OeNB Report 2024/9: Finanzbildung: Was brauchen bzw. wünschen sich GW-Lehrer:innen für den Unterricht?
Ergebnisbericht der qualitativen Erhebungen zur OeNB-Lehrkräftebefragung 1
Katharina Felbermayr 2
Die OeNB-Lehrkräftebefragung beschäftigt sich mit den Bedürfnissen und Erwartungen von (angehenden) Lehrkräften des Unterrichtsfaches Geografie und wirtschaftliche Bildung in Hinblick auf unterstützende Angebote zum Thema Finanzbildung. Das Forschungsinteresse umfasst neben den Angeboten auch das Verständnis von Finanzbildung sowie die Selbstwirksamkeit der Lehrkräfte beim Unterrichten von wirtschaftlichen Inhalten.
Die Beantwortung der Forschungsfragen erfolgte mittels eines Mixed-Methods-Designs, demgemäß sowohl qualitative als auch quantitative Methoden zum Einsatz kommen. Im Zuge der qualitativen Erhebungen wurden in Summe drei Fokusgruppen in Wien und Tirol mit (angehenden) GW-Lehrkräften durchgeführt. Die Erhebungen erfolgten im Herbst 2022 sowie Frühjahr 2023, was bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen ist (bspw. die Einführung des neuen Lehrplans für Geografie und wirtschaftliche Bildung im Schuljahr 2023/24).
Zusammenfassend wünschen sich die Lehrkräfte ein „gutes“ Schulbuch für den GW-Unterricht, Materialien mit kurzen Unterrichtssequenzen, Workshops für Schüler:innen mit externen Expert:innen zu speziellen Finanzthemen sowie praxisnahe Fortbildungen. Die Lehrkräfte erachten es als notwendig, wirtschaftliche Inhalte zielgruppenorientiert und individuell an die Schüler:innen angepasst zu vermitteln. Je nach Komplexität des Lehrinhalts kann dies jedoch eine besondere Herausforderung sein und wird von den Lehrkräften als eine „Gratwanderung“ gesehen.
1 Kontextualisierung
1.1. Forschungsinteresse
Ein zentrales Element des Leitbilds der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ist, das Verständnis von Wirtschaft und Finanzen in der österreichischen Bevölkerung aktiv zu fördern. Damit angesprochen ist das Thema Finanzbildung, das aufgrund seiner zunehmend hohen Bedeutung zu einem strategischen Ziel der OeNB geworden ist (siehe OeNB-Strategie 2020–2025, Punkt 4 Finanzbildung; OeNB 2023). Die OeNB soll sich nicht nur um die finanzielle Bildung und finanzielle Gesundheit der österreichischen Bevölkerung kümmern, sondern zudem eine Vorreiterrolle in der Messung von Finanzbildung bzw. der Wirksamkeit von Finanzbildungsmaßnahmen einnehmen. Mit dieser Studie möchte die OeNB einen Beitrag zu beiden Bereichen leisten. Durch die umfangreichen Bildungsangebote der OeNB, wie bspw. Vorträge oder Seminare für Lehrer:innen, wird im Sinne des Leitbildes das Verständnis von Wirtschafts- und Finanzthemen bereits wesentlich unterstützt. Als strategisches Ziel möchte die OeNB das Finanzbildungsangebot der OeNB in Zukunft noch stärker auf Lehrkräfte ausrichten und dabei die Bedürfnisse von Lehrkräften berücksichtigen, die das Fach Geografie und Wirtschaftskunde (GW) unterrichten oder Finanzbildung als Teil des übergreifenden Themas Wirtschafts-, Finanz- und Verbraucher:innenbildung in ihrem Unterricht aufgreifen wollen. 3
Dafür ist es notwendig, deren Bedürfnisse wissenschaftlich zu erheben, um darauf aufbauend das Angebot der OeNB zur Finanzbildung optimieren und auf die bestehende Nachfrage im Bereich Finanzbildung mit entsprechend qualitativ hochwertigen Finanzbildungsangeboten antworten zu können. Zudem lässt sich die Beschäftigung mit dem Thema Finanzbildung wissenschaftlich begründen. Internationale Studien betonen die hohe Relevanz von Finanzbildung und damit einhergehende Konzepte wie Finanzkompetenz (financial capability) und finanzielles Wohlergehen (financial well-being) (siehe u. a. Brenner et al., 2020; Goyal und Kumar, 2020). Die OeNB versteht Finanzbildung in Übereinstimmung mit der OECD/INFE 4 als „combination of awareness, knowledge, skill, attitude and behaviour necessary to make sound financial decisions and ultimately achieve individual financial wellbeing“ (OECD 2018, S. 4). Personen sollen in die Lage versetzt werden, finanzielle Entscheidungen zu treffen, die zu individuellem finanziellem Wohlergehen führen (vgl. Estl und Wagner, 2022). Dabei gilt es u. a. die sozio-ökonomischen Lebensumstände der Individuen sowie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu reflektieren, in deren Kontext die jeweiligen finanziellen Entscheidungen eingebettet sind. Lehrer:innen des Schulfachs Geografie und Wirtschaftskunde kommt eine zentrale Rolle zu, da sie Schüler:innen, die früher oder später eigenständig (komplexere) finanzielle sowie wirtschaftliche Entscheidungen treffen sollen, ein solides Finanzwissen vermitteln sollen (vgl. ebd.; Fessler et al., 2020). Daher stehen (angehende) Lehrkräfte und deren Bedürfnisse im Bereich Finanzbildung im Zentrum dieser Studie.
Ausgehend vom skizzierten Forschungsinteresse ergibt sich diese übergeordnete Forschungsfrage:
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Unterstützende Angebote: Mit welchen unterstützenden Angeboten kann die OeNB (angehende) GW-Lehrkräfte im Studium bzw. in ihrer Berufsausübung bestmöglich unterstützen?
Mit zwei zusätzlichen Subfragen sollen die Bedürfnisse nach Finanzbildungsangeboten der Zielgruppe besser verstanden werden, um diese adäquat in den OeNB-Angeboten abbilden zu können.
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Verständnis Finanzbildung: Welches Verständnis von Finanzbildung haben (angehende) Lehrkräfte?
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Selbstwirksamkeit: Wie sicher fühlen sich (angehende) Lehrkräfte bei der Vermittlung von Finanzbildung?
Nähere Beschreibung verwendeter Begrifflichkeiten:
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(angehende) Lehrkräfte: Als Zielgruppe interessiert sich die OeNB für GW-Studierende und GW-Lehrer:innen, die in der Sekundarstufe (SEK) I unterrichten (5.–8. Schulstufe), da der neue Lehrplan für Geografie und wirtschaftliche Bildung (GWB) zunächst in der Unterstufe eingeführt wird. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die verschiedenen Zielgruppen (Studierende, Lehrkräfte) divergierende Bedürfnisse in Hinblick auf unterstützende Angebote haben. Studierende haben auf der einen Seite womöglich weniger Bedarf an Fort- und Weiterbildungen als Lehrkräfte mit langjähriger Berufserfahrung. Lehrkräfte haben auf der anderen Seite möglicherweise einen breiteren Überblick über bestehende Unterstützungsmaßnahmen und können besser einschätzen, welche Angebote fehlen. Diese Hypothesen können durch die Befragung beider Zielgruppen analysiert werden.
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unterstützende Angebote: Unter diesen Begriff werden alle Hilfsmittel und Leistungen zusammengefasst, die GW-Lehrkräfte dabei unterstützen, Finanzbildung als Teilbereich des Faches GW in hoher Qualität zu vermitteln (d. h. u. a. zielgruppenadäquat, methodenvielfältig, lebensnah).
Darunter fallen insbesondere Angebote für Lehrkräfte zur Aus-/Fortbildung wie auch didaktische Materialien (z. B. Unterrichtsmaterialien, unterstützende Anwendungen wie Apps) oder technische Infrastruktur, die das Unterrichten vereinfachen (z. B. Plattform mit gesammelten Unterrichtsmaterialien). Ziel der Studie ist aber auch, mehr über jene Unterstützungsangebote zu erfahren, die bislang noch nicht Teil des OeNB-Finanzbildungsangebots sind.
1.2 Evaluationsdesign
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird ein Mixed-Methods-Ansatz verfolgt. In einem ersten Erhebungsschritt werden Fokusgruppen mit (angehenden) Lehrkräften in Wien und Tirol erstellt. Diversität hinsichtlich Gender, Alter, Berufserfahrung und Schulform (allgemeinbildende höhere Schule – AHS, Mittelschule) spielt bei der Zusammensetzung des Samples für die Fokusgruppen eine wichtige Rolle. In den Fokusgruppen sollen die Teilnehmer:innen die Möglichkeit bzw. den Raum erhalten, ihre Sichtweisen zum Forschungsthema (vertiefend) mitzuteilen. Aus den Ergebnissen werden erste bzw. weitere Hypothesen für den anschließenden quantitativen Fragebogen gewonnen. In einem zweiten Schritt findet eine quantitative Befragung von Lehrkräften der Sekundarstufe I in Wien und Tirol statt.
Die Abfolge der Erhebung entspricht dem sog. Phasenmodell (vgl. Kelle und Erzberger, 2012, S. 300): Die qualitativen Methoden dienen vorrangig der Hypothesengenerierung, und die quantitativen Methoden der Hypothesentestung. Qualitative Methoden bieten einen vertiefenden Einblick in das Forschungsinteresse und offenbaren dabei oftmals neue, bislang unbekannte Sichtweisen. Grundlage für qualitative Studien ist meist ein kleines Sample, weshalb Generalisierungen nicht zulässig sind. Hier zeigt sich der Mehrwert eines Mixed-Methods-Designs, wenn qualitativ gewonnene Hypothesen in einer anschließenden quantitativen Untersuchung mit einem großen Sample überprüft werden können (vgl. ebd.). Durch den Mixed-Methods-Ansatz soll sichergestellt werden, dass die Stimmen der Lehrkräfte durch die Anwendung von qualitativen Methoden gehört werden und nicht ausschließlich bereits bestehendes Wissen reproduziert wird. Anschließend sollen mittels quantitativer Methoden die qualitativ generierten Hypothesen in der Breite überprüft werden. So wird untersucht, ob bestimmte Bedürfnisse nur bei einer kleinen Gruppe an Lehrkräften bestehen oder ob eine breite Nachfrage nach bestimmten unterstützenden Angeboten gegeben ist. Keinesfalls ist mit der Verwendung der Methoden in den einzelnen Phasen eine Wertigkeit verbunden. Die beiden Methoden ergänzen einander und führen so zu einem möglichst umfassenden Bild vom Untersuchungsgegenstand (unterstützende Angebote).
Höchste Priorität in der Durchführung der Studie haben für uns die zentralen forschungsethischen Prinzipien. Gemäß dem Prinzip der Freiwilligkeit nehmen die (angehenden) Lehrkräfte aus freien Stücken an der Forschung teil und können jederzeit – ohne dass sie negative Konsequenzen befürchten müssen – ihre Bereitschaft zurückziehen, aus der Studie aussteigen oder pausieren (Griffin und Balandin, 2004; Kremsner, 2017). Die Prinzipien von Anonymität und Vertraulichkeit verlangen, dass alle Forscher:innen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Gemäß der Personen- und Datenanonymisierung müssen jegliche Informationen, die Rückschlüsse auf Personen zulassen können, entsprechend geändert oder entfernt werden. Demgemäß wurden in dem vorliegenden OeNB Report die Namen der Teilnehmer:innen, der genannten Institutionen, o. Ä. in den Zitaten geändert. D. h., die Namen, die bei den Zitaten angeführt werden, sind nicht die echten Namen der Personen, sondern teilweise selbstgewählte Pseudonyme. Personenbezogene Daten dürfen zudem ohne ausdrückliches Einverständnis der betreffenden Personen nicht weitergegeben werden. Als Forscher:in gilt es im Sinne der Risikoabwägung und Schadensvermeidung (langfristige) Folgen abzuschätzen und auf jeden Fall Schaden für die Teilnehmer:innen und deren Umfeld zu vermeiden (vgl. Hopf, 2012). Kernelement von Forschung und Forschungsethik ist der „informed consent“ , also die informierte und schriftliche Zustimmung der Teilnehmer:innen. Die Teilnehmer:innen sind vor der Untersuchung umfangreich zu informieren, damit sie eine informierte Entscheidung treffen können (vgl. ebd.; Lewis und Porter, 2004). Die Zustimmung zur Teilnahme an der Studie wird vor jeder Erhebung von den Personen schriftlich eingeholt und ist unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Forschung.
1.3. Qualitativer Erhebungs- und Auswertungsprozess
Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die einzelnen Schritte im Erhebungs- und Auswertungsprozess. Im Folgenden werden die einzelnen Schritte überblicksmäßig vorgestellt, mit Fokus auf Erhebung und Auswertung.
Die qualitativen Daten wurden mittels Fokusgruppe ab Herbst 2022 erhoben. Die Durchführung orientierte sich methodisch an Bohnsack und Schäffer (2001) sowie Lamnek (2005).
Eine Fokusgruppe ist nach Schulz (2012, S. 9) „ein moderiertes Diskursverfahren, bei dem eine Kleingruppe durch einen Informationsinput zur Diskussion über ein bestimmtes Thema angeregt wird.“ In diesem Sinne wurden zentrale Themen, abgeleitet von den Forschungsfragen, bei der Entwicklung des Leitfadens berücksichtigt. Durch Fokusgruppen können sowohl die individuellen Einzelmeinungen als auch die Gruppenmeinung zu einem Thema bzw. Sachverhalt erhoben werden. Fokusgruppen nützen bei der Erhebung von Daten die Dynamik von Kollektiven (Gruppen), was sich vor allem für die Erhebung von Einstellungen, Meinungen oder Erfahrungen als vorteilhaft erweist (vgl. Flick, 2006). Eine Fokusgruppe muss sich nicht auf eine gemeinsame Gruppenmeinung einigen. Vielmehr ist es das Ziel, durch eine Diskussion unterschiedliche Meinungen zu einem Thema zu erheben. Eine Besonderheit der Fokusgruppen ist die doppelte Kommunikation, da die Kommunikation zwischen den Teilnehmer:innen sowie zwischen Teilnehmer:innen und Moderator:in stattfindet.
In Summe wurden drei Fokusgruppen (1x Tirol, 2x Wien) mit einer unterschiedlichen Anzahl an Personen durchgeführt, die die Basis für die folgende Ergebnisdarstellung bilden. Hinsichtlich der bevorzugten Personenanzahl pro Fokusgruppe gibt es in der Fachliteratur divergierende Angaben, die von 4 bis 6 Personen, 6 bis 8 oder 12 Personen reichen. Die Durchführung zahlreicher Fokusgruppen hat gezeigt, dass sich eine Anzahl von ca. 4 Personen positiv auf die Diskussionsbereitschaft der Teilnehmer:innen auswirkt. 3 Personen haben bei der ersten Fokusgruppe in Tirol und 5 Personen bei der zweiten Fokusgruppe in Wien teilgenommen. Aufgrund einer krankheitsbedingten Absage am Tag der Erhebung konnten bei der dritten Fokusgruppe in Wien nur 2 Personen teilnehmen, was einer Mini-Fokusgruppe entspricht und methodisch ebenso möglich ist. Alle teilnehmenden Lehrkräfte unterrichten in der Sekundarstufe I einer Mittelschule oder einer allgemeinbildenden höheren Schule (AHS). Zwei der angehenden Lehrkräfte studieren Lehramt im Master und stehen kurz vor Abschluss ihres Studiums. Die dritte angehende Lehrkraft hat ihr Studium bereits abgeschlossen, ist aber noch nicht als Lehrkraft tätig. Allen Teilnehmer:innen der Fokusgruppen gemein ist die Schwerpunktsetzung auf das Unterrichtsfach GW, das mit Einführung des neuen Lehrplans in GWB umbenannt wird. Diversität zeigt sich bei den Teilnehmer:innen hinsichtlich Gender, Alter, Berufserfahrung und Schultyp. Eine nähere Charakterisierung des qualitativen Samples kann Abbildung 3 entnommen werden.
Die Audioaufnahmen wurden transkribiert und inhaltsanalytisch nach Mayring (2015) ausgewertet. Dabei handelt es sich um ein deduktives Auswertungsverfahren, bei dem vorab definierte Kategorien an das Material „herangetragen“ werden – im Gegensatz zu einem induktiven Vorgehen, bei dem Kategorien aus dem Material in einem offenen Kodierprozess gebildet werden (bspw. Grounded Theory).
Die Kategorien für die Auswertung der Fokusgruppen wurden von den Forschungsfragen und ersten Eindrücken aus den Interviews abgeleitet. Die Kategorien gelten als vorläufig und können bzw. sollen im Auswertungsprozess überarbeitet werden, sollten sich diese als nicht brauchbar herauskristallisieren. Die vorab definierten Kategorien geben eine Struktur vor, um die Interviews zu analysieren. Für die Auswertung der Fokusgruppen konnten folgende 9 Kategorien identifiziert werden:
1. Neuer Lehrplan
2. Verständnis von Finanzbildung
3. Vermittlung von Finanzbildung
4. Unterstützende Angebote
5. Selbstwirksamkeit
6. Berufserfahrung
7. Schule
8. Ausbildung
9. Materialien
Die neun Kategorien sind ein wichtiger Ausgangspunkt für die nähere Analyse der Transkripte (Kodierung). Im Zuge der Kodierung werden zentrale Aussagen in den Transkripten mit einem Code versehen. Ein Code fasst somit den Inhalt einer Sinneinheit – das kann ein Wort, Satz oder ganzer Absatz sein – zusammen, wie z. B. der Code „Basiswissen einfordern“. Die Formulierung der Codes variiert je nach Auswertungsmethode und methodologischem Zugang. Die Codes werden im Zuge des Auswertungsprozesses einer oder mehreren Kategorien zugeordnet. Der vorhin genannte Code wurde etwa der Kategorie „Vermittlung“ zugeordnet. Gedanken zur Analyse – etwa zu thematischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen den Fokusgruppen – können in Memos festgehalten werden. Somit ergibt sich für jede Fokusgruppe eine unterschiedliche Anzahl an Codes und Memos.
Durch die Kodierung entstand pro Fokusgruppe eine Liste an Codes, die den verschiedenen Kategorien zugeordnet wurden. Codes und Memos wurden im Zuge der Auswertung weiter abstrahiert und thematisch zusammengefasst, um Antworten auf die Forschungsfragen geben zu können.
2 Ergebnisdarstellung
Die Ergebnisse der Analyse werden mit Blick auf die Forschungsfragen und den thematischen Schwerpunktsetzungen präsentiert (unterstützende Angebote, Verständnis Finanzbildung, Selbstwirksamkeit). Durch die Auswertung wurde zudem deutlich, dass für die Lehrkräfte das Reden über die Ausgangssituation eine wichtige Rolle einnimmt. Um die Wünsche und Erwartungen an unterstützenden Angeboten sowie die wahrgenommene Selbstwirksamkeit verstehen zu können, ist es zudem notwendig, die Ausgangssituation der Lehrkräfte zu skizzieren.
Daher wird zu Beginn auf die Vermittlung von Wirtschaftsinhalten näher eingegangen (Inhalte, Rahmenbedingungen, Ziele und Motive, Herausforderungen). Die Pfeile in der folgenden Gesamtübersicht veranschaulichen die Beziehungen zwischen den Kategorien. So wirken unterstützende Angebote etwa auf die wahrgenommene Selbstwirksamkeit von angehenden Lehrkräften, wenn ein gutes Schulbuch als entlastender Faktor beschrieben wird. Der Zusammenhang zwischen dem Verständnis von Finanzbildung und der Vermittlung von Wirtschaftsinhalten wird nicht direkt thematisiert, eine gegenseitige Bedingtheit kann jedoch angenommen werden.
2.1 Vermittlung von Wirtschaftsinhalten im Unterricht
Die erste Kategorie gibt einen näheren Einblick in die konkrete Umsetzung von Wirtschaftsinhalten im Unterricht. Neben den Inhalten (Was?) diskutieren die Lehrkräfte über die vorhandenen Rahmenbedingungen und Didaktik (Wie?), die Ziele und Motive (Warum?) sowie die Herausforderungen.
2.1.1 Was? – Inhalte
Lehrkräfte wollen „Wirtschaftserziehung an der Basis“ durchführen. Dies gelingt aus Sicht der Pädagog:innen am besten, wenn alltägliche Situationen als Ausgang genommen werden, um mit den Schüler:innen über Wirtschaft und Finanzen zu sprechen; z. B. mit Schüler:innen besprechen, warum das Mitbringen von eigenen Getränken vorteilhafter ist als der Kauf teurer Getränke am Schulautomaten. Welche Themen (Inhalte) für die Schüler:innen im Wirtschaftsunterricht relevant sind, hängt von den später antizipierten Lebenswegen der Schüler:innen ab. Dadurch ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Auswahl der Themen und der Schulform (Höhere Schule, Mittelschule).
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Lehrkräfte an Höheren Schulen nehmen an, dass ihre Schüler:innen in eine weiterführende Schule gehen werden. Ausbildungsrelevante Themen spielen weniger eine Rolle, stattdessen nimmt die kritische Reflexion bzw. die Vermittlung von kritischem Denken einen hohen Stellenwert ein (z. B. kritische Reflexion der vorhandenen Wissenschaftsverständnisse).
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Die Lehrkräfte der Mittelschulen berichten, dass ihre Schüler:innen vorwiegend in eine Polytechnische Schule wechseln und anschließend eine Lehre beginnen. Daran angelehnt werden von den Lehrkräften im Unterricht vorwiegend nachschulische und lebenspraktische Themen besprochen, wie z. B. Arbeitsvertrag, Gehalts-/Lohnzettel. Das hohe Interesse der Schüler:innen am Thema Selbstständigkeit ist zudem ein Spezifikum der Mittelschulen. Lehrkräfte begründen dies damit, dass viele Eltern selbstständig tätig sind (z. B. Inhaber:in eines Auto- oder Lebensmittelfachgeschäfts). Das Thema Selbstständigkeit wird von den Lehrkräften der Mittelschulen daher aktiv in den Unterricht eingebracht und besprochen.
In den Fokusgruppen sind sich Lehrkräfte über die Themen einig, die für Schüler:innen interessant, leicht bzw. schwer zu vermitteln sind. Die Auflistung gibt einen Überblick über die Themenbereiche inklusive Beispiele, die in den Fokusgruppen wiederholt von allen (angehenden) Lehrkräften genannt wurden:
Kasten 1
Themen, die im Wirtschaftsunterricht für Schüler:innen …
interessant sind : Geldanlagemöglichkeiten, wie Aktien und Kryptowerte, Geldpolitik, Europäische Zentralbank (EZB), OeNB, Spekulationen an der Börse, Kredite; spezifisch für Mittelschule: Selbstständigkeit
schwer zu vermitteln sind : Bruttoinlandsprodukt (BIP), Konvergenzkriterien, Euro, EZB, OeNB, Stabilität von Währungen, Kapital, Kapitalverkehr
leicht zu vermitteln sind : Geld, Einnahmen und Ausgaben, Inflation, Haushaltsführung, Geldwertstabilität, Miete und Wohnen (lebensnahe Themen)
bislang in den Materialien fehlen : kritische Auseinandersetzung mit Finfluencern, Versicherungen, Aktien, Lohn/Gehalt (brutto, netto) gekoppelt an Berufe (öffentlich zugängliche Gehaltsschemata), Steuern
Reden über Geld
Für angehende Lehrkräfte ist das Reden über Geld im Unterricht „superschwierig“ . Für Lehrkräfte an Mittelschulen „ein sehr heikles Thema“ , was mit den familiären Hintergründen der Familien begründet wird ( „viele einkommensschwache Familien“ ). Trotz aller Herausforderungen sprechen sich alle befragten Lehrkräfte dafür aus, das Thema Geld aktiv im Unterricht anzusprechen. Vorteil aus Sicht der Lehrkräfte: Reden über Geld fördert die finanzielle Reflexion der Schüler:innen. Die Höhe des eigenen Taschengelds wird in Relation zu den Geldbeträgen reflektiert, die von den anderen Schüler:innen genannt werden. Dabei wird etwa besprochen, was beim Taschengeld alles inkludiert ist (z. B. Taschengeld für Jause oder auch Kleidung). Dadurch können die Schüler:innen besser einschätzen, ob der eigene Geldbetrag viel oder wenig ist. Aus Sicht der Lehrkräfte gilt es beim Reden über Geld aber Folgendes zu beachten:
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Freiwilligkeit: Schüler:innen dürfen nicht zum Reden über Geld gezwungen werden.
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„Feingefühl“ : Thema empathisch ansprechen; keinesfalls dürfen Schüler:innen bloßgestellt werden.
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Private (Negativ-)Geschichten der Lehrkräfte erleichtern das Reden für die Schüler:innen.
2.1.2 Wie? – Rahmenbedingungen
Neuer Lehrplan für Geografie und wirtschaftliche Bildung
Die Lehrkräfte stehen dem neuen Lehrplan ablehnend gegenüber. Das Erscheinen eines neuen Lehrplans ist „absurd“ , denn „es ist erst vor vier, fünf Jahren ein neuer gekommen, jetzt schon wieder einer“ .
Die Wahrnehmung der Lehrkräfte ist insofern spannend, als die letzte große Änderung der Lehrpläne mit der Einführung des Lehrplans für Geografie und Wirtschaftskunde im Jahr 2000 erfolgte und somit deutlich länger zurückliegt (vgl. Fridrich 2018, S. 88). Die Sinnhaftigkeit des neuen Lehrplans wird von allen Lehrkräften in Frage gestellt. Generell wird dem neuen Lehrplan wenig Bedeutung beigemessen. Es wird angezweifelt, inwiefern sich „tatsächlich was ändert“ . Lehrkräfte haben ihr Wissen zum neuen Lehrplan aus den Medien (Radio, Zeitung) und vom Hören-Sagen, wenn andere Kolleg:innen über den Lehrplan erzählen. Lehrkräfte der 3. Fokusgruppe (Jänner 2023) leiten ihr Wissen zum neuen Lehrplan von den neuen Schulbüchern ab, die den Lehrkräften in den Schulen zur Auswahl für das nächste Schuljahr vorgelegt werden und sich auf den neuen Lehrplan beziehen. Die Analyse zeigt, dass je nach Zielgruppe (Lehrkräfte, angehende Lehrkräfte) unterschiedliche Aspekte in Zusammenhang mit dem neuen Lehrplan thematisiert werden. Inwiefern sich die Wahrnehmung bzw. das Wissen über den neuen Lehrplan Geografie und wirtschaftliche Bildung (Einführung im Schuljahr 2023/24) bei Lehrkräften geändert hat, wäre in einer weiterführenden Studie spannend zu erheben.
Lehrkräfte (Höhere Schule, Mittelschule):
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Lehrkräfte bezweifeln, dass sich durch neue Lehrpläne etwas ändert. Begründet wird dies mit der fehlenden Kontrolle. Alle Lehrkräfte berichten davon, dass gegenwärtig nicht überprüft wird, ob sich Lehrkräfte an den Lehrplan für Geografie und Wirtschaftskunde halten. Daher ist er wirkungslos und hat nur wenig Auswirkung auf das praktische Tun der Lehrkräfte. Im Gegensatz dazu gibt es in den Hauptfächern (Deutsch, Englisch, Mathematik) eine Kontrolle, was mit der Zentralmatura begründet wird. Lehrkräfte sprechen sich aber nicht für mehr Kontrolle aus. Generell wird der Wunsch artikuliert, dass ein neuer Lehrplan die Freiheiten im Unterrichten nicht einschränken soll, bspw. die Auswahl von Themen betreffend.
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Beim Lesen des neuen Lehrplans wird den Lehrkräften der Eindruck bzw. die Erwartung vermittelt, dass eine Lehrkraft ein „Wunderwuzzi“ sein soll. Die Ansprüche in den Lehrplänen werden als zu hoch, „ völlige Utopie “ und nicht realisierbar bezeichnet. Lehrkräfte haben beim Lesen des neuen Lehrplans den Eindruck, dass sie gesamtgesellschaftliche Probleme bzw. Herausforderungen lösen sollen. Diese hohen Ansprüche können Schulen und Lehrer:innen nicht erfüllen. Kritisiert wird die fehlende Berücksichtigung des Unterrichtsalltags. Für Lehrkräfte wird die schulische Realität nicht ausreichend abgebildet, weshalb sie sich den Einbezug von aktiven Lehrkräften beim Verfassen von neuen Lehrplänen wünschen.
Angehende Lehrkräfte:
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In den Fokusgruppen hören die angehenden Lehrkräfte von den Lehrkräften mit langjähriger Berufserfahrung, dass Lehrpläne für das Unterrichten bzw. die Schulrealität weniger Bedeutung haben. Dadurch werden die angehenden Lehrkräfte (weiter) verunsichert, ob sie sich an den Lehrplänen orientieren sollen.
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Unsicher fühlen sich angehende Lehrkräfte auch bei einer zielgruppenadäquaten Umsetzung der Lehrplaninhalte: „und wenn ich mir dann überlege: Was mache ich jetzt mit 10-Jährigen? Dann weiß ich [das] nicht . “ Die Inhalte des Lehrplans werden als zu abstrakt bewertet. Eine Übertragung der abstrakten Inhalte auf die Schulrealität fällt schwer. Die Ängste im Zusammenhang mit dem neuen Lehrplan werden in folgendem Zitat deutlich:
Emma: Aber ich habe diesbezüglich ganz ehrlich ein bisschen ein mulmiges Gefühl, weil was man zumindest in den Medien mitkriegt – und da muss ich sagen, da habe ich mich wirklich nicht selber informiert – aber was das angeht, wirkt es einmal so, als könnte man sich als Lehrer ein bisschen fürchten, was man da für Vorschläge [in den Lehrplänen] kriegt. (FG1_2022, Pos. 25)
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Aufgrund des langen Entstehungsprozesses wird die Aktualität des neuen Lehrplans angezweifelt.
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Zudem wird darauf hingewiesen, dass das Einlesen in einen neuen Lehrplan Zeit benötigt. Die Zeit wollen die angehenden Lehrkräfte aber zu Beginn der Berufskarriere für die Unterrichtsplanung verwenden.
Fachfremdes Unterrichten an Mittelschulen
Dass Lehrkräfte in Fächern unterrichten, in denen sie nicht geprüft sind (sog. fachfremdes Unterrichten), wird als Spezifikum der Mittelschulen gesehen. Die befragten Lehrkräfte der Mittelschulen und Höheren Schulen üben Kritik an der gängigen Praxis, sehen darin aber keine neue Problematik.
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Lehrkräfte der Mittelschulen berichten von einer geringen Bereitschaft, beim fachfremden Unterrichten die Materialien an das jeweilige Fach individuell anzupassen. Begründet wird das mit der fehlenden Zeit und mit der Unsicherheit, wie lange sie das Fach unterrichten werden.
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Spezifisch für Lehrkräfte der Mittelschulen ist der Wunsch nach einem Materialien-Pool, also einer Sammlung an Materialien, bspw. zum Fach Geografie und Wirtschaftskunde.
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Herausfordernd bleibt für Lehrkräfte die Auswahl bzw. kritische Bewertung von GW-Materialien, wenn sie in dem Unterrichtsfach nicht fachgeprüft sind.
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Durch das fachfremde Unterrichten in den Mittelschulen haben Lehrkräfte die Möglichkeit, dass sie finanzielle Themen in mehreren Fächern ansprechen können (z. B. Geld, Sparen). Neben GW können sie etwa in Physik und Mathematik der Frage nachgehen, wie viel der Standy-by-Modus bei Geräten kostet. Dies erleichtert aus Sicht der Mittelschullehrkräfte das Vermitteln von lebensnahen und alltagspraktischen Tipps.
Fächerübergreifendes Unterrichten
Das gemeinsame Bearbeiten von einem wirtschaftlichen Thema durch mehrere Lehrkräfte in verschiedenen Fächern (sog. fächerübergreifendes Unterrichten) wird kritisch gesehen. Befürchtet wird, dass Wirtschaftsthemen dadurch zu kurz kommen, etwa wenn es nur noch um Rechnen geht. Die Analyse zeigt, dass das fächerübergreifende Unterrichten in den Schulen verschieden realisiert wird:
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Gemeinsam: Zwei Lehrkräfte unterschiedlicher Fächer (GW, Mathematik) unterrichten ein Thema gemeinsam.
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Verschränkt: Die GW-Lehrkraft unterrichtet das Thema in Mathematik und vice versa.
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Unterrichtszeiten auflösen: Über einen längeren Zeitraum werden Themen gemeinsam behandelt.
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Unterrichtsstunde aufteilen: Hälfte GW, Hälfte Mathematik
Kasten 2
Fächerübergreifendes Unterrichten
Notwendige Voraussetzungen : Bereitschaft zur Kommunikation und Kooperation, positive Beziehung unter den Lehrkräften (Sich-bereits-Kennen als Vorteil), eine Lehrkraft als „Motor“ (treibende Kraft); „wenn die [Lehrkraft] nicht vorhanden [ist], passiert herzlich wenig“, zeitliche Ressourcen für Abstimmung und gemeinsame Planung, sich im anderen Fach kompetent fühlen, von Sinnhaftigkeit der Fächerkombination überzeugt sein
Herausforderungen : Abstimmung der Lehrpläne für die jeweiligen Fächer (Lehrpläne der Fächer „sind nicht aufeinander abgestimmt“), zeitliche Ressourcen für gemeinsame Abstimmung und Vorbereitung, Adaptation bzw. Entwicklung passender Unterrichtsmaterialien, fehlendes fachdidaktisches Wissen, Habitus der Lehrkräfte: Lehrkräfte werden im Setting der Höheren Schulen als „Einzelkämpfer“ beschrieben, die das Arbeiten allein gewohnt sind.
Beliebte Fächerkombinationen : GW-Mathematik, GW-Geschichte, GW-Deutsch
Kritische Auswahl von Materialien
Unabhängig von der Art des Unterrichtens sind aus Sicht der Lehrkräfte die Materialien kritisch auszuwählen. Dies gilt insbesondere bei unterstützenden Angeboten, die von verschiedenen Institutionen angeboten werden (z. B. FLiP – ERSTE Financial Life Park). Im Kontext von Mittelschulen und dem gängigen fachfremden Unterrichten wird hinterfragt, wie nicht fachgeprüfte Lehrkräfte eine kritische Auswahl der Materialien auf demselben Niveau wie ihre fachgeprüften Kolleg:innen vornehmen können. Es fehlt den Lehrkräften die intensive Auseinandersetzung mit Themen im Studium. Aus der Realität des fachfremden Unterrichtens an Mittelschulen wird die Notwendigkeit eines Materialien-Pools abgeleitet. Dies würde zur Entlastung der Lehrkräfte beitragen. In Zusammenhang mit den obigen Ausführungen müsste dieser Materialien-Pool aber eine Art Gütesiegel haben, damit sich die Lehrkräfte darauf verlassen können, dass die Inhalte neutral sind bzw. dass hier der Versuch unternommen wird, verschiedene Positionen darzulegen. Sonst bleibt das Problem bzw. die Herausforderung für die Lehrkräfte bestehen: Wie können sie eine kritische Auswahl vornehmen? Angebote bzw. Materialien der OeNB können bei der Auswahl und kritischen Bewertung eine wertvolle Unterstützung sein, da die Organisation über ein hohes Maß an Expertise im Wirtschafts-/Finanzbereich verfügt.
Angebote bzw. Tools, die Lehrkräfte im Wirtschaftsunterricht anwenden:
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digitale Medien für aktuelle Themen (z. B. Kahoot, PIA (Inflations-App der OeNB); allgemein: Learning- und Aktien-Apps)
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Kurzvideos (z. B. „Inflationsmonster“ der EZB; Simpleclub = Lernapp für Schule und Ausbildung)
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selbstgestaltete interaktive Materialien mit QR-Codes
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analoge Spiele (z. B. Activity) – nicht zu oft
2.1.3 Warum? – Ziele und Motive des Unterrichtens
Mit Blick auf die Ziele von Finanz-/Wirtschaftsbildung differenzieren die Lehrkräfte zwischen der Vermittlung von (i) Wissen (z. B. wirtschaftliche Fachbegriffe, Inhalte) und (ii) Verhaltensweisen bzw. „lebensnahe Tipps“ (z. B. Vertrag vorm Unterschreiben durchlesen, Nachteile von geringfügiger Beschäftigung kennen und reflektieren). Es ist keine klare Präferenz für eine der beiden Aspekte erkennbar. Vielmehr hat es den Anschein, dass die Lehrkräfte den Schüler:innen sowohl Wissen als auch Verhalten vermitteln wollen. Generell sind die Lehrkräfte der Meinung, dass sich Finanzthemen gut lebensnah vermitteln lassen, da die Themen (z. B. Sparen, Haushaltsführung, Sparbuch, Bausparer) selbst einen Bezug zur direkten Lebenswelt der Schüler:innen aufweisen.
Kasten 3
Ziele und Motive des Unterrichtens
Wissen : Schüler:innen (a) kennen zentrale wirtschaftliche (Fach-)Begriffe und Inhalte (z. B. Inflation, Deflation, BIP), (b) verstehen Zusammenhänge, Auswirkungen und Folgen von Begriffen (Kontextualisierung von Begriffen), (c) kennen verschiedene (wirtschaftliche) Positionen, (d) können wirtschaftspolitische Entscheidungen einordnen und kritisch reflektieren
Verhalten : Schüler:innen (a) reflektieren ihr eigenes wirtschaftliches Handeln (wirtschaftliche Reflexion fördern), (b) können in der nachschulischen Arbeits-/Lebensrealität selbstständig agieren
2.2. Herausforderungen beim Unterrichten
Ein wichtiger Teilaspekt der Vermittlung sind die Herausforderungen beim Unterrichten von Wirtschaftsinhalten. Die Analyse zeigt, dass zwei Themen für die Lehrkräfte von zentraler Bedeutung sind: (i) „Gratwanderung“ bei der Komplexität (abstrakt vs. banal) sowie (ii) die Dimension Sprache. Die Herausforderungen haben kein Alleinstellungsmerkmal für das Unterrichten von Geografie und Wirtschaftskunde. Vielmehr handelt es sich um allgemeine Herausforderungen, die den Referenzrahmen bilden, um über die Herausforderungen beim Vermitteln von Wirtschaftsinhalten zu sprechen.
Gratwanderung bei der Komplexität
Lehrkräfte sehen es als eine zentrale Herausforderung an, die Unterrichtsinhalte zielgruppenadäquat zu vermitteln. Das heißt, Wirtschaftsinhalte weder zu abstrakt noch zu banal zu vermitteln. Für die teilnehmenden Lehrkräfte ist das eine „schmale Gratwanderung“ , denn Inhalte können aufgrund der Heterogenität in den Klassen für Schüler:innen über- oder unterfordernd sein. Alle Lehrkräfte berichten von einer „Bandbreite“ mit Blick auf die verschiedenen Bedürfnisse und Bedarfe der Schüler:innnen in einer Klasse.
Siegfried: […] [es gibt] einfach eine riesige Bandbreite in den Schulklassen […] und […] manche [Schüler:innen] wollen mehr und können […] auf einer abstrakten Ebene über wirtschaftliche Zusammenhänge mit mir sprechen, und da geht es dann schon um Begrifflichkeiten, und für mich ist immer schwieriger, dass – wenn ich mich auf das einlasse – dass ich den Rest der Klasse abhänge . […] Daher bin ich eigentlich auch immer hin- und hergerissen zwischen allen. Manchmal denke ich mir: So, und jetzt mache ich es aber [so], [...] jetzt wird da was weitergebracht. Und dann denke ich mir wieder: Nein, du musst dich an den Grunddingen orientieren und nicht so abstrakt werden. [Ich] bin permanent hin- und hergerissen. (FG2_2022, Pos. 15)
In der Unterrichtsrealität bedeutet das, dass einige Schüler:innen auf einem abstrakten Level über wirtschaftliche Zusammenhänge sprechen können und andere nicht. Lehrkräfte verhandeln, wie sie mit der Vielfalt in den Klassen umgehen sollen und vor allem, wie sie ihrem Anspruch gerecht werden können, alle Schüler:innen durch den Unterricht zu fördern. Lehrkräfte scheinen das Gefühl zu haben, dass sie sich für einen der beiden Wege (Wirtschaftsinhalte einfach oder abstrakt vermitteln) entscheiden müssen und damit unweigerlich, aufgrund der Vielfalt in den Klassen, einen Teil vernachlässigen. Deutlich wird der Zusammenhang zur Kategorie Selbstwirksamkeit, wenn sich Lehrkräfte als „permanent hin- und hergerissen“ beschreiben. Das Spannungsfeld (abstrakt vs. banal) ist eine zentrale Herausforderung beim Unterrichten. Denn auch auf einem einfacheren Niveau dürfen die Inhalte nicht kindisch oder falsch vermittelt werden.
Jonas: Also das ist eine schmale Gratwanderung, wie gesagt, dass man [...] irgendwie versucht, das so einfach wie möglich darzustellen, aber dass man ihnen die Komplexität trotzdem irgendwie vermittelt. (FG3_2023, Pos. 17)
Jonas: Bei aller Liebe zur einfachen Sprache – für die Schüler:innen ist, glaube ich, trotzdem eine gewisse Komplexität schon sehr wichtig, weil [...] es einfach wichtig ist, dass sie da aufs Leben vorbereitet werden. […]
Tristan: Wir haben ja vorhin immer wieder erwähnt: Schüleradäquate Sprache heißt ja nicht jetzt ganz einfache Sprache, sondern eher nur ein bisserl angepasst, je nach Altersstufe, kein wissenschaftlicher Text [...]. (FG3_2023, Pos. 163–164)
Wie Lehrkräfte mit der Gratwanderung bei der Komplexität im Unterricht umgehen, ist nicht Thema der Fokusgruppen. Deutlich wird in den Fokusgruppen jedoch, dass die Gratwanderung für die Lehrkräfte eine zentrale Herausforderung ist. Die Aufbereitung von Wirtschaftsinhalten sowohl in einer einfacheren Basisversion als auch in einer vertiefenden Version könnte für Lehrkräfte im Umgang mit der Gratwanderung eine wertvolle Stütze sein und ein individualisiertes Unterrichten in heterogenen Klassen erleichtern. Eine bundesweite Curricula-Analyse des Lehramts bzw. der Leherer:innenbildung in Österreich (vgl. Hansen et al., 2023) zeigt ferner, dass die Vermittlung von inklusiven Kompetenzen als Teil der professionellen Kompetenzen ein fixer Bestandteil der Curricula in der Lehrer:innenausbildung ist. D. h., angehende Lehrkräfte werden für das Unterrichten in heterogenen Klassen sensibilisiert. Die bereits jetzt thematisierte Herausforderung bei der Vermittlung von Wirtschaftsinhalten könnte aufgrund der zunehmenden Heterogenitätsdimensionen und der Sensibilisierung der Lehrkräfte in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen.
Dimension Sprache
Das Verstehen der Schüler:innen mit Blick auf die Dimension Sprache wird als zweite große Herausforderung von den Lehrkräften genannt. Im Gegensatz zu Lehrkräften der Höheren Schulen berichten die Lehrkräfte der Mittelschulen intensiver und tiefergehender über die sprachlichen Herausforderungen. Neben den sprachlichen Herausforderungen wird vor allem auf die Vermittlung von Begriffen näher eingegangen.
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Beim Sprachverständnis berichten die Lehrkräfte von den Leseproblemen der Schüler:innen, vor allem was das sinnerfassende Lesen betrifft. Die Auseinandersetzung mit der sprachlichen Vielfalt bzw. Heterogenität der Schüler:innen nimmt in diesem Zusammenhang in der Diskussion der Lehrkräfte einen großen Raum ein. Diskutiert wird, wie bei der sprachlichen Vielfalt eine kindgerechte, individuelle Aufbereitung der Materialien möglich ist. Die sprachlichen Defizite erschweren das Verstehen bzw. die Vermittlung von Wirtschaftsthemen, da es den Schüler:innen an grundlegendem Vokabular fehlt. Als schwierige Begriffe für Schüler:innen gelten bspw. „pro Jahr“ , „in einem Land“ oder „Dienstleistungen“ .
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Aus Sicht der Lehrkräfte sind Schüler:innen zentrale Wirtschaftsbegriffe zu vermitteln (z. B. Inflation, Deflation und BIP). Es ist eine Herausforderung, den Unterricht so zu gestalten, dass Schüler:innen die Begriffe tatsächlich verstehen. D. h., dass sie (i) Begriffe national, global und regional kontextualisieren können; und (ii) die Folgen und Auswirkungen von Begriffen „wirklich“ begreifen. Ein reines Auswendiglernen der Begriffe ist nicht ausreichend.
Die Dimension Sprache betrifft aber auch die Lehrkräfte. So weisen angehende Lehrkräfte darauf hin, dass sie im Studium nicht gelernt haben, die „Sprache der Schüler:innen“ zu sprechen und Materialien kindgerecht aufzubereiten.
Jutta: […] kindgerechte Aufbereitung – die Kinder dort abzuholen, wo sie sind. Also ich habe die Erfahrung gemacht – wie ich fertig war mit dem Studium, also voller Ideen, ja – [ich] komme in die Klasse, spreche die Sprache der Studenten und keiner versteht mich. Ich sage das jetzt ganz flapsig, aber man muss sich sehr anpassen, dass man die Kinder dort abholt, wo sie zum Abholen sind. (FG2_2022, Pos. 12)
3 Detaillierter Blick: Ergebnisdarstellung pro Forschungsfrage
Im folgenden Hauptkapitel werden die Ergebnisse der Analyse mit Blick auf die Forschungsfrage dargestellt (unterstützende Angebote, Verständnis Finanzbildung, Selbstwirksamkeit). Ableitungen, die aus den Ergebnissen folgen, werden im abschließenden Kapitel präsentiert.
3.1 Unterstützende Angebote: Mit welchen unterstützenden Angeboten kann die OeNB (angehende) GW-Lehrkräfte im Studium bzw. in ihrer Berufsausübung bestmöglich unterstützen?
3.1.1 Unterstützung für Lehrkräfte
Generell erkennen die Lehrkräfte bei den Schüler:innen ein hohes Interesse an Wirtschaftsthemen. Die vorhandenen Materialien (v. a. Schulbücher) für den Wirtschaftsunterricht würden das Interesse aber nicht fördern, da sie „fad“ und „uninteressant“ sind. Die Unterrichtsmaterialien werden als nicht alters-/zeitgemäß und generell eher negativ bewertet. Ein „ gutes “ Schulbuch (Finanzbildungsschulbuch) wird von Lehrkräften als zentrale Unterstützung genannt. Begründen lässt sich das mit dem Fehlen „ guter “ GW-Schulbücher aus Sicht der Lehrkräfte. Kapitel 3.1.3. gibt einen Überblick über die Kennzeichen guter, im Sinne von unterstützenden, Materialien. Als weitere Unterstützungsformen werden kurze Unterrichtssequenzen, ein Materialien-Pool sowie praxisnahe Fortbildungen genannt.
Finanzbildungsschulbuch
Für Lehrkräfte aller Fokusgruppen sind die aktuellen Schulbücher für Geografie und Wirtschaftskunde „ enttäuschend“ . Bernhard meinte hierzu etwa: „aber so was Wirtschaft betrifft – unser Buch ist da ganz schwach“ . Die Unzufriedenheit mit den aktuellen Schulbüchern führt dazu, dass die Lehrkräfte die Schulbücher in geringem Ausmaß verwenden und stattdessen selbst Materialien (z. B. Arbeitsblätter) für den Unterricht erstellen. Es braucht daher ein „gutes Buch“ bzw. „gute Schulbücher“ für das Fach Geografie und Wirtschaftskunde. Von einer Lehrkraft wird dezidiert auch der Wunsch nach einem „Finanzbildungsschulbuch“ geäußert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Lehrkräfte in den Materialien vor allem den Bezug zur Lebensrealität der Schüler:innen vermissen. Die aktuellen Materialien sind von der „Erfahrungswelt“ der Schüler:innen „zu weit weg“ . Interessant ist in diesem Zusammenhang die Kritik der Lehrkräfte aus Tirol: Sie verorten in den Materialien einen Überhang an Themen, die einen Bezug zum Bundesland Wien haben: „[…] die Hälfte betrifft Wien in Geografie, das interessiert den Tiroler nicht“ . Konkrete Beispiele werden nicht genannt. Der fehlende regionale Bezug führt dazu, dass das Schulbuch weniger oder gar nicht verwendet wird. GW-Schulbücher werden auch dann nicht verwendet, wenn für Lehrkräfte als relevant erachtete Themen (z. B. Gehaltszetteln, Lohn) nicht ausreichend behandelt werden.
Lehrkräfte wünschen sich ebenso mehr (kritisches) Material zum Thema Finfluencer. Damit sind Influencer gemeint, die auf digitalen Plattformen (z. B. YouTube) über Finanz-/Wirtschaftsthemen sprechen. Im Vordergrund steht der Wunsch nach einer kritischen Auseinandersetzung mit Finfluencer, die „zweischneidig“ gesehen werden. Auf der einen Seite wecken sie bei den Jugendlichen das Interesse für das Thema Geld und Finanzen. Auf der anderen Seite werden sie von den Schüler:innen als neutrale Expert:innen wahrgenommen.
Damit in Zusammenhang erkennen die befragten Lehrkräfte generell die Tendenz bei Schüler:innen, (erfolg-)reiche Menschen zu heroisieren. Der Appell der Lehrkräfte lautet: Finanzbildung nicht den Finfluencern überlassen.
Thomas: […] man hat fast in jeder Klasse [zwei, drei Schüler:innen, die eine] Aktien-App am Handy haben […] [W]as ich extrem kritisch sehe, [sind] diese [...] Finanz-Influencer, diese Finanz-Bros, die ihnen auf YouTube erklären, wie sie mit Kryptos und Aktien [...] in drei Minuten zum Millionär werden. Das [wird] überhaupt nicht kritisch hinterfragt. […] Ich habe nämlich auch einmal gesucht, ob ich irgendwas finde – gescheite Materialien, […] wo das gescheit kritisiert wird, aber da gibt es irgendwie total wenig. […] Und ganz ehrlich, ich habe irgendwie da auch manchmal die Befürchtung, dass man – wenn man eben Finanzbildung nicht gut macht – dass man denen [den Finfluencern] voll [die Finanzbildung] ganz überlässt. (FG2_2022, Pos. 132–134)
Kasten 4
Inhaltliche Kritik an gegenwärtigen GW-Schulbüchern
fehlender Bezug zur Lebenswelt :
Olaf: Es ist von der Erfahrungswelt der Schüler zu weit weg. Jetzt vor allem von den Kleinen, zehn bis vierzehn. Die wären übrigens schon interessiert. Es ist – ich mache oft die Erfahrung – die sind viel mehr an ökonomischen Themen interessiert als an geografischen. Aber natürlich nicht so, wie es im Buch ist. (FG1_2022, Pos. 101)
zu theoretisch/abstrakt (zu viele abstrakte Definitionen) :
Thomas: Ich finde oft beim Material, dass man entweder [...] so Sachen [hat], die schon extrem wirtschaftlich sind, wo man fast einen Doktor braucht, damit man versteht, worum es geht. Weil dann sofort angefangen wird mit Short-Selling und was weiß ich. Oder es gibt diese Beispiele, die dann wirklich so runtergebrochen sind, so [...] „du bist ein Affe und da sind vier Bananen und die müsst ihr euch jetzt irgendwie aufteilen“ [...]. Da lerne ich jetzt auch nicht wirklich was. Aber dazwischen finde ich, gibt es irgendwie sehr wenig. Weil es wird entweder total kompliziert oder es ist so runterabstrahiert, dass [es] nicht wirklich Sinn ergibt für die echte Welt. (FG2_2022, Pos. 39)
zu vereinfachte Darstellung bzw. Erklärungen, die falsch sind :
Emma: Also ich finde, man soll [den Schüler:innen] zumuten, was man in dem gewissen Alter auch richtig verstehen kann. Und nicht Sachen vereinfachen, nur damit sie [im Lehrplan] drinnen sind, auf Kindesniveau, die aber dann falsch sind. (FG1_2022, Pos. 131)
Folgende Themen vermissen Lehrkräfte in aktuellen GW-Schulbüchern:
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Geldanlagemöglichkeiten
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Gehalts-/Lohnzettel inkl. brutto, netto
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Lehr-/Arbeitsvertrag
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kritische Auseinandersetzung mit Finfluencern
Materialien mit kurzen Unterrichtssequenzen
Lehrkräfte wünschen sich kurze Unterrichtssequenzen. Hinsichtlich der Dauer gibt es divergierende Angaben, von 15 bis 30 Minuten. Die meisten Materialien werden aber für eine gesamte Unterrichtseinheit geplant (ca. 50 Minuten), was für die Lehrkräfte aber wenig praktikabel und sinnvoll ist.
Sofia: Und von den Materialien oft auch vielleicht nicht – was weiß ich – vier, fünf Unterrichtsstunden dauert, sondern einfach wirklich was–
Jutta: Eine Viertelstunde reicht schon.
Sofia: Genau, genau. Einfach wirklich so knackige Dinge, die man halt schnell einmal in einer Stunde [schafft], weil oft ist alles lange gezogen und das–
Jutta: Nein, zu lange Unterrichtszeit. Das bringt gar nichts.
Sofia: Nein, das bringt nichts. (FG2_2022, Pos. 266–270)
Materialien-Pool
Lehrkräfte bekräftigen den Wunsch nach einer Fülle an Materialien zu Wirtschaftsthemen. „Materialien-Pool“ meint eine Sammlung diverser Angebote bzw. Materialien mit Unterrichtsbeispielen, die für Lehrkräfte zugänglich ist. Vor allem Lehrkräfte der Mittelschulen würden ein derartiges Angebot begrüßen. Das hohe Bedürfnis lässt sich mit dem an Mittelschulen gängigen fachfremden Unterrichten erklären. Ein Materialien-Pool würde zur Entlastung der Lehrkräfte beitragen, wenn es „zumindest irgendein Material gibt, wo man einfach nachschauen kann“ . Lehrkräfte der Höheren Schulen erachten eine derartige Sammlung als sinnvoll, sprechen sich aber nicht mit gleicher Vehemenz dafür aus.
Wie folgender Ausschnitt aus der zweiten Fokusgruppe zeigt, ist die Herausforderung des fachfremden Unterrichtens nicht allen AHS-Lehrkräften bewusst. So sprach sich Siegfried (AHS-Lehrkraft) zunächst gegen einen Materialien-Pool aus. Nachdem die Situation an den Mittelschulen inklusive der Vorteile einer derartigen Sammlung für Lehrkräfte (beim fachfremden Unterrichten) erörtert wurde, verstand er die Notwendigkeit bzw. Sinnhaftigkeit. Das Zitat ist zudem ein gutes Beispiel für die Vorteile von Fokusgruppen, wenn Personen durch das Hören neuer Informationen zum Nachdenken angeregt werden und ihre eigene, bisher gültige Position überdenken.
Jutta: So ein Materialien-Pool wäre zum Beispiel nicht schlecht. (Sofia: Ja.) Wo man Stunden fertig hat, die man nehmen kann, klar abändert, [an die] Klassen anpass[t]. Also ein Material-Pool, wo man zurückgreifen könnte, das wäre nicht schlecht, den man abrufen kann.
Siegfried: Mir würde das gar nicht so viel nutzen. […]
Sofia: […] das mit dem Material finde ich deswegen nicht so schlecht, weil […] in den Mittelschulen unterrichtet einfach jeder alles . […]
Siegfried: Mir ist das nie so bewusst gewesen, aber das ist wirklich ein Wahnsinn.
Praxisnahe Fortbildung
Neben den genannten Angeboten (Finanzbildungsschulbuch, Materialien mit kurzen Sequenzen, Materialien-Pool) werden Fortbildungen als vierte Unterstützungsform genannt. Dezidiert ist die Rede von praxisnahen Fortbildungen. Aus Sicht einiger Lehrkräfte fehlen Fortbildungen, die den Fokus stärker auf die Praxis bzw. eine konkrete Umsetzung von Wirtschaftsthemen legen.
3.1.2 Unterstützende Angebote für Schüler:innen
Aus Sicht der Lehrkräfte sind Workshops mit Expert:innen eine wertvolle Unterstützung für Schüler:innen. Es handelt sich hier um die Einschätzung der befragten Lehrkräfte. Inwiefern Schüler:innen Workshops ebenso als unterstützend erleben, kann nicht beantwortet werden.
Workshops von Expert:innen
Lehrkräfte sprechen sich einstimmig für Workshops aus, die von Expert:innen an Schulen zu spezifischen Themen durchgeführt werden. Am öftesten wird der Wunsch nach einem Workshop zu Geldanlagemöglichkeiten genannt (Kryptowerte, Aktien). Dabei handelt es sich um Themen, bei der sich die überwiegende Mehrheit der befragten Lehrkräfte nicht kompetent fühlt, um spezifische Fragen von Schüler:innen beantworten zu können. Es sind Themen, bei denen Lehrkräfte „wirklich einen Experten“ brauchen. Hier zeigt sich der Zusammenhang zur Kategorie Selbstwirksamkeit: Je mehr Wissen die Lehrkräfte zu Themen haben, desto sicherer fühlen sie sich beim Unterrichten von ebendiesen Wirtschaftsinhalten.
Die Erwartungen der Lehrkräfte an die Expert:innen der Workshops ist, dass sie über ein vertieftes Wissen zu Finanz-/Wirtschaftsthemen verfügen, das über das eigene Basiswissen hinausgeht. Workshops von Expert:innen zu Themen, bei denen sich die Lehrkräfte fachlich weniger „sattelfest“ fühlen, können als entlastender Faktor wirken. Uneinigkeit besteht bei Lehrkräften, ob Workshops am Schulende angeboten werden sollen, um die „Leerläufe“ am Schulende zu füllen. Folgende Argumente werden dafür und dagegen genannt:
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Ja, Workshops zum Schulende anbieten: Workshops bieten die Möglichkeit, sich inhaltlich mit einem (neuen) Thema auseinanderzusetzen. Sie sind dadurch eine willkommene Abwechslung zum „Spaßprogramm“ , das sonst am Schulende vorherrscht.
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Nein, keine Workshops zum Schulende anbieten: Eine inhaltliche Beschäftigung mit (neuen) Themen wird als nicht zielführend gesehen. Schüler:innen haben eine geringe Aufmerksamkeit, Motivation und Energie. Die Sinnhaftigkeit wird in Frage gestellt.
Kasten 5
Workshops von Expert:innen
Wünsche: Vermittlung spezifischer Themen, (Kryptowerte, Aktien usw.), fachlich und didaktisch geschulte Expert:innen, Durchführung an Schulen (leichter administrierbar), „[die OeNB] kommt mit [ihren] Experten an die Schule.“
Dauer: 2–3 Stunden bzw. halbtags
Workshops am Schulende: keine eindeutige Präferenz
Peer-Effekt
In den Fokusgruppen wird der Wunsch nach Workshops geäußert, die von Expert:innen geleitet werden. Damit ist die Hoffnung bzw. Erwartung verbunden, dass Personen mit fachspezifischer Expertise über ein Thema reden, zu dem die Lehrkräfte weniger Wissen haben bzw. bei denen sie sich unsicher fühlen. Aktuellen Forschungserkenntnissen von Riitsalu et al. (2023) folgend sollte bei Finanzbildungsmaßnahmen der Peer-Effekt genutzt werden, i. S. einer Beratung durch Gleichaltrige. Auf die Zielgruppe der Jugendlichen übertragen meint dies, dass diese von gleichaltrigen Jugendlichen zu Finanzthemen informiert bzw. beraten werden (Prinzip „others like you“). Dies eröffnet interessante Fragen mit Blick auf die Konzipierung von Workshops: Wie kann die OeNB als Organisation von Expert:innen den Peer-Effekt im Rahmen von Workshops mit Jugendlichen nutzen? Wie werden OeNB-Expert:innen von den Jugendlichen wahrgenommen?
3.1.3 Überblick: Wann werden Angebote als unterstützend erlebt?
Lehrkräfte machen darauf aufmerksam, dass das Vorhandensein von Materialien noch kein ausreichender Grund dafür ist, dass Materialien angewendet werden. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über relevante Aspekte.
Kasten 6
Wünsche und Erwartungen an GW-Schulbuch
Didaktik
• abwechslungsreich und „lebendig“: Inhalte werden abwechslungsreich aufbereitet (z. B. Quiz, Karikatur, Kreuzworträtsel); Materialien können abwechslungsreich im Unterricht eingesetzt werden (z. B. Stationenbetrieb).
• interaktiv: Verknüpfung mit digitalen Inhalten bzw. Verweis zu interaktiven Apps, z. B. PIA der OeNB
Aufbereitung der Inhalte
• kurze Texte zum Lesen: Verweis auf Heterogenität und kurze Aufmerksamkeitsspanne der Schüler:innen
• lebenswelt- und schüler:innenorientiert: (a) direkte Lebenswelt: Themen betreffen Schüler:innen unmittelbar und persönlich (z. B. Taschengeld); (b) erweiterte Lebenswelt: tagesaktuelles Geschehen (Politik, Wirtschaft, Geopolitik); Ziel: abstrakte Inhalte lebensweltorientiert vermitteln
• Aktualität der Inhalte: Tagesaktualität als „größtes“ Problem; Wunsch nach Materialien mit aktuellen Wirtschaftszahlen und Hinweis zu Website mit weiterführenden Inhalten (aktuelle Daten, Statistiken)
• neutrale und wertfreie Darstellung von Wirtschaftsinhalten: Notwendigkeit kritischer Reflexion bei der Verwendung und Auswahl von Materialien, die von Institutionen zur Verfügung gestellt werden
• keine regionale Fokussierung: Ausgleich bei regionalen Bezügen; kein Überhang bei z. B. Wien-Themen
• mit Grafiken: spielen nach der Schule eine wichtige Rolle (z. B. Zeitungen); Schüler:innen sollen diese dann lesen können
Einsetzbarkeit der Materialien im Unterricht
• flexibel: Wunsch nach individualisiertem Vorgehen bzw. Adaptieren nach Schwierigkeitsgrad innerhalb der Klassen
• schnell und einfach: kurze Unterrichtssequenzen; Wunsch nach Materialien mit einfacherem Komplexitätsgrad
PIA, der persönliche Inflationsrechner der OeNB, wird von einer Lehrkraft als „Gusto-Stückerl“ bezeichnet und kann somit als ein gelungenes Unterstützungsangebot bezeichnet werden. Es würde sich zudem im Sinne einer interaktiven Vermittlung für die geforderte Verknüpfung mit digitalen Inhalten anbieten:
Tristan: [man versucht sich] die sogenannten Gusto-Stückerl auch zu holen, ja. […] Die Nationalbank bietet zum Beispiel diesen persönlichen Inflationsrechner an. Mit solchen Tools – sag ich einmal – fällt es doch relativ leicht, dann den Schülern gewisse Sachen auch beizubringen ja. Und so gibt es halt ganz, ganz viele solche netten Sachen, wo das Thema auch wirklich bei den Schülern ankommt. (FG3_2023, Pos. 12)
3.2. Verständnis Finanzbildung: Welches Verständnis von Finanzbildung haben (angehende) Lehrkräfte?
Über die drei Fokusgruppen hinweg zeigt sich ein einheitliches Verständnis von Finanzbildung. Auch in Abgrenzung zu den Begriffen wirtschaftliche Bildung, Wirtschaftsbildung und ökonomische Bildung gibt es keine kontroversen Diskussionen. Wirtschaftliche Bildung wird von allen Lehrkräften synonym mit Wirtschaftsbildung verstanden und als „große Überkategorie“ gesehen. Ökonomische Bildung und Finanzbildung sind demzufolge Unterkategorien von wirtschaftlicher Bildung. Im Gegensatz zu Finanzbildung wird wirtschaftliche Bildung „weiter gefasst“ , da finanzielle, soziale und unternehmerische Fragen inbegriffen sind. Finanzbildung wird als „Teil von Wirtschaftsbildung“ enger gefasst. Für die Lehrkräfte ist der Begriff Finanzbildung gegenwärtig medial stark verbreitet, aktuell sehr beliebt und geläufig. Ein Zeichen der Popularität ist die Vielzahl an Seminaren, die seit einem Jahr zu Finanzbildung angeboten werden.
Tristan: [...] Wenn wir vor einem Jahr dagesessen wären, hätte ich gesagt, es gibt wenig Angebot im Bereich Finanzbildung. Mittlerweile muss ich das komplett anders sehen oder sagen. Also, es gibt so viel mittlerweile. (FG3_2023, Pos. 32)
Die Lehrkräfte sehen Finanzbildung als zentrale Aufgabe der OeNB und werten den Begriff nicht nur positiv. Der Begriff beinhaltet das Wort „Finanzen“ – ein Thema, über das sich Personen aus mangelndem Wissen nicht zutrauen zu sprechen; im Gegensatz zum Begriff „Wirtschaft“, der mit „arbeiten“ verbunden wird, worüber Menschen eher reden können. Finanzbildung symbolisiert für einige Lehrkräfte zudem eine wissende Position bzw. verkörpert eine Person, die mehr Wissen hat und dieses „ von oben “ den vermeintlich Nicht-Wissenden vermittelt. Interessanterweise wird die wissende Position bei Finanz-Expert:innen nicht kritisiert, sondern sogar erwartet (vgl. Wunsch nach Workshops mit Expert:innen). Die Fokusgruppen deuten nicht darauf hin, dass es sich um eine kollektive Meinung handelt, die von allen Lehrkräften geteilt wird. Es ist die Meinung einzelner Personen, die einen Einblick in die Gedanken geben, die mit Finanzbildung assoziiert werden:
Jutta: Es ist jetzt sehr viel unter Finanzbildung in den letzten Jahren geführt worden. (Siegfried: Ja, das stimmt.) Ja. Das FLIP und [...].
Siegfried: Ja, ich glaube, das ist eine mediale Geschichte, warum man dann diesen Begriff da durchs Land treibt.
Jutta: Es klingt gut. Es klingt gut.
Siegfried: Ja, ja. [...] Das hat was mit Unternehmensfinanzierung, mit Geld zu tun und das suggeriert den Menschen, „ich weiß es ein bisserl besser als du“. Also bei Finanz[en], wenn du Leute fragst: „Kennen Sie sich mit Finanzen aus?“ Sagen die meisten: „Nein.“ Weil das ist gleich so ein großer Begriff. Und dann sagen sie: „Ich kenne mich nicht so gut mit Finanzen aus. […] Ja, Wirtschaft, ich arbeite auch. Das ist Wirtschaft.“ Und deshalb, Finanzbildung erzeugt so einen gewissen Abstand und erzeugt von einem ein bisschen eine [...] wissende Position, und deshalb benützen Leute, die sagen, sie sind die Damen und Herren der Finanzbildung, gerne das Wort Finanzbildung. (FG2_2022, Pos. 190–193)
Inhalte, die mit Finanzbildung assoziiert werden:
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in erster Linie: persönliche Finanzen ( „ meine Finanzen und meine Zukunft“ )
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Begriffe: Geld, Taschengeld, Haushalten mit Geld, Geldwährung, Euro, Geldanlagemöglichkeiten, Aktien, Wertpapiere, Zinsen, Kredit, Inflation, Finanzspekulation, Börse, Finanz-/Geldpolitik, Budgetpolitik, Steuerfragen, Globalisierung
Zahlen
3.3 Selbstwirksamkeit: Wie sicher fühlen sich (angehende) Lehrkräfte beim Unterrichten von Finanzbildung?
Mit Blick auf die Selbstwirksamkeit beim Unterrichten von Finanzbildung konnten entlastende und belastende Faktoren eruiert werden. Die Analyse zeigt deutlich, dass die entlastenden Faktoren vorrangig bei angehenden Lehrkräften eine Rolle spielen. Die belastenden Faktoren beziehen sich hingegen auf beide Zielgruppen.
3.3.1 Entlastende Faktoren (spezifisch für angehende Lehrkräfte)
Für die angehenden Lehrkräfte gibt es zentrale entlastende Faktoren: (i) ein gutes Schulbuch, (ii) eine Ausbildung, die auf die Schulrealität vorbereitet und (iii) realitätsnahe Unterrichtssequenzen.
„ Gutes “ Schulbuch
Beim Thema Schulbuch wird der Zusammenhang zwischen unterstützenden Materialien und der Selbstwirksamkeit der Lehrkräfte deutlich. Wiederholt machen die angehenden Lehrkräfte darauf aufmerksam, dass ein „super Schulbuch“ eine wesentliche Entlastung darstellen würde. Ein „gutes“ Schulbuch charakterisiert sich durch die in Kapitel 3.1.3. näher ausgeführten Aspekte, wie abwechslungsreich und lebendig, interaktiv usw. Wie folgendes Zitat zeigt, würde ein entsprechendes Schulbuch den Druck von Jung-Lehrkräften nehmen:
Emma: Und was ich mir jetzt als Lehreranfängerin in den nächsten Jahren wünschen würde, wäre halt ein super Schulbuch. Das ist eh das, wo wir angefangen haben, eigentlich. Weil das, glaube ich, ganz viel Druck von einem jungen Lehrer wegnehmen kann. (Olaf: Ja.) Wenn ich wüsste, wenn mir jetzt erfahrene Lehrer sagen: „Wir haben da wirklich ein super Buch. Hangle dich am Anfang ruhig an diesem entlang.“ (FG1_2022, Pos. 508)
Ausbildung: Vorbereitung auf Schulrealität
Die teilnehmenden angehenden Lehrkräfte haben nicht das Gefühl, dass sie durch ihre Ausbildung ausreichend auf die Schulrealität vorbereitet werden. Vielmehr würden sie sich in ihrem Studium in einer Blase bewegen, die auf einen Schultyp zugeschnitten ist ( „AHS-Blase“ ). Dies deckt sich mit den Einschätzungen der aktiv tätigen Lehrkräfte, die übereinstimmend in allen Fokusgruppen eine schwindende Motivation und einen Realitätsschock bei den Jung-Lehrkräften bemerken. Wiederholt werden die angehenden Lehrkräfte als „wirklich arm“ beschrieben. Generell scheint mehr Praxis einen wesentlichen Einfluss auf die wahrgenommene Selbstwirksamkeit zu haben. Durch Berufserfahrung können die Studierenden Erfahrungswissen aufbauen, das zu mehr Sicherheit beim Unterrichten führt. Mit Blick auf die aktuelle Ausbildung wünschen sich die angehenden Lehrkräfte mehr Zeit für didaktische Nachbesprechungen nach den Unterrichtspraktika und eine „Feedbackkultur“ . Ferner wünschen sich die Studierenden mehr kindgerechte Fachdidaktik in der Ausbildung. Es fehlt ihnen an Wissen und vor allem Praxis, wie sie wirtschaftliche Inhalte zielgruppenadäquat und kindgerecht vermitteln können:
Anna: […] [Ich hätte] gerne eine bessere Ausbildung, was es bedeutet, wirtschaftskundliche Themen Kindern beizubringen. (FG2_2022, Pos. 55)
Realitätsnahe Unterrichtssequenzen
Angehende Lehrkräfte vermissen in der Ausbildung die Vorbereitung auf die Schulrealität. Beispiele für den Unterricht (sog. Unterrichtssequenzen) sollten den Unterrichtsalltag daher realitätsnah abbilden, um so das Unterrichten in der Unterrichtsrealität zu üben. In einer der Fokusgruppen wurde dies auch diskutiert:
Bernhard: […] Ich mache jetzt volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Einer muss aber gerade aufs Klo, die anderen hinten haben überhaupt nichts mitbekommen, fünf haben die Zettel vergessen. Das wäre die Realität. Zwar jetzt nicht in jeder Stunde–
Olaf: Ja, ja. Das ist so.
Bernhard: Aber genau das müsste man in der Ausbildung eigentlich üben. Wie gehst du dann damit um? Weil das findet statt. (FG1_2022, Pos. 183–185)
3.3.2 Belastende Faktoren
Erwartung: Lehrkräfte haben umfangreicheres Finanzwissen als Schüler:innen
In Zusammenhang mit dem Unterrichten von Finanzbildung konnte ein belastender Faktor ermittelt werden: die Erwartung als Lehrkraft, mehr Wissen als die Schüler:innen über Finanz-/Wirtschaftsthemen zu haben. Damit einher geht die „Angst“ , (spezielle) Finanzfragen von Schüler:innen nicht beantworten zu können und sich dadurch zu blamieren. Gleichzeitig erkennen die Lehrkräfte bei vielen ihrer Kolleg:innen eine „Scheu“ , sich mit finanziellen Themen näher zu beschäftigen. Dies begründet möglicherweise den Wunsch nach Workshops zu Finanzthemen, die von Expert:innen abgehalten werden (siehe Kapitel 3.1.1.).
Tristan: […] wir sind doch viele – sage ich einmal – Lehrer oder Geografielehrer, und da gibt es dann doch immer wieder manche, die da bisserl so Scheu haben oder Angst haben vor diesen finanziellen Themen, weil wie weit geht man? Dann kommen vielleicht die Schüler und wollen das und das wissen, und man weiß es dann vielleicht selber nicht so, ist nicht so sattelfest und dann blockt man ein bisserl ab oder macht dann die Themen gar nicht so. (FG3_2023, Pos. 34)
Mangelndes Wissen führt dazu, dass (i) sich Lehrkräfte beim Unterrichten von Finanzthemen nicht kompetent fühlen und (ii) Themen im Unterricht möglicherweise nicht behandelt werden. Kryptowerte gilt als ein Thema, das die Jugendlichen interessiert, über das Lehrkräfte aber weniger Wissen haben und ungern sprechen.
Emma: Und da muss ich sagen, da [versuch ich] mich schon voll zu informieren und beschäftige mich mit viel. Die Sache ist: Kryptowährungen sind wahnsinnig spannend. […] [Aber] ist jetzt einfach nicht mein Thema, wo ich mich nicht darüber traue, was zum Unterrichten. Muss ich ganz ehrlich sagen, gell. Also ich meine, man kann natürlich über gewisse Basics schon mal reden so, was das ist und so. Aber da hört es – bin ich ganz ehrlich – bei mir schon wieder auf. […]
Bernhard: Da brauchst dann wirklich einen Experten, der sich damit beschäftigt; egal, ob das Gold ist oder Aktien oder Krypto.“ (FG1_2022, Pos. 289–292)
Lehrkräfte wollen sich beim Vermitteln von Finanz-/Wirtschaftsinhalten „ sattelfest “ fühlen. Die Bewertung der eigenen Selbstwirksamkeit erfolgt in Relation zum Niveau der Schüler:innen. Lehrkräfte fühlen sich sicher in der Vermittlung von Wirtschaftsinhalten, wenn die Schüler:innen kein Vorwissen zu Finanz-/Wirtschaftsthemen haben oder das Niveau in der Klasse bzw. der Schule eher als gering eingeschätzt wird. Lehrkräfte diskutieren bzw. reflektieren die eigene Selbstwirksamkeit aber auch im Kontext eines anderen Schultyps. So fühlt sich Jonas, eine Mittelschullehrkraft, aufgrund des „Niveaus“ seiner Schüler:innen beim Unterrichten von Finanzthemen „sattelfest“ . Er begründet das damit, dass es um „einfache Begriffe“ und nicht „allzu komplexe“ Inhalte geht. Wie folgendes Zitat zeigt, hat Jonas andere Erwartungen an das Niveau von Schüler:innen an Höheren Schulen, weshalb er sich bei diesen womöglich weniger „sattelfest“ fühlen würde:
Jonas: Und umgekehrt muss man sich natürlich das Niveau anschauen in der Schule, in der ich unterrichte, wo ich sage, da geht es oft um sehr rudimentäre Dinge, die zu erklären; und ich würde sagen, da fühle ich mich sehr sattelfest eigentlich, das den Kindern beizubringen. Gerade weil es halt auch Kinder mit Lernschwächen sind und […] und [ich] würde sagen, die Finanz-, Wirtschaftskundeinhalte sind jetzt nicht allzu komplex. Also von dem her fühle [ich mich] da vielleicht auch sattelfester, als wenn ich an einer AHS wäre.“ (FG3_2023, Pos. 9)
4 Ableitungen
Die OeNB-Lehrkräftebefragung beschäftigt sich mit den Bedürfnissen und Erwartungen von (angehenden) GWB-Lehrkräften. Die qualitativen Erhebungen in Form von Fokusgruppen geben einen tieferen Einblick in die individuellen Perspektiven der Lehrkräfte sowie den Einfluss der Kontextbedingungen beim Vermitteln von wirtschaftlichen Inhalten (z. B. Schulform, Klassengröße, Zusammensetzung der Schüler:innnen).
Die befragten GW-Lehrkräfte erkennen generell bei den Schüler:innen ein hohes Interesse an wirtschaftlichen Themen. Die Materialien für den Unterricht würden das Interesse aber nicht immer fördern. Als unterstützende Angebote nennen (angehende) Lehrkräfte ein „ Finanzbildungsschulbuch “, Materialien mit kurzen Unterrichtssequenzen, praxisnahe Fortbildungen sowie Workshops zu spezifischen Finanzthemen für Schüler:innen, die von externen Expert:innen abgehalten werden. Der Begriff Finanzbildung wird tendenziell enger verstanden als die Überkategorie wirtschaftliche Bildung. Inhaltlich umfasst Finanzbildung aus Sicht der Befragten vor allem Themen in Zusammenhang mit den persönlichen Finanzen bzw. dem eigenen Geld (z. B. Sparen). Mit Blick auf die Selbstwirksamkeit beim Unterrichten konnten entlastende und belastende Faktoren eruiert werden. Die Analyse zeigt, dass die entlastenden Faktoren vorrangig bei angehenden Lehrkräften eine Rolle spielen (z. B. Vorbereitung auf die Unterrichtsrealität, realitätsnahe Unterrichtssequenzen). Sowohl angehende als auch bereits aktive Lehrkräfte gaben belastende Faktoren an. Als belastend wird die Erwartung genannt, ein umfangreicheres Finanzwissen als die Schüler:innen zu haben.
Welche Ableitungen ergeben sich aus den präsentierten Ergebnissen für die Entwicklung bzw. Adaptierung unterstützender OeNB-Materialien zur Finanzbildung?
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Mitarbeit bzw. Forcierung eines Finanzbildungsschulbuchs
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Materialien zu Wirtschaftsthemen in einfacher und vertiefender Version anbieten
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Lehrkräfte sehen es als eine zentrale Herausforderung an, die Unterrichtsinhalte zielgruppenadäquat zu vermitteln. Das heißt, Wirtschaftsinhalte weder zu abstrakt noch zu banal zu vermitteln (Gratwanderung bei der Komplexität). Materialien, die Wirtschaftsthemen in einfacher und vertiefender Version anbieten, könnten ein individualisiertes Unterrichten in heterogenen Klassen erleichtern.
-
Es könnte von Vorteil sein, wenn pro Thema eine einfache und eine vertiefendere Version angeboten wird. Dadurch hätten Lehrkräfte die verschiedenen Versionen griffbereit und könnten in der Klasse möglicherweise auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen eingehen.
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Materialien mit kurzen und realitätsnahen Unterrichtssequenzen anbieten
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Dauer der Unterrichtssequenzen abfragen (variiert in Fokusgruppen zwischen 15 und 30 Minuten)
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hybride Materialien anbieten, d. h. analoge Materialien mit interaktiven Elementen verschränkt
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weiterhin/vermehrt Workshops mit Expert:innen anbieten
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Dauer der Workshops: präferiert ca. 3 Stunden
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kein Bedarf an Materialien für fächerübergreifendes Unterrichten
5 Literaturverzeichnis
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Die Gruppe Finanzbildung der Abteilung Finanzbildung und Kultur evaluiert Finanzbildungsmaßnahmen. In der empirischen Forschung kombiniert das Forscher:innen-Team quantitative Methoden (z. B. Experimente und Umfragen) sowie qualitative Methoden (z. B. Interviews, Fokusgruppen und Beobachtungen) und kombiniert diese in Mixed-Methods-Ansätzen. Dies ermöglicht eine verlässliche und quantifizierbare Wirkungsmessung. Gleichzeitig kann dank der unterschiedlichen Methoden die Komplexität der unterschiedlichen Lebenswelten der Studienteilnehmer:innen berücksichtigt werden. ↩︎
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Oesterreichische Nationalbank, Abteilung für Finanzbildung und Kultur, katharina.felbermayr@oenb.at . ↩︎
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Die qualitativen Erhebungen erfolgten im Herbst 2022 sowie Frühjahr 2023. Zu diesem Zeitpunkt war der alter Lehrplan Geografie und Wirtschaftskunde noch gültig, weshalb in dieser Studie die Bezeichnung GW (Geografie und Wirtschaftskunde) verwendet wird. Die Einführung des neuen Lehrplans Geografie und wirtschaftliche Bildung (GWB) erfolgte im Schuljahr 2023/24. ↩︎
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OECD/INFE = International Network on Financial Education der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. ↩︎