Trendwende am Immobilienmarkt in Österreich

14.06.2023

Gerhard Fenz, Friedrich Fritzer, Martin Schneider, Karin Wagner

Entgegen jüngsten Zeitungsberichten sehen wir zwar eine Stagnation, aber keinen scharfen Einbruch der Immobilienpreise in Wien und auch in Gesamtösterreich nicht. Eine weitere Stagnation der nominellen Immobilienpreise würde die realen Preise reduzieren und eine bestehende Überbewertung weiter abbauen. 

Nach Jahren starken Anstiegs stagnierten die Wohnimmobilienpreise zuletzt
Nach acht Quartalen mit Zuwächsen von über 10 % weisen die von der OeNB und DSS GmbH/TU Wien erhobenen Daten für das erste Quartal 2023 nur mehr einen Anstieg der Wohnimmobilienpreise in Österreich von 1,1 % im Vorjahresvergleich aus (Abbildung 1). Auch in Wien stagnierten de facto die Preise mit einem Plus von 0,8 %. Bei der kurzfristigen Dynamik – gemessen an den Zuwächsen im Vergleich zum Vorquartal – wurde zum Jahresende 2022 erstmals seit mehreren Jahren ein Rückgang verzeichnet 2,0 %); im ersten Quartal stagnierten die Preise auf dem Vorquartalniveau (–0,4 %). Die Entwicklung in Wien verlief sehr ähnlich. Ein stärkerer Einbruch der Preise, wie er zuletzt von Bloomberg für Wien konstatiert wurde, lässt sich anhand der OeNB-Daten nicht nachvollziehen.1

Zwischen dem ersten Quartal 2005 und dem ersten Quartal 2023 haben sich die Immobilienpreise In Österreich mehr als verdoppelt (+163 %). Der Anstieg war stärker als im Euroraum (60 %) oder in Deutschland (96 %) und fast dreimal so hoch wie jener des HVPI (56 %), aber auch stärker als jener der Wohnbaukredite der Haushalte (130 %).

International vergleichbare Daten für das Niveau der Immobilienpreise sind leider nicht verfügbar bzw. erscheinen vorliegende Daten wenig zuverlässig. Am ehesten dürften die Immobilienpreise großer Städte miteinander vergleichbar sein. Hier liegt Wien gemäß Transaktionspreisdaten von Deloitte im Jahr 2021 im internationalen Vergleich im Mittelfeld.2 (Wien: 5.248 EUR/m2, Berlin: 6.200 EUR/m2 (Angebotspreis), Brüssel: 3.650 EUR/m2, Madrid: 4.889 EUR/m2, London: 7.916 EUR/m2, Paris: 12.917 EUR/m2)

Wir bedauern. Ihre Browserversion wird leider nicht unterstützt. Zur Ansicht dieser Funktion benötigen Sie eine neuere Browserversion oder einen anderen Browser.


Österreich hat eine niedrige Eigentumsquote, die über die Zeit weiter sinkt
Seit 2010 ist die Eigentumsquote österreichweit von 50,2 % auf 47,9 % im Jahr 2021 zurückgegangen und die Mietquote von 41,2 % auf 42,9 % leicht gestiegen, wobei es deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt. Während in Wien – historisch bedingt – 81 % der Haushalte (Hauptwohnsitzunterkünfte) in Miete wohnen, liegt im Burgenland die Eigentumsquote bei fast 70 % und dominiert das Haus als Wohnform. In der EU ist die Eigentumsquote mit 70 % deutlich höher, in Deutschland mit 46,7 % fast ähnlich niedrig wie in Österreich.

Mieten langfristig deutlich schwächer gestiegen als Immobilienpreise, Preisdynamik hat sich zuletzt abgeschwächt
Im vierten Quartal 2022 sind die Wohnkosten laut Mikrozensus-Wohnungserhebung (Nettomiete pro m2) im Österreichdurchschnitt um 6,8 % (gegenüber dem Vorjahresquartal) gestiegen, in Wien war der Anstieg mit 8,5 % stärker.3 Diese Jahressteigerungsraten liegen über dem langfristigen Durchschnitt seit 2005 (AT: 3,2 %; Wien: 3,4 %).

Rezentere Informationen zur Entwicklung der Mietpreise sind nur im Verbraucherpreisindex enthalten. Im April 2023 waren Wohnungsmieten laut VPI für Gesamtösterreich um 7,0 % teurer als ein Jahr zuvor, wobei die Neuvermietungen mit 2,9 % deutlich schwächer anstiegen. Das deutet darauf hin, dass sich die Preisentwicklung am Mietmarkt zwar etwas einbremst, aber Mieten nach wie vor steigen.

Im langfristigen Vergleich stiegen die Immobilienpreise deutlich stärker als die Nettomieten laut Mikrozensus. Im Österreichdurchschnitt lagen die Immobilienpreise vom ersten Quartal 2023 um 163 % höher als im ersten Quartal 2005, während die Immobilienpreise in Wien in diesem Zeitraum um 210 % anstiegen. Die Nettomieten laut Mikrozensus verteuerten sich vom ersten Quartal 2005 bis zum vierten Quartal 2022 im Österreichdurchschnitt um 74 % sowie in Wien um 89 %.

Leistbarkeit zuletzt deutlich zurückgegangen und unter dem langjährigen Durchschnitt
In den vergangenen 17 Jahren (2005 bis 2022) sind die realen Immobilienpreise um 74 % gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind die real verfügbaren Haushaltseinkommen pro Kopf um 2 % gestiegen.

Wir bedauern. Ihre Browserversion wird leider nicht unterstützt. Zur Ansicht dieser Funktion benötigen Sie eine neuere Browserversion oder einen anderen Browser.


Die Leistbarkeit von Immobilien wird neben Preisen und Einkommen wesentlich von den Zinsen bestimmt. Ein Leistbarkeitsindikator, der auch die Zinsentwicklung mitberücksichtigt zeigt, dass sich die Leistbarkeit seit 2005 stabil entwickelt hat und Ende 2019 nur etwas mehr als 10 % unter dem Höhepunkt im Jahr 2010 lag (Abbildung 2). Seither hat sich die Leistbarkeit jedoch aufgrund weiter gestiegener Immobilienpreise und höherer Zinsen deutlich verschlechtert und lag im ersten Quartal 2023 um 29 % unter dem Wert für das Jahr 2019.

Allein im ersten Quartal 2023 ist die Leistbarkeit aufgrund der Zinsanstiege trotz leicht gesunkener Immobilienpreise gegenüber dem Vorquartal um 7 % gesunken. Damit liegt die Leistbarkeit um 28 % unter dem Durchschnitt der Jahre 1995 bis 2022.

Rückläufige Überbewertung der Immobilienpreise in Österreich
Die Überbewertung anhand des OeNB-Fundamentalpreisindikators hat sich in den vergangenen Quartalen vor allem aufgrund der stark rückläufigen realen Immobilienpreise zurückgebildet und lag im ersten Quartal 2023 österreichweit bei 29 % (Q2/2022: 37 %). Für Wien lag der Indikator im ersten Quartal bei 37 % (Q2/2022: 43 %).

Im Vergleich mit anderen Euroraumländern liegt Österreich lt. Überbewertungsindikator der EZB weiterhin an der Spitze von 13 Ländern, für die Daten vorliegen. Österreich liegt um 5 Prozentpunkte über Deutschland und um 18 Prozentpunkte über dem ungewichteten Durchschnitt der restlichen 12 Länder.

Ausgeprägter Wohnbauzyklus geht zu Ende – weniger Neubauten in den kommenden Jahren
In Österreich ist das Auslaufen eines ausgeprägten Wohnbauzyklus zu beobachten. Der Höhepunkt wurde 2021 mit 71.200 fertiggestellten Wohnungen erreicht. Dies hat – in Kombination mit einem sich abschwächenden Bevölkerungswachstum – dazu geführt, dass sich der zuvor herrschende Wohnungsmangel abgebaut hat und sich der österreichische Wohnimmobilienmarkt im Jahr 2021 mit einem leichten Überangebot von 15.000 Wohnungen weitgehend im Gleichgewicht befand.

Eine Prognose auf Basis der Baubewilligungen lässt für die Jahre 2022–2024 einen Rückgang der Fertigstellungen auf 59.000, 57.000 und 43.000 erwarten. Im Jahr 2022 wurde durch die Zuwanderung aus der Ukraine mit +125.800 Personen das stärkste Bevölkerungswachstum in der zweiten Republik verzeichnet. Dies hat dazu geführt, dass der sinkende Trend der Anzahl der Haushalte (und damit der Wohnungsnachfrage) im Jahr 2022 unterbrochen wurde. Ab 2023 rechnet Statistik Austria mit einem sich weiter abschwächenden Bevölkerungswachstum. In Summe wird sich die Relation von Angebot und Nachfrage am österreichischen Wohnimmobilienmarkt in den Jahren 2023 und 2024 nicht verändern.

Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten ist durch die Zinsanhebungen und die Verschärfungen der Kreditvergaberichtlinien unter Druck gekommen. Das Volumen der neu vergebenen Wohnbaukredite ist seit Juli 2022 deutlich zurückgegangen und lag im März 2023 um 62 % unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Der Anteil an verkauften Objekten (in Prozent der angebotenen Immobilien) war sowohl bei Häusern als auch bei Wohnungen seit dem zweiten Halbjahr 2022 deutlich rückläufig.

Nur ein Drittel der privaten Haushalte ist verschuldet; Hypothekarschulden bei einkommensstarken Haushalten konzentriert
Daten des Houshold Finance and Consumption Survey (HFCS) zeigen, dass mehr als zwei Drittel der österreichischen Haushalte (67,3 %) keine Schulden haben. Der Mittelwert der Haushalte mit Schulden beträgt ca. 57.000 EUR. Bei niedrigen Verbindlichkeiten handelt es sich in erster Linie um unbesicherte Kredite oder in wenigen Fällen um fast abbezahlte besicherte Kredite. Hohe Schuldenbeträge spiegeln hauptsächlich Hypothekendarlehen in verschiedenen Phasen der Rückzahlung wider und konzentrieren sich auf einkommensstarke Haushalte. 28 % der einkommensstärksten Haushalte (oberstes Einkommensquartil) haben ausstehende Hypothekarkredite, aber nur 5 % der einkommensschwachen Haushalte (unterstes Einkommensquartil).

Hohe Risikotragfähigkeit der Haushalte im Ländervergleich
Österreich weist im internationalen Vergleich sowohl eine niedrige Debt-to-Income Ratio (AT: 34 %, EA: 71 %, DE: 45 %) als auch eine niedrige Debt-Service-to Income Ratio (AT: 7,6 %, EA: 13,4, DE: 9,7) aus.

Der IWF (2023) stellt fest, dass der Anteil vulnerabler Haushalte (Haushalte, bei denen Basiszahlungen inkl. Haus-/Betriebskosten und Kreditrückzahlungen mehr als 70 % des Einkommens ausmachen) in Österreich besonders niedrig ist. Mit einem Anteil von rund 20 % beim Quantil mit niedrigen Einkommen und nahezu null beim mittleren und hohen Einkommensquantil zählt Österreich bei allen Einkommensklassen zu den stabilsten Ländern in Europa. Die hohe Schuldentragfähigkeit der einkommensstärksten Haushalte, die die überwiegende Mehrheit der Wohnbaukredite in Österreich halten, signalisiert eine geringe Gefahr stark steigender Kreditausfallraten bzw. lässt auch in Krisenzeiten im Vergleich zu anderen Ländern ein starkes Ansteigen von Notverkäufen als unwahrscheinlich erscheinen.

Schlussfolgerungen

  • Die Immobilienpreise in Österreich haben laut aktuellen Zahlen der OeNB/DSS GmbH in den vergangenen Monaten stagniert, stärkere Rückgänge wurden keine verzeichnet.
  • Gemessen an makroökonomischen Fundamentalfaktoren wie Einkommen, Zinsen oder Mietpreisen sind die Immobilienpreise in Österreich nach Analyse der OeNB um knapp 30 % überbewertet. Die weitere Entwicklung der Immobilienpreise ist angesichts der hohen Inflation, der geldpolitischen Straffung und großer Konjunkturrisiken mit hoher Unsicherheit behaftet.
  • Weitere leichte Preisrückgänge sind nicht auszuschließen, die Gefahr von plötzlichen starken Preiskorrekturen wird gegenwärtig aber als eher gering eingeschätzt. Dagegen spricht die solide Gläubigerstruktur bei den vergebenen Wohnbaukrediten, die auf eine geringe Gefahr stark steigender Kreditausfallraten hindeutet und Notverkäufe als unwahrscheinlich erscheinen lässt. Gegen stark sinkende Preise spricht auch die rückläufige Bautätigkeit, die mittelfristig die Angebotsdynamik dämpfen wird. Dies wird durch den Rückgang der Neukreditvergaben unterstrichen. Weiters steigen auch die Mieten aktuell weiter an, auch wenn sich die Preisdynamik zuletzt abgeschwächt hat. Schließlich liegt das Preisniveau der Immobilien in Österreich im internationalen Vergleich „nur“ im Mittelfeld.
  • Eine Entwicklung wie zu Beginn der 90er Jahre, als nach einem starken Anstieg der Immobilienpreise eine längere Phase stagnierender nomineller Preise einsetzte, erscheint aktuell nicht unwahrscheinlich. Real würde dies aber angesichts der aktuell hohen Inflation ein Sinken der Immobilienpreise in Österreich implizieren.

[1] Der Artikel von Bloomberg „Wien wird zum Epizentrum der Immobilienkrise in Europa“ vom 19.5.2023 zitiert 12,2 % Rückgang beim Quadratmeterpreis in Wien. Der internationale Vergleich basiert auf einer Datenbasis, bei der für die erwähnten Länder unterschiedliche Datenquellen herangezogen wurden, für Wien Daten von www.immopreise.at, die ausschließlich Angebotspreise von STANDARD Immobilien (nicht repräsentativ) verwenden. Der Index der OeNB/DSS GmbH/TU Wien basiert auf Transaktionsdaten UND Angebotsdaten.

[2] Immobilienpreise von Deloitte für Gesamtösterreich zeichnen ein anderes Bild. Lag Österreich vor zehn Jahren beim Preisniveau noch im unteren Mittelfeld, ist es im Jahr 2021 unter den Hochpreisländern.

[3] Wohnkosten nach Bundesländern werden im Mikrozensus erhoben.