Herausforderungen für das österreichische Finanzsystem bleiben bestehen
(, Wien)Präsentation des 27. Financial Stability Report der Oesterreichischen Nationalbank
Die Entspannung auf den internationalen Finanzmärkten setzte sich in der ersten Hälfte dieses Jahres weiter fort. Die Staatsschuldenkrise klang weiter ab, was in rückläufigen Renditeaufschlägen zum Ausdruck kam. „Dies ging zum einen auf die Reformbemühungen der EU-Länder zurück, die unter anderem in der Beendigung der Finanzhilfeprogramme für Irland, Spanien und Portugal ihren Ausdruck fanden. Zum anderen trugen dazu die außerordentlichen Maßnahmen der Zentralbanken und die Fortschritte bei der Etablierung des einheitlichen Aufsichts- und Abwicklungsmechanismus im Euroraum bei. Dennoch blieb bis zuletzt eine erhebliche Fragmentierung der Kreditmärkte im Euroraum bestehen“, sagte Gouverneur Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny anlässlich der Präsentation der 27. Ausgabe des Financial Stability Reports der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).
Vor diesem Hintergrund beschloss das Eurosystem im Juni, seine Leitzinsen weiter zu senken. Mit den sogenannten „gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften“ wurde ein
neues geldpolitisches Instrument geschaffen, das der nach wie vor bestehenden Fragmentierung des Kreditmarkts im Euroraum entgegenwirken soll. Konkret wird die Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte (mit Ausnahme von Wohnbaukrediten an private Haushalte) weiter vergünstigt werden. Das ist insbesondere für jene Länder von Relevanz, die schon längere Zeit eine rückläufige Entwicklung der Kredite zu verzeichnen hatten.
Der Mitte letzten Jahres einsetzende moderate Aufschwung der österreichischen Wirtschaft schlug sich in einer leichten Erholung der Unternehmensgewinne nieder, was gemeinsam mit rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen den Außenfinanzierungbedarf des Unternehmenssektors dämpfte. Die Kreditaufnahme der heimischen Unternehmen gestaltete sich verhalten, das Kreditwachstum im Jahresabstand blieb jedoch bis zuletzt positiv. Der Eigenkapitalanteil der Unternehmen stieg im Jahr 2013 leicht an und sorgte gemeinsam mit den aktuell niedrigen Zinsen dafür, dass sich die Schuldentragfähigkeit leicht erhöhte. Die Ausweitung der Kredite an private Haushalte blieb ebenfalls verhalten und wurde maßgeblich von Wohnraumfinanzierungen getragen. Diese erfolgen mittlerweile vornehmlich in Euro, da die Neuvergabe von Fremdwährungskrediten auch 2013 gering ausfiel. Allerdings bleibt der Bestand an Fremdwährungskrediten weiterhin ein wesentliches Risiko sowohl für die privaten Haushalte als auch für die österreichischen Banken.
Die Profitabilität des konsolidierten österreichischen Bankensystems stand weiter im Jahr 2013 unter Druck. Erstmals in der jüngeren Geschichte verzeichneten die Banken 2013 ein negatives Jahresergebnis. Das operative Geschäft war weiterhin von einer vergleichsweise hohen Aufwand-Ertrag-Relation, auch aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsmarge, geprägt. Darüber hinaus wurde das Ergebnis durch Firmenwertabschreibungen bei Tochterbanken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE) sowie durch Verluste bei der Hypo Alpe Adria belastet.
Die österreichischen Banken erwirtschafteten im Jahr 2013 in CESEE insgesamt betrachtet weiterhin Gewinne, allerdings wurden diese nahezu zur Gänze von Firmenwertabschreibungen erodiert. Gleichzeitig konzentrierten sich die Gewinne auf wenige, jedoch sehr profitable Länder, was eine erhöhte Anfälligkeit der Banken für negative Entwicklungen in diesen Märkten impliziert. Die österreichischen Tochterbanken waren auch 2013 mit einer weiteren Verschlechterung der Kreditqualität in einigen Ländern konfrontiert.
Die Eigenmittelausstattung des österreichischen Bankensystems hat sich sowohl durch Kapitalerhöhungen als auch durch eine Reduktion der risikogewichteten Aktiva weiter verbessert. Im Jahr 2013 stieg die aggregierte Tier 1-Quote von 11,0 % auf 11,9 %. „Dennoch sind die österreichischen Banken im internationalen Vergleich nach wie vor unterdurchschnittlich kapitalisiert“, hielt Vize-Gouverneur Mag. Andreas Ittner fest. Um die Profitabilität und die interne Kapitalgenerierungsfähigkeit des österreichischen Bankensektors zu stärken, sollten Banken ihre Kostenstruktur weiter verbessern und die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle weiter stärken.
In Österreich wurde mit Beginn des Jahres 2014 die neue makroprudenzielle Aufsicht zur Stärkung der Finanzmarktstabilität eingeführt. Diese sieht die Möglichkeit des Einsatzes von Instrumenten zur Adressierung systemischer Risiken im Bankensektor vor. Im Zuge dieser Neuerung wurden auch die Finanzmarktstabilitätsaufgaben der OeNB erheblich ausgeweitet: Sie muss neben der laufenden Analyse von Entwicklungen am Finanzmarkt und dem Hinweis auf Systemrisiken nun auch Empfehlungen abgeben und Gutachten für den Einsatz konkreter Aufsichtsmaßnahmen erstellen.
Auf europäischer Ebene führt die EZB gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden – noch bevor der einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) im November dieses Jahres in Kraft tritt – eine umfassende Prüfung der Qualität der Aktiva (Asset Quality Review) und einen darauf aufbauenden Stresstest bei signifikanten Bankengruppen durch, darunter sechs Institute aus Österreich. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Transparenz bzw. die Vertrauensbildung gegenüber dem Bankensektor zu erhöhen.
Der halbjährlich in englischer Sprache erscheinende Financial Stability Report der OeNB enthält regelmäßige Analysen finanzmarktstabilitätsrelevanter Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld. Daneben werden im Rahmen von Schwerpunktartikeln auch Spezialthemen behandelt, die im Zusammenhang mit der Stabilität der Finanzmärkte stehen. In der aktuellen Ausgabe sind dies: die Implikationen eines Deleveraging der Banken im Euroraum und speziell in Österreich; die makrofinanziellen Entwicklung in der Ukraine, Russland und der Türkei; die Entwicklung der Kapitalmärkte in CESEE; der gesetzliche und institutionelle Rahmen der makroprudenziellen Aufsicht in Österreich und in der EU sowie die Integration von Mikrodaten in die makroprudenzielle Analyse der Risikotragfähigkeit der privaten Haushalte.