Direktinvestitionen
Unter „Direktinvestitionen“ (DI) versteht man Kapitalanlagen, die ein Investor tätigt, um mit einem Unternehmen in einem anderen Land eine dauernde Wirtschaftsbeziehung herzustellen oder aufrecht zu erhalten, wobei gleichzeitig die Absicht besteht, auf die Geschäftsführung dieser Firma einen spürbaren Einfluss auszuüben. Internationalen Empfehlungen entsprechend muss eine solche Beteiligung mindestens 10 % am stimmberechtigten Kapital betragen, anderenfalls wird sie in der Zahlungsbilanz als „Portfolioinvestition“ oder als „Sonstige Investition“ erfasst.
Man unterscheidet „aktive“ und „passive“ DI: Im ersten Fall beteiligt sich ein Inländer an einem ausländischen Unternehmen, im anderen Fall sind ausländische Investoren an österreichischen Unternehmen beteiligt. Zu beachten ist auch der Unterschied zwischen „Beständen“ und „Flüssen“. Die Direktinvestitionsflüsse werden im Rahmen der Zahlungsbilanzstatistik erhoben und umfassen sämtliche innerhalb eines bestimmten Zeitraums zusätzlich getätigten oder aufgelösten Investitionen; die Direktinvestitionsbestände stellen den Wert der am 31. 12. eines Berichtsjahres bestehenden Direktinvestitionen dar. Beim Direktinvestitionskapital unterscheidet man „Eigenkapital“ und „sonstiges DI-Kapital“, wobei es sich meist um konzerninterne Kredite handelt. In engem sachlichen Zusammenhang stehen auch die „Einkommen aus Direktinvestitionen“, die Teil der Einkommensbilanz sind.
Neben diesen „DI im engeren Sinn“ gibt es Sonderformen von Direktinvestitionen. So gehört auch der Erwerb bzw. Besitz privater Liegenschaften im Ausland definitionsgemäß zu den Direktinvestitionen. Eine zweite Sonderform bilden die „Special Purpose Entities“, Zweckgesellschaften, die zu 100 % in ausländischem Besitz stehen, deren oft erhebliches Vermögen ganz überwiegend in Unternehmensbeteiligungen im Ausland besteht und die in Österreich keine nennenswerten Aktivitäten entfalten. Formal stellen sie gleichzeitig aktive und passive Direktinvestitionen dar, die jedoch als reine „Durchlaufposten“ ebenso wie die privaten Liegenschaften nicht in der detaillierten Direktinvestitionsstatistik enthalten sind. Eingang finden sie hingegen in die Zahlungsbilanzstatistik und in die „Internationale Vermögensposition“, wo diese Sonderformen als gesonderte Positionen gezeigt werden.
Aktive Direktinvestitionen | Passive Direktinvestitionen | |
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2005 | 9.010 | 8.671 |
2006 | 9.496 | 3.790 |
2007 | 26.364 | 18.620 |
2008 | 19.568 | 4.933 |
2009 | 7.917 | 6.672 |
2010 | 7.237 | 1.945 |
2011 | 15.763 | 7.636 |
2012 | 10.203 | 3.105 |
2013 | 11.725 | 4.308 |
2014 | 4.578 | 4.844 |
Mit Einführung des 6. Zahlungsbilanzhandbuches im Lauf des Jahres 2014 gibt es eine zusätzliche Darstellungsform der Direktinvestitionen, nämlich jene nach „Forderungen“ und „Verbindlichkeiten“. Statt „gegenläufige“ Finanzierungen – von Tochtergesellschaften an ihre Mütter – mit den „normalen“ zu saldieren, wie es in der traditionellen Darstellung geschieht, werden nunmehr sämtliche Forderungen bzw. Verbindlichkeiten aus der Sicht Österreichs zu Direktinvestitionsforderungen bzw. Direktinvestitionsverbindlichkeiten aufaddiert.
Woher kommt die Information?
Der Großteil der Direktinvestitionsflüsse wird im Anlassfall, maximal jedoch monatlich, im Rahmen der Zahlungsbilanzstatistik bei den jeweiligen Verursachern erhoben: Hier melden alle österreichischen Investoren bzw. die Empfänger von Direktinvestitionen sämtliche Eigenkapital-, Kredit- und Einkommenstransaktionen mit ihren ausländischen Tochter-, Mutter- oder Schwestergesellschaften.
Die Direktinvestitionsbestände werden im Rahmen von Befragungen erhoben. Zielgruppe sind Unternehmen, die ausländische Eigentümer haben, oder Investoren, die Anteile an Tochterunternehmen im Ausland besitzen. Die Bewertung ergibt sich grundsätzlich aus der Passivseite der Bilanz des Tochterunternehmens (Grundkapital + Rücklagen + Gewinnvorträge + Jahresertrag). Börsennotierte Aktiengesellschaften werden mit ihrem Aktienkurs bewertet. Die privaten Liegenschaftsbestände werden durch die Kumulation von Flüssen ermittelt.
Einen Sonderfall stellen die „reinvestierten Gewinne“ dar. Sie sind eine reine Rechengröße, die sich aus der Differenz zwischen dem Jahresgewinn laut Befragung und den ausgeschütteten Gewinnen ergibt. Sie werden gleichzeitig in der Einkommensbilanz und in der Kapitalbilanz verbucht. Solange das Ergebnis der Jahresbefragung nicht vorliegt, handelt es sich bei diesen Werten um Schätzungen.
Zur Entlastung der Melder kommt seit 1989 eine Erhebungsschwelle zur Anwendung, die im Jahr 2014 auf 500.000 EUR erhöht wurde.
Wo steht Österreich?
Bis zum Ende der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts war Österreich wegen seiner Randlage und der vorwiegend klein- und mittelbetrieblichen Unternehmensstruktur nur in geringem Maße international verflochten. Es gab zwar eine Reihe alteingesessener ausländischer multinationaler Konzerne in Österreich, das aktive Engagement war jedoch außerordentlich gering. Mit der Ostöffnung, dem Beitritt zur Europäischen Union und der Teilnahme an der Währungsunion hat ein grundlegender Wandel eingesetzt. Österreich hat nicht nur die Wellen der Globalisierung mitgemacht, sondern auch seine relative Position verbessert. Heute sind die Unternehmen Österreichs stark mit dem Ausland verflochten, zahlreiche Konzerne haben „regionale Headquarters“ in Österreich angesiedelt und Österreich ist seit 2010 Nettoinvestor: Zum Jahreswechsel 2014/2015 übertrafen die aktiven Direktinvestitionen mit 179 Mrd EUR die passiven Direktinvestitionen (135 Mrd. EUR) deutlich.
Wichtigstes Zielland der heimischen Direktinvestitionen ist Deutschland mit einem Anteil von 14 % am investierten Kapital. Unter den zehn wichtigsten Destinationen sind aber mit der Tschechischen Republik, Rumänien, Russland, Ungarn und der Slowakei fünf Transformationsländer Zentral-, Ost- und Südosteuropas: Dort ist Österreich nach Deutschland und den Niederlanden drittgrößter Investor und beschäftigt mehr als eine halbe Million Menschen. Die passiven Direktinvestitionen sind durch die Dominanz deutscher Investoren gekennzeichnet. 2013 belegte Deutschland mit 29 % des investierten Kapitals mit großem Abstand den ersten Platz; zusammen mit Italien, den USA, der Schweiz und den Niederlanden sind diese fünf Länder für annähernd zwei Drittel der passiven DI verantwortlich.
Wo findet man die Daten?
Aktuelle Globaldaten zu Direktinvestitionsflüssen und den entsprechenden Einkommen werden im Rahmen der quartalsweisen Zahlungsbilanz veröffentlicht. Die korrespondierenden Bestandsdaten werden ebenfalls quartalsweise in der Internationalen Vermögensposition publiziert. Man findet die Daten auf der Website der OeNB unter Zahlungsbilanz und Internationale Vermögensposition.
Detaillierte Direktinvestitionsdaten in einer Gliederung nach Regionen bzw. wirtschaftlichen Aktivitäten sind unter Direktinvestitionen zu finden. Neben Flüssen, Einkommen und Beständen werden dort auch Beschäftigtendaten angeboten.
Einmal jährlich erscheint ein Sonderheft der Reihe Statistiken zu den Direktinvestitionen. Neben einer Beschreibung der wesentlichen Entwicklungen im Berichtsjahr enthält es ein umfangreiches Tabellenset mit einer Darstellung der DI-Bestände nach Regionen und Branchen, nach Bundesländern, Größenklassen und Art des Eigentümers. Zusätzliche Angaben finden sich zur Gewinn- und Verlustrechnung, zu Lizenzerträgen und zum Außenhandel der Direktinvestitionsunternehmen.
Maßgebliche internationale Statistiken zum Thema Direktinvestitionen sind die jährliche Publikation des Internationalen Währungsfonds „Balance of Payments Statistics Yearbook“ (globale Flüsse und Stände), die “International Direct Investment Statistics on CD“ der OECD (Direktinvestitionsströme und -stände der Mitgliedsländer nach Regionen und Branchen), die Datenbank von Eurostat (sehr detaillierte Angaben zu Ständen, Flüssen und Erträgen), sowie der jährlich erscheinende „World Investment Report“ der UNCTAD (weltweite Statistiken mit Schwerpunktthemen).