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OeNB Report 2024/3: Distributional Wealth Accounts für Österreich

Dieser Report gibt einen kurzen Überblick über den Hintergrund, die Erstellung und die Verwendung der neuen Daten aus den Distributional Wealth Accounts (DWA) für Österreich. Methodische Detailfragen sind international abgestimmt und werden von der EZB dokumentiert. Auf diese Unterlagen verweisen wir an geeigneter Stelle.

Die Distributional Wealth Accounts (DWA) werden als neue Datenquelle für Österreich von der OeNB zur Verfügung gestellt. Informationen, die bis dato nur als Aggregat vorlagen, können nun mit unterschiedlichen Verteilungsinformationen angereichert werden. Dieser Report stellt die DWA für Österreich vor. Er ist konzipiert als eine einfache Einführung in diese neue Datenquelle. Von einer Diskussion der Ergebnisse aus den DWA wird abgesehen, da dies in der gebotenen Kürze nicht sinnvoll ist. Dieser Überblick umfasst eine internationale Einbettung (Kapitel 1), die Datengrundlagen (Kapitel 2), verwendete Schätzmethoden (Kapitel 3) und eine grundlegende Übersicht über die veröffentlichten Zeitreihen (Kapitel 4). Kapitel 5 liefert abschließende Bemerkungen.

1 Internationale Einbettung

Die DWA wurden im Rahmen eines Expert:innennetzwerkes erarbeitet. Auch andere internationale Institutionen arbeiten an ähnlichen Informationen für unterschiedliche
Länder(-gruppen). Dieses Kapitel stellt einen kurzen Überblick dar.

1.1 Expert:innennetzwerk der EZB

Die DWA wurden im Rahmen eines Expert:innennetzwerk an der EZB – „expert group on distributional financial accounts“, vormals „expert group on linking macro- and micro data“ – erstellt. Auf Beschluss des Statistik-Komitees des ESZB im Jahr 2015 wurde diese Initiative ins Leben gerufen. Die Arbeit der letzten acht Jahre mündet nun in der Veröffentlichung der DWA. Diese werden aufgrund der verwendeten Schätzmethoden (siehe Kapitel 3) vorläufig als „experimentelle Daten“ klassifiziert.

Am Beginn der Integration von Mikro- und Makrodaten stand ein Abgleich der Definitionen der Haushaltsbilanz und der Identifikation der vergleichbaren Bestandteile. Die Ergebnisse stellten in der Regel eine deutliche Untererfassung der Aggregatswerte in den Mikrodaten des Household Finance and Consumption Survey (HFCS) im Vergleich zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) dar. Auf Basis von unterschiedlichen Modellierungsschritten kann eine Angleichung erreicht und können die einzelnen Ergebnisse der DWA geschätzt werden. Langfristig ist von einer Integration der DWA in die VGR auszugehen.

1.2 Weltweite Entwicklungen

Das öffentliche sowie das politische Interesse führten in der jüngsten Vergangenheit zu vielen unterschiedlichen Anstrengungen, um die Aggregatsinformationen für private Haushalte mit Verteilungsinformationen anzureichern. Am ähnlichsten zu den DWA – und somit vergleichbar – sind die Daten aus den Distributional Financial Accounts (DFA) des Federal Reserve System für die USA. 1 Aufgrund der längeren Historie der Mikrodaten beginnen diese jedoch viel früher. 2

Verteilungsinformationen zu Flussgrößen (d. h. Einkommen, aber auch Konsum) in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden von Eurostat 3 und OECD 4 bearbeitet. Die OECD hat ebenso eine neue Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, deren Ziel die Erweiterung der DWA auf den außereuropäischen Raum ist. Auch seitens der akademischen Wissenschaftsgemeinschaft wird dieses Unterfangen unterstützt. Beispielhaft kann hier auf die Initiative der World Inequality Database hingewiesen werden. 5 Für Österreich gibt es diesbezüglich Arbeiten von Kollegen der Wirtschaftsuniversität (Jestl und List, 2020). 6

2 Datengrundlagen

Dieses Kapitel stellt kurz die Daten vor, die genutzt wurden, um die DWA zu erstellen. Zuerst werden die Daten der VGR, dann der HFCS und zum Schluss Informationen zu Randbereichen diskutiert.

2.1 Daten auf Makroebene

Als eine der zwei wesentlichen Datenquellen für die DWA dient die seit Jahrzehnten etablierte VGR. In der VGR werden sowohl Bestands- und Stromgrößen aller Sektoren einer Volkswirtschaft dargestellt. Die Zielsetzung beruht auf einer konsistenten Erfassung der Aggregatswerte möglichst aller Teile einer Volkswirtschaft. Für die Erstellung der DWA werden die Vermögensbestände sowohl auf der aktiven als auch auf der passiven Seite der privaten Haushalte verwendet.

Die Grundlage für die VGR bilden internationale Übereinkommen zu den zu erfassenden Informationen. 7 Weltweit haben die Europäische Kommission, der Internationale Währungsfonds, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Vereinten Nationen und die Weltbank (SNA, 2008) diese Daten koordiniert. Auf nationaler Ebene stehen die Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung der OeNB (2018) 8 und Veröffentlichungen der Statistik Austria (2021, 2022) 9 als Dokumentation zur Verfügung.

2.2 Daten auf Mikroebene

Die Mikrodatenfundierung der DWA in Österreich kommt aus dem HFCS der OeNB. Die vier Wellen dieser wiederholt (in den Jahren 2010/11, 2014/15, 2017 und 2021/22) durchgeführten Erhebung zu den Finanzen und zum Konsum der privaten Haushalte stellen die zweite wesentliche Datenquelle dar. Erste Ergebnisse (Fessler et al. 2012, 2016, 2019, 2023) sowie detaillierte Methodendokumentationen (Albacete et al. 2012, 2016, 2019, 2023) werden von der OeNB zu jeder Welle veröffentlicht. 10

International ist der HFCS eingebettet in die Initiative, Mikrodaten für alle Haushalte im Euroraum und darüber hinaus zu erheben. So werden in allen teilnehmenden Ländern auf Basis einer abgestimmten Methodik diese Informationen erhoben. Die EZB prüft die Implementierung und führt die Daten zusammen. Eine internationale Dokumentation wird von der EZB (EZB 2013a, 2013b, 2016a, 2016b, 2020a, 2020b, 2023a, 2023b) bereitgestellt. In Österreich basiert die Stichprobe auf einem stratifizierten Zwei-Stufen-Design. Die ausgewählten Haushalte werden eingeladen, an einem computergestützten persönlichen Interview teilzunehmen. Speziell geschulte Interviewer:innen führen die Befragung durch. Unterschiedlichste Arten der Konsistenzprüfungen – inklusive der Möglichkeit, einen Haushalt nach dem Interview nochmals telefonisch zu kontaktieren – stellen schon im ersten Schritt der Dateneingabe die Qualität sicher. Auf Basis der Design-Gewichte wird mittels Bereinigung der Antwortverweigerung sowie Post-Stratifizierung die Repräsentativität der Nettostichprobe sichergestellt. Der Schwierigkeit des partiellen Antwortausfalls wird mittels multipler Imputationen begegnet. Der HFCS erhebt die gesamte Haushaltsbilanz und kann somit nahezu alle Vermögenpositionen der privaten Haushalte auf Mikrodatenebene darstellen. Lediglich Bargeld und Kryptoassets wurden bis dato im HFCS nicht erhoben.

2.3 Informationen zu vermögenden Haushalten

Als Quelle für die vermögenden Haushalten werden sogenannte „Reichenlisten“ herangezogen. Für Österreich wird in der Redaktion des Magazins „trend“ 11 eine Liste vermögender Personen/Haushalten/Familien geführt, die einmal im Jahr veröffentlicht wird. Die Liste enthält 100 Einträge (Namen) mit geschätzten Vermögenswerten, beginnend bei 100 Mio EUR. Einträge mit geringeren Vermögenswerten sind in Intervallen (beispielsweise etwa 100–250 Mio EUR) angegeben. Für die Einträge mit solchen Bandbreiten wird ein Mittelwert der Intervallgrenzen als Imputationswert genommen. Die Methodik der Erstellung dieser Listen ist nicht ausreichend dokumentiert. Die Informationen aus den Reichenlisten werden lediglich zur Schätzung der Pareto-Verteilung zur Simulation des rechten Rands der Vermögensverteilung verwendet und dann wieder aus den Daten gelöscht.

2.4 Integration der Datengrundlagen

Tabelle 1 listet die vergleichbaren Elemente der Haushaltsbilanz. 12 Die beiden Datenquellen erfassen auf unterschiedliche Weise das gleiche Themengebiet. Die Herangehensweisen unterscheiden sich erheblich. Üblicherweise kommt es zu einer Untererfassung der Aggregatswerte (VGR) in den Mikrodaten (HFCS).

Die in Kapitel 3 beschriebenen Schätzmethoden werden angewandt, damit am Ende des Prozesses ein Mikrodatensatz zu jeder Erhebungswelle entsteht, bei dem die daraus errechneten Aggregatswerten jenen aus den Makrodaten entsprechen. Auf Ebene der Dezile wird dieser Datensatz danach inter- und extrapoliert, sodass Quartalswerte errechnet werden können. Für jedes Quartal entsteht ein simulierter Mikrodatensatz, bei dem die Aggregatswerten jenen der VGR entsprechen.

Tabelle 1: Gegenüberstellung VGR- und HFCS-Informationen  
VGR HFCS
Einlagen (F2M) Sparguthaben (inklusive Girokonto) (da2101)
Festverzinsliche Wertpapiere (F3) Anleihen (da2103)
Börsennotierte Aktien (F511) Aktien (da2105)
Investmentzertifikate (F52) Fonds (da2102)
Lebensversicherung (F62) Lebensversicherungen (da2109)
   
Nichtfinanzielles Unternehmensvermögen Selbstständiges Unternehmen
(plus Immobilien zu Unternehmenszwecken)
Finanzielles Unternehmensvermögen Stille Beteiligung (da2104)
   
   
Immobilien und Grundstücke unter den Immobilien (N.111 + N.2111) Hauptwohnsitz und Nebenwohnsitz (da1110 + da1120
[ohne den Immobilien zu Unternehmenszwecken])
   
Langfristige Kredite (F4) Besicherte Kredite
Kurzfristige Kredite (F4) Andere Schulden
Quelle: OeNB.

Die Informationen zu den Vermögenskomponenten im HFCS werden zum Zeitpunkt des Interviews erhoben. Die Feldphase erstreckt sich über mehrere Quartale, sodass ein Quartal zur Mitte der Feldphase für die Angleichung an die Aggregatsdaten der VGR gewählt werden muss. In den vier Wellen des HFCS in Österreich wurden folgende Quartale gewählt: für die Welle 1 das vierte Quartal 2010; für die Welle 2 das vierte Quartal 2014; für die Welle 3 das erste Quartal 2017; für die Welle 4 das dritte Quartal 2021.

3 Schätzmethoden

In diesem Abschnitt beschreiben wir die notwendigen Modellierungsschritte sowie Annahmen hierzu. Wir weisen explizit aus, in welchen Bereichen die Methode für Österreich vom internationalen Standard abweicht und warum (siehe auch Kasten 1). Eine detaillierte Analyse aller Aspekte der Modellierung ist in EZB (2024) bereitgestellt.

3.1 Angleichung der Zielpopulation

Die Daten zum Haushaltssektor in der VGR umfassen alle Personen (inklusive selbstständig Erwerbstätige und Einpersonenfirmen). Zielpopulation des HFCS in Österreich sind jene privaten Haushalte, die in privaten Wohnungen wohnen. Die Diskrepanz von institutionalisierten Personen sowie Personen ohne Wohnsitz wird durch eine Angleichung der Gewichte bearbeitet, sodass die gewichtete Summe aller Personen aller Haushalte im HFCS der Gesamtanzahl der Personen in Österreich entspricht.

Implizite Annahme dieses Schritts ist, dass der HFCS auch für diesen Teil der Bevölkerung repräsentativ ist. Die Auswirkung dieses Modellierungsschritts, der auch international durchgeführt wird, auf die Ergebnisse ist gering.

3.2 Vermögende Haushalte

Die Erfassung von Haushalten mit hohen Vermögenswerten in Erhebungen wie dem HFCS stellt eine Herausforderung dar. In Österreich wird bisher keine statistische Methode angewendet, um vermögende Haushalte gezielter zu erfassen („oversampling of the wealthy“).

Die maximal erfassten Vermögenswerte im HFCS lagen zwischen 10 und 50 Mio EUR, was nicht die tatsächlich höchsten Vermögenswerte der Gesellschaft widerspiegelt. Vermögende Haushalte beeinflussen aber Aggregatswerte aus der VGR erheblich und das Fehlen in den Mikrodaten trägt zur Untererfassung bei.

In der ökonomischen Literatur (siehe z. B. Vermeulen, 2016) und den DWA wird ein Modellierungsansatz genutzt, bei dem ab einer Vermögensgrenze (in der DWA ab 1 Mio EUR) eine theoretische Verteilungsannahme, die Pareto-Verteilung, angewendet wird. Der Parameter, das Pareto-Alpha, wird anhand von Mikrodaten und unter Zuhilfenahme von Einträgen aus Reichenlisten geschätzt. Die Simulation vermögender Haushalte erfolgt unter Annahmen einer Obergrenze (in Österreich 500 Mio EUR) und des geschätzten Pareto-Alphas.

Für die Portfoliostruktur dieser simulierten Haushalte müssen weitere Annahmen getroffen werden. Hierfür wird auf die Hochvermögenstudie des deutschen SOEP (Schröder et al., 2020a und b) zurückgegriffen. Dies ist vergleichbar mit den Annahmen der Deutschen Bundesbank, unterscheidet sich jedoch vom internationalen Standard der EZB. Die EZB beruft sich auf Informationen, die im „The Economist” veröffentlicht werden („[a] survey run in 2018 by UBS/Campden, published by The Economist, estimated average portfolios for more than 300 households…“; EZB, 2024). Die Übernahme der Portfoliostruktur aus den Ergebnissen für Deutschland erscheint aufgrund der ähnlicheren wirtschaftlichen und historischen Struktur vernünftig. Die Portfoliostruktur beinhaltet insbesondere auch die Verschuldungsseite dieser vermögenden Haushalte. Es gibt keine Informationen zum Beschäftigungsstatus der simulierten Haushalte – diese befinden sich daher in der Kategorie „Sonstige“. Es wird angenommen, dass es sich um (Teil-)Eigentümer:innen des Hauptwohnsitzes handelt. Kleine Änderungen in den Annahmen im Bereich der Modellierung vermögender Haushalte können erhebliche Auswirkungen auf die DWA-Daten haben (siehe auch Kennickell et al., 2021 13 ).

3.3 Angleichung der Mikrodaten an die Makrodaten

Nach den oben beschriebenen Modellierungsschritten ist noch nicht garantiert, dass eine Schätzung des Aggregates auf Basis der Mikrodaten des HFCS dem gleichen Wert einer Portfoliokomponente aus den Informationen aus der VGR entspricht. Um dies sicherzustellen, wird für jede Komponente ein einfacher Faktor genommen, mit dem die Werte der Mikrodaten multipliziert werden. Da dieser Schritt jedoch für jede Komponente einzeln durchgeführt wird, kommt es notwendigerweise zu einer Veränderung der Portfoliokomposition. Dadurch wird schlussendlich auch die Verteilung von Nettovermögen beeinflusst.

Im speziellen Fall der Verbindlichkeiten führt dieser Schritt bei manchen Haushalten zu einem hohen negativen Nettovermögen. Für Haushalte, bei welchen dieser Modellierungsschritt zu einer größeren Anhebung der Verschuldung als der aktiven Vermögenskomponenten kommt, wird per Annahme der maximale Wert aus den Anpassungen der aktiven Vermögenskomponenten auch für die Verschuldungsseite genommen. Dadurch ist jedoch ein weiterer Schritt der Anpassung in der Verschuldung notwendig, um die Angleichung zur VGR sicherzustellen.

Dieser Schritt muss iterativ so lange wiederholt werden, bis keine derart hohen negativen Nettovermögenswerte mehr auftreten. Je nach dem Grad der Untererfassung nach den obigen Modellierungsschritten ist die Auswirkung dieses finalen Schritts substanziell.

3.4 Erstellung der Quartalsdaten

Mit den oben beschriebenen Modellierungsschritten sind nun zu vier Zeitpunkten (HFCS-Wellen) in die Aggregatswerte integrierte Mikrodaten gegeben. In den Quartalen, die zwischen die Referenzzeitpunkten (siehe Abschnitt 2.4) liegen, müssen die Mikrodaten interpoliert werden. Details dieses Schrittes werden in der Methodendokumentation der EZB (2024) angeführt. Im Wesentlichen werden die Haushalte aus zwei Wellen für die Quartale, die dazwischen liegen, genommen und sowohl die Gewichte als auch die Eigentümer:innenschaft der einzelnen Portfoliokomponenten angeglichen. Die Adaptierung der Gewichte erfolgt derart, dass ein Gewicht linear abnimmt, je weiter der jeweilige Zeitpunkt zum Interview im HFCS entfernt ist. So gewinnen die Haushalte einer zukünftigen Welle – wenn man die Zeitpunkte von einer zur nächsten Welle durchschreitet – stetig an Wichtigkeit, wohingegen die Haushalte der vergangenen Welle an Wichtigkeit verlieren. Insgesamt wird dadurch ein stetiger Verlauf der Veränderung der Haushaltsbevölkerung von einer Welle zur nächsten sichergestellt.

In ähnlicher Weise werden die Anteile eines Haushalts, die in der jeweiligen Portfoliokomponente gehalten werden, linear angepasst, sodass es zu einem stetigen Übergang zur Veränderung dieser Anteile von einer zur nächsten HFCS-Welle kommt. Durch die Multiplikation der Anteile mit den Aggregatswerten aus der VGR ist eine gemeinsame Veränderung der Aggregatswerte sowohl in den Makro- als auch in den simulierten Mikrodaten sichergestellt. Für den Zeitraum nach der jüngsten HFCS-Welle werden die Anteile stabil gehalten und mit der Entwicklung aus den Makrodaten hochgerechnet.

3.5 Alternative Modellierungsansätze

Die OeNB (Kennickell et al., 2021) hat ebenso wie die EZB (2024) Sensitivitätsanalysen mit Bezug auf die DWA durchgeführt. Der oben vorgestellte Modellierungsansatz macht viele explizite und implizite Annahmen notwendig. Es ist vorgesehen, den notwendigen R-Code 14 von der EZB zu Verfügung zu stellen. Alternative Modellannahmen oder -ansätze führen notwendigerweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Alternativen, die in der Literatur diskutiert werden, umfassen beispielsweise die Gewichtungsanpassung für Pareto-Schätzung – anstatt der simulierten neuen vermögenden Haushalte. Diese Alternative macht die zusätzlichen Annahmen bezüglich der Portfolio-Allokation der vermögenden Haushalte obsolet. Ebenso wird ein „Generalized Pareto-Ansatz“ (siehe z. B. Kennickell, 2021) verfolgt, der ohne die Verwendung von Reichenlisten auskommt. Anstatt dieser Listen aus den Medien könnte ebenso an einer Verbesserung der Mikrodaten aus Registerdaten gearbeitet werden.

Anstatt einer proportionalen Angleichung im finalen Schritt wird in der Literatur auch die Verwendung eines Ansatzes der multivariaten Kalibrierung (siehe z. B. Engel et al., 2023), der tendenziell zu höherer Ungleichheit führt, besprochen. Insgesamt ist von künftigen methodischen Weiterentwicklungen auszugehen.

Kasten 1: Modellierungsunterschiede zum internationalen Standard

Nationale Spezifika machen es notwendig, von den vonseiten der EZB und des internationalen Netzwerks erarbeiteten Methoden geringfügig abzuweichen. Um die Vergleichbarkeit mit anderen Ländern und insbesondere mit Deutschland nicht zu beeinträchtigen, stehen diese Spezifika in Abhängigkeit von den Entwicklungen im internationalen Kontext – d. h. von den Modellierungsentscheidungen der anderen Länder. So wurde insbesondere bei den Annahmen zur Portfolio-Allokation der vermögenden Haushalte aus der Schätzung der Pareto-Verteilung auf die Informationen aus Deutschland (Hochvermögenstudie des deutschen SOEP) zurückgegriffen. Diese Informationen – auch in Verwendung bei der Erstellung der DWA in Deutschland – sind aufgrund der ähnlichen wirtschaftlichen Struktur beider Länder der Veröffentlichung in „The Economist“ vorzuziehen. Vergleichbare österreichische Daten gibt es leider nicht. In dem Modellierungsblock zur Pareto-Verteilung der vermögenden Haushalte wird die Annahme zur Obergrenze des Vermögens der simulierten Haushalte explizit mit 500 Mio EUR gesetzt. Die international verwendete implizite Annahme dieses Werts durch die Untergrenze der Reichenliste ist schon allein durch die Verwendung von Intervallen in den für Österreich verwendbaren Reichenlisten nicht möglich.

Im Benutzerdatensatz des HFCS der EZB wird Vermögen, das in Lebensversicherungen gehalten wird, zum Sparguthaben aggregiert. Nationale Information wird zur Trennung und der geeigneten Zuordnung in das Instrument der Lebensversicherung in den Modellierungsschritten verwendet. Eine gesonderte Anpassung von manchen Datenpunkten bei den Sparguthaben wird nicht durchgeführt. Der HFCS bietet bei den Sparguthaben die besten verfügbaren Mikrodaten.

4 Zeitreihen der DWA

Welche Zeitreihen für welche Gruppen in den DWA dargestellt werden, ist Inhalt dieses Kapitels. Die DWA-Daten für Österreich enthalten momentan Quartalsdaten vom vierten Quartal 2010 bis zum zweiten Quartal 2023. Das Startdatum ist international abhängig von der Verfügbarkeit der Mikrodaten. Dies bedeutet für manche Länder, die erst später die Erhebung zu den Finanzen und dem Konsum der privaten Haushalte durchgeführt haben, beginnen die Zeitreihen etwas später. Das Enddatum ist vorgegeben durch die Veröffentlichung der Aggregatsdaten aus der VGR. DWA-Daten werden in Zukunft in jedem Quartal aktualisiert – in der Regel mit einer Verzögerung von rund zwei Quartalen. Die Vermögensbilanz (4.1) wird aufgeteilt in soziodemografische Gruppen (4.2) und erweitert mit Verteilungsinformationen (4.3). 15

4.1 Anlagepositionen

Die DWA liefert umfassende Einblicke in Vermögenspositionen ( Nettovermögen = Bruttovermögen minus Verschuldung ) der privaten Haushalte. Das Bruttovermögen umfasst Immobilien, Spareinlagen, Lebensversicherungen und Finanzanlageprodukte wie festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und Investmentfonds. Auch Unternehmensvermögen 16 wird berücksichtigt. Die Verschuldung teilt sich in besicherte Kredite und andere Verbindlichkeiten.

Bestimmte Vermögensformen wie Krypto-Anlagen, Bargeld und auch Anwartschaften z. B. in Form von zukünftigen (Pensions-)Zahlungen werden aus dem international vereinbarten Vermögenskonzept ausgelassen.

4.2 Gruppenunterteilungen

Aggregats- und Durchschnittswerte pro Kopf und Haushalt werden für verschiedenen Gruppen präsentiert. Kriterien für die Gruppeneinteilung sind Dezile des Nettovermögens (untere 50 % und dann jedes einzelne Dezil von 6–10), Eigentumsverhältnis im Hauptwohnsitz ([Teil-]Eigentümerschaft und Miete [inklusive unentgeltliche Nutzung]), und Beschäftigungsverhältnis (unselbstständig beschäftigt, selbstständig beschäftigt, arbeitslos, [Alters-]Ruhestand und „Sonstiges“ [inklusive simulierter vermögender Haushalte]). Für die Einstufung bezüglich des Beschäftigungsverhältnisses wird der Haushaltsvorstand nach der Canberra-Definition 17 herangezogen.

4.3 Vermögensverteilung

Die DWA bietet Informationen zur Verteilung des Nettovermögens wie Mittelwert, Median, Gini-Koeffizient und Anteile am Nettovermögen der Top-5 %, Top-10 % und die unteren 50 %. Die Schuldenquote wird ebenfalls dargestellt, sowohl allgemein als auch in den Gruppen über Dezile des Nettovermögens. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass intern einige zusätzliche Informationen vorhanden sind. Diese sind jedoch durch die Verwendung des von der EZB zur Verfügung gestellten R-Codes erstellbar.

5 Abschließende Bemerkungen

Mit den DWA ist eine neue Datenquelle verfügbar. Die Erstellung der DWA ist mit zahlreichen Annahmen verbunden. Analysen von Zeitreihen auf Ebene eines Landes können durch die konsistenten Modellierungsansätze der DWA interessante Ergebnisse liefern. Die Integration der DWA in standardmäßige Makromodelle könnte neue Entwicklungen ermöglichen. Bei internationalen Vergleichen ist Vorsicht geboten, da sie stark von länderspezifischen Modellierungsannahmen abhängig sind.

Daten der DWA werden in Form eines Dashboards
benutzerfreundlich zur Verfügung gestellt.

Literaturverzeichnis

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EZB. 2016b. The Eurosystem Household Finance and Consumption Survey: Results of the first wave. ECB Statistics Paper Series 18. April.

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  1. The Fed - Distributional Financial Accounts Overview (federalreserve.gov) . ↩︎

  2. Auch für weitere Länder wie zum Beispiel Kanada, Niederlande, Australien oder Neuseeland liegen ähnliche Informationen vor. ↩︎

  3. Distributional national account estimates for household income and consumption: methodological issues and experimental results - Products Statistical working papers - Eurostat (europa.eu) . ↩︎

  4. Household distributional results in line with national accounts, experimental statistics - OECD. ↩︎

  5. WID.world - WID - World Inequality Database . ↩︎

  6. Wirtschaftsuniversität Wien: Distributional National Accounts (DINA) for Austria - Working Paper Series - Forschung (wu.ac.at) . ↩︎

  7. European system of accounts - ESA 2010 - Transmission programme of data (multilingual) - Products Manuals and Guidelines - Eurostat (europa.eu) . Die gesetzlichen Grundlagen finden sich unter ESVG 2010 (europa.eu) (Europäische Union, 2013). Zum Verständnis siehe auch Understanding Financial Accounts | en | OECD (OECD 2014 und 2017) mit dem Fokus auf die finanziellen Teile der Haushaltsbilanz. ↩︎

  8. Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung - Oesterreichische Nationalbank (OeNB) . Siehe auch Andreasch et al. (2014). ↩︎

  9. std_v_vgr-quartalsrechnung.pdf (statistik.at) und QNA_Inventory_of_Methods_Austria.pdf (statistik.at) . ↩︎

  10. Alle Informationen können auch unter www.hfcs.at abgerufen werden. ↩︎

  11. https://www.trend.at/ . ↩︎

  12. Für versierte Leser:innen wurden die ESA-Codes sowie die Variablennamen der „derived variables“ aus dem HFCS angeführt. Die detaillierte Zuordnung von unternehmerisch genutzten Immobilien und zugehörigen Grundstücken aus der VGR ist in der Dokumentation der EZB (2024) zu finden. Siehe auch Fußnote 16. ↩︎

  13. Die Autoren schreiben z. B. auf S. 74: „Changing the threshold [for modelling the top of the wealth distribution] from EUR 1 million to EUR 2.5 million either increases the top 1% share from about 38% to 48% of net wealth (if we adjust weights) or makes it impossible to run the model at all (if we add wealthy households). […] Thus, a seemingly small change in the internal assumptions used in modeling the top of the distribution has huge implications.“ ↩︎

  14. „R“ ist eine Programmiersprache für die statistische Datenanalyse. ↩︎

  15. Details siehe EZB (2024). ↩︎

  16. Die Vergleichbarkeit der Unternehmensvermögenbestandteile in den Mikro- und Makrodaten ist begrenzt. In den DWA wird zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Unternehmensvermögen unterschieden. Ersteres beinhaltet vor allem nicht börsennotierte Beteiligungen und anderes Beteiligungskapital und zweiteres Immobilien und Grund in der Konzeption der VGR. Details der notwendigen Anpassungsschritte siehe EZB (2024). ↩︎

  17. Canberra Group Handbook on Household Income Statistics - Second Edition (2011) (Canberra Group, Compilation guide, Household income, Income, International Recommendation, UNECE). ↩︎

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