. Notenbankpersonal sollte auch im praktischen Sinn im Umgang mit Geld versiert sein und dessen Wert schätzen lernen.
Diese personalintensive Tätigkeit in der gesamten OeNB suchte man durch maschinelle Lösungen zu verringern. Zwar kamen in kleinem Umfang bereits um 1960 die damals neu entwickelten Banknotenzählmaschinen der Firma „De La Rue“ zur Anwendung, diese konnten jedoch ausschließlich zählen. Das Aussortieren von beschädigten und nicht den Sicherheitsmerkmalen entsprechenden Noten schaffte die Technik zu diesem Zeitpunkt noch nicht. So blieben das aufwändige Aussortieren und damit oft auch verbunden das Zählen vorläufig noch eine ressourcenverzehrende händische Tätigkeit.
Während man also beim Papiergeld noch nach einer maschinellen Lösung suchte, hatte man die bei den Münzen bereits in den 1920er Jahren gefunden. OeNB-Mitarbeiter hatten damals die ersten „Schüttelmaschinen“ gebaut: Auf tischgroßen Platten waren je nach Münznominale auswechselbare Einsätze montiert, durch die die darauf verteilten Münzen in darunter liegende Fächer rollten und stapelweise automatisch gezählt wurden. In den 1960er Jahren kamen Verpackungsmaschinen dazu, die eine Leistung von zehn Rollen pro Minute erzielten.
Dem allgemeinen Trend zu EDV und Automatisierung folgend startete die OeNB 1969 das Projekt, die aus dem Umlauf zurückströmenden Banknoten maschinell auf ihre Qualität prüfen zu lassen. Diese Aufgabe gestaltete sich sehr schwierig. Es musste erst ein System entwickelt werden, mit dem die speziellen Merkmale österreichischer Banknoten auf Echtheit und Beschädigungen hin elektronisch abgetastet werden konnten. Banktechniker, Forschungszentren und Experten einschlägiger Fachfirmen arbeiteten jahrelang an der Entwicklung einer maßgeschneiderten Lösung.
1973 wurde dann die erste Toshiba-Sortiermaschine in Betrieb genommen – die OeNB war damit Vorreiterin unter den europäischen Notenbanken. Im Versuchsbetrieb erfüllte der Automat größtenteils die an ihn gestellten Erwartungen. Manche menschliche Fingerfertigkeit und Wahrnehmung konnte er aber noch nicht erreichen: Weder konnte er „Eselsohren“ glätten noch den Verschmutzungsgrad von Banknoten genauso einschätzen wie das menschliche Auge.
Nachdem diese Anfangsschwierigkeiten überwunden werden konnten, wurden 1976 drei weitere Zählautomaten in Betrieb genommen. Der Vergleich Mensch gegen Maschine ergab: Für die Tagesleistung der vier Geräte samt 18 Betreuungspersonen wären bei händischer Zählung 57 Mitarbeitende notwendig gewesen. Auch in einem anderen Bereich punkteten die Maschinen: Einmal eingestellt, entschieden sie immer gleich, der Mensch aber unterliegt – bei aller Routine – natürlichen Leistungsschwankungen.
Die Automatisierung hatte somit ein traditionsreiches Handwerk ersetzt. Aus mancher Geldzählerin wurde ein „Operator“ an den Sortiergeräten, andere ließen sich für neue Aufgaben im Haus umschulen. Alles lief gut, bis im Jahr 1979 der verheerende Brand im Bankgebäude zu einem Totalausfall der vier Maschinen führte. Das händische Zählen erfuhr eine überraschende, wenn auch nur vorübergehende Wiederbelebung.