Bargeld immer noch gefragt, kontaktlose Kartenzahlungen auf dem Vormarsch
Christiane Dorfmeister, Dominik Höpperger, Andrea Pölzlbauer, Codruta RusuOeNB-Studie liefert neue Erkenntnisse über Zahlungsverhalten während COVID-19-Pandemie
Hat die COVID-19-Pandemie zu einer drastischen Änderung des Zahlungsverhaltens der Österreicherinnen und Österreicher geführt?
Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Neuauflage einer OeNB-Studie aus dem Jahr 2016, in der das Zahlungsverhalten der Österreicherinnen und Österreicher erneut untersucht wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass Bargeld zwar immer noch das beliebteste Zahlungsmittel am POS (Point of Sale) in Österreich bleibt, aber auch, dass vor allem kontaktlose Kartenzahlungen massiv an Bedeutung gewonnen haben. Die COVID-19-Pandemie hat den Trend zu unbaren Zahlungsmitteln noch beschleunigt.
Allgemeines zur Zahlungsmittelumfrage 2020
Im Rahmen des OeNB-Barometers ließ die OeNB bereits zum fünften Mal durch das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) eine österreichweite Umfrage zum Zahlungsverhalten privater Haushalte (Frauen und Männer ab dem 15. Lebensjahr) durchführen. Die Studie besteht aus zwei Teilen: einem Fragebogen zum Zahlungsverhalten (Teil 1) und einem Zahlungstagebuch (Teil 2). Die Feldphase erstreckte sich mit Unterbrechungen von Anfang September 2020 bis April 2021. Die Ergebnisse sind repräsentativ in Bezug auf Alter, Geschlecht und Bundesland für das Zahlungsverhalten der in Österreich lebenden Personen. Insgesamt wurden 2.552 Personen befragt, wovon knapp die Hälfte (1.260) das Zahlungstagebuch für sieben Tage ausgefüllt hat.
Anmerkungen zur Methode
Wie und wann wurde die Befragung durchgeführt?
Die Anfang September 2020 gestartete Feldphase musste aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie-bedingten Lockdowns ab Mitte November 2020 unterbrochen werden. Um mögliche Verzerrungen im Zahlungsverhalten durch das Weihnachtsgeschäft zu vermeiden, wurden die Interviews im Dezember 2020 weiter ausgesetzt und erst Ende Februar 2021 wieder fortgeführt.
Angesichts der Kontaktbeschränkungen ab Mitte November 2020 sowie steigender Infektionszahlen in Österreich war ein Durchführen von Face-to-Face-Interviews für einen stabilen Zeitraum nicht absehbar. Daher wurde ab Februar 2021 die Methodik geändert und die Daten mittels telefonischer Befragungen mit anschließender postalischer Zusendung der Tagebücher erhoben. Die Änderung der Methodik kann Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse haben, wozu weitere Untersuchungen erforderlich sind.
Die OeNB führte zusätzlich zu halbjährlichen Befragungen zum Thema Bargeld eigene Zahlungstagebuch-Umfragen in den Jahren 1996, 2000, 2005, 2011 und 2016 durch. In den Jahren 2016 und 2019 hat sich die OeNB für eine Teilnahme an einer EZB-Erhebung mit einer verkürzten Tagebuchverweildauer bei den Probandinnen bzw. Probanden entschlossen.
Im ersten Teil der hier vorgestellten Studie wurde im Rahmen von persönlichen Befragungen an der Haushaltsadresse spezifische Fragestellungen erhoben, u. a. im Hinblick auf die COVID-19-Situation zur Verwendung von Bargeld und Karten, zur Nutzung von neuen Zahlungstechnologien und zur jeweiligen Einstellung dazu, zu Einstellungen zu und der Akzeptanz von Zahlungsmitteln und zur Bargeldhaltung im Kontext des Zahlungstagebuchs (Teil 2). Im Anschluss an die Befragung wurde den Teilnehmerinnen bzw. den Teilnehmern das Zahlungstagebuch (Selbstausfüll-Fragebogen über Bar-, Karten-, Kontaktlos- und E-Commerce-Zahlungen) zur Aufzeichnung aller Zahlungstransaktionen innerhalb von sieben Tagen übergeben, das nach Ablauf einer Woche retourniert werden sollte.
Welche Zahlungen wurden erfasst?
Die Anteile der einzelnen Zahlungsinstrumente in dieser Studie beziehen sich auf die im Tagebuch erfassten Einkäufe am sogenannten Point of Interaction (POI), d. h. auf den Ort, an dem Waren oder Dienstleistungen gekauft und bezahlt werden. Überwiegend handelt es sich dabei um Ladenkassen (Point of Sale – POS). Es können aber auch andere Orte sein, wenn z. B. Handwerkerleistungen in Privathaushalten, Person-to-Person-Zahlungen (z. B. Taschengeld, Flohmarkt) oder etwa Einkäufe im Online- und Versandhandel getätigt werden. Nicht im Tagebuch erfasst werden regelmäßig wiederkehrende Zahlungen, die im Allgemeinen abgebucht oder (per Dauerauftrag) überwiesen werden (z. B. Miete, Versicherungen, Darlehensrückzahlungen, Abonnements, Sparen).
Überblick zum Fragebogen |
|||
Durchgeführte Interviews: |
2.552 befragte Personen 1.744 Face-to-Face-Interviews (2020) 808 Telefoninterviews (2021) |
||
Anzahl der ausgefüllten Tagebücher: |
1.260 Stück Herbst 2020: 724 Stück Frühjahr 2021: 536 Stück |
||
Ø Transaktionsanzahl pro Person pro Woche: | 10,58 | ||
Ø Transaktionsanzahl pro Person pro Tag: | 1,51 | ||
Durchschnittsbetrag pro Transaktion: | 38,86 EUR | ||
Hauptergebnisse
Bedeutung der COVID-19-Pandemie
Die Interpretation der Ergebnisse der Zahlungsmittelstudie 2020/2021 muss jedenfalls vor dem Hintergrund des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Maßnahmen erfolgen. Laut der jüngsten Konsumerhebung von Statistik Austria1 sind die Konsumausgaben im Zeitraum März bis Juni 2020 um 13,5 % niedriger als im Jahresdurchschnitt. Betroffen davon waren erwartungsgemäß vor allem jene Sektoren, die aufgrund der COVID-19-Maßnahmen ihre Geschäftstätigkeit vorübergehend einstellen mussten: Gastronomie (–55,9 %), Geschäfte für Bekleidung (–30,3 %), Ausgaben für Dienstleistungen und Mobilität wie für Sport-, Kultur- oder Freizeitveranstaltungen (‑41,4 %), Körper- und Schönheitspflege (–38,7 %) und Treibstoff (–32,5 %). Insgesamt brach laut OeNB-Prognose der private Konsum im vergangenen Jahr massiv um 9,4 %2 ein. Unter den genannten betroffenen Branchen ist in der Gastronomie, dem Bekleidungs- und auch im Freizeit- und Kultursektor die Bargeldnutzung verhältnismäßig sehr hoch.
Rund ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher gibt außerdem an, während der COVID-19-Pandemie weniger Bargeld verwendet zu haben. Die überwiegende Mehrheit davon beabsichtigt, dies auch nach Ende der COVID-19-Krise beizubehalten. Dabei waren schriftliche Hinweise an der Kassa, Durchsagen im Supermarkt oder Medienberichte bzw. andere Informationshinweise für rund ein Fünftel der Befragten ausschlaggebend, öfter ein anderes Zahlungsmittel verwendet zu haben.
Rückgang der Kleinbetragszahlungen
Trotz eingeschränkter Konsummöglichkeiten während der Lockdowns wurden 84 % aller Zahlungen am POS getätigt. Die Befragten wickelten 6 % der Zahlungen online und weniger als 1 % via Telefon ab.
Den Empfehlungen der Regierung, möglichst viele Kontakte zum Schutz vor Infektionen einzuschränken, ist die Bevölkerung nachgekommen. Dies zeigt sich bei der Anzahl der getätigten Kleinbetragszahlungen. Waren 2019 noch 40 % aller Transaktionen am POS unter 10 EUR, ist dieser Anteil im Jahr 2020 auf 33 % gesunken. Der Anteil der Transaktionen zwischen 10 EUR und 50 EUR stieg während der Pandemie um
sechs Prozentpunkte auf 51 % an. Dies lässt vermuten, dass mehrere Kleinbetragszahlungen gesammelt erledigt wurden, um seltener den Handel aufsuchen zu müssen.
Ein ergänzender Treiber für den Anstieg der Transaktionen bis 50 EUR war mitunter auch der Beschluss der österreichischen Banken, gemeinsam mit der Wirtschaftskammer den Grenzwert für kontaktlose Kartenzahlungen ohne PIN-Eingabe von 25 EUR auf 50 EUR anzuheben.
Zahlungsmittelnutzung am POS
Mit rund 66 % aller Transaktionen am POS ist die Bargeldnutzung – verstärkt durch die Effekte der Pandemie – zwar signifikant um 13 Prozentpunkte im Vergleich zu 20193 zurückgegangen, Bargeld bleibt aber trotz einem sehr hohen Zahlungskartenbesitz (97 %) weiterhin das beliebteste Zahlungsmittel der in Österreich lebenden Menschen. Auch als Anteil am Gesamtwert der Transaktionen am POS ist die Verminderung auf 51 %, ausgehend von einem Wert von 58 % im Jahr 2019, signifikant.
Insgesamt scheint die Pandemie den Trend zu Kartenzahlungen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern beschleunigt zu haben. Transaktionen mit Debitkarten verzeichnen im Vergleich zu 2019 einen anteilsmäßigen Zuwachs von 10 Prozentpunkten auf 27 %; mit Kreditkarten wurden dagegen lediglich 2 % der Zahlungen abgewickelt. Im Gegensatz zu Bargeld steigen diese Anteile dabei mit zunehmender Betragsgröße sowie mit zunehmendem Haushaltseinkommen.
Andere unbare Zahlungsmittel kommen am POS dagegen kaum zum Einsatz. So wurden lediglich 0,7 % der Transaktionen mit dem Mobiltelefon (z. B. Apple Pay, Blue Code) bezahlt. Erwartungsgemäß ist dieser Anteil bei den unter 30-Jährigen am höchsten und sinkt mit zunehmendem Alter.
Baranteil nimmt mit zunehmender Betragsgröße ab
Mit zunehmender Betragsgröße nimmt der Bargeldanteil ab. Bei 80 % der Zahlungen unter 10 EUR verwenden die Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich Banknoten und Münzen. Bei einem Betrag von 50 EUR bis 100 EUR bevorzugen nur mehr 42 % Bargeld; hier greifen die in Österreich Lebenden lieber zur Debitkarte. Die Kreditkarte kommt mit 5 % am ehesten bei Zahlungen über 100 EUR zum Einsatz.
Bargeldintensive Branchen von COVID-19-Maßnahmen besonders stark betroffen
Laut eigenen Angaben zahlen 71 % der Befragten in Gasthäusern/Restaurants ausschließlich (45 %) bzw. hauptsächlich (26 %) bar. Diese Eigeneinschätzung wurde anhand der aufgezeichneten Transaktionen im Zahlungstagebuch bestätigt bzw. noch weiter übertroffen. 83 % der durchgeführten Transaktionen in Gasthäusern/Restaurants wurden mit Banknoten und Münzen beglichen. Ebendiese Branchen waren während der Umfrage jedoch stark von Lockdowns betroffen. Zu Beginn der Pandemie brachen die Ausgaben in Restaurants (–63 %), Cafés (–71 %) und Fast-Food-Lokalen (52,6 %) massiv ein.4
Pandemiebedingte Stärkung des Online-Handels
Bereits seit einigen Jahren nimmt der Online-Handel kontinuierlich zu. Dieser Trend hat sich auch aufgrund der eingeschränkten Konsummöglichkeiten während der Lockdown-Phasen weiter fortgesetzt.
In der aktuellen Umfrage geben rund 62 % der Befragten an, in den letzten 12 Monaten etwas im Internet gekauft oder bezahlt zu haben. Darüber hinaus bestätigt fast ein Drittel der Befragten, seit Beginn der Pandemie deutlich (11 %) oder etwas (19 %) mehr im Internet eingekauft zu haben; der erste Online-Kauf war es allerdings nur für knapp 1 %. Etwa die Hälfte (48 %) gibt an, ihr Online-Kaufverhalten nicht verändert zu haben.
Als anteilsmäßig häufigstes Zahlungsmittel kommen bei Online-Transaktionen Überweisungen (31 %) bzw. Internetbezahlverfahren (25 %) wie z. B. PayPal und Klarna zum Einsatz. Rund ein Fünftel der Online-Transaktionen wurden mit Kreditkarten (15 %) oder Debitkarten (6 %) abgewickelt, gefolgt von Lastschriftverfahren mit einem Anteil von 11 %. Bei immerhin 5 % der Bestellungen zahlten die Befragten bar, etwa via Nachnahme bei Lieferung der Ware.
Bargeld steht in Österreich nach wie vor hoch im Kurs
Verglichen mit OeNB-Umfrageergebnissen von 2018 (70 %) nimmt die Bedeutung von Bargeld in Österreich für die Bevölkerung leicht ab; allerdings will ganz ohne Bargeld – wie etwa in Schweden – auch niemand leben. Der Anteil jener, die sich für die Erhaltung von Bargeld in seiner derzeitigen Form aussprechen, ist weiterhin hoch (65 %) und hat sich auch durch COVID-19 kaum verändert.
Waren es zu Beginn der Pandemie 58 % der in Österreich Lebenden, die sich wünschen, dass Bargeld seine „derzeitige Bedeutung“ beibehält, stieg dieser Anteil sechs Monate später wieder knapp auf das Niveau vor der Pandemie (2. HJ 2019: 67 %).
Ausblick: Wie nachhaltig ist der Rückgang des Baranteils?
Fast ein Viertel der Befragten, die angaben, aufgrund von COVID-19 weniger Bargeld verwendet zu haben, beabsichtigen, dies auch nach dem Ende der Pandemie so beizubehalten. Inwieweit die während der Pandemie manifestierten Zahlungsgewohnheiten der Bevölkerung am POS oder im Onlinehandel langfristig und nachhaltig den Bezahlhabitus verändern werden, wird sich erst mit ganzheitlichen Lockerungen (Hygienemaßnahmen, Reiseeinschränkungen etc.) und einer langsamen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Normalisierung im Alltag auf Konsumseite, aber auch durch das zukünftige digitale Angebot auf Unternehmensseite zeigen.
Die Prognose der OeNB für Österreich für 2021 bis 20232 rechnet infolge der Öffnungsschritte seit Mai 2021 ab Jahresmitte 2021 mit einem starken Aufschwung der österreichischen Wirtschaft und damit einhergehend mit einer starken Erholung des privaten Konsums. Das Vorkrisenniveau wird jedoch voraussichtlich erst im ersten Halbjahr 2022 erreicht werden. Die OeNB beabsichtigt, die Entwicklung des Zahlungsverhaltens in Österreich in den nächsten Jahren in regelmäßigen Abständen zu evaluieren.
1 PA Statistik Austria 127/21 vom 1.6.2021
2 Gesamtwirtschaftliche Prognose der OeNB für die Jahre 2021–2023.
3 EZB Studie 2019 Study on the payment attitudes of consumers in the euro area (europa.eu) (SPACE)
4 PA Statistik Austria 127/21 vom 1.6.2021