Wöchentlicher BIP-Indikator der OeNB
15.06.2022Vorläufig letzte Berechnung des wöchentlichen OeNB BIP-Indikators: Leichte Beschleunigung der Konjunkturdynamik
Die vorläufig letzte Berechnung des wöchentlichen OeNB BIP-Indikators zeigt, dass die Wirtschaftsleistung in Österreich in den vergangenen vier Kalenderwochen 18 bis 21/2022 (2. bis 29.5.2022) durchschnittlich um 0,7% über den Werten der entsprechenden Vorkrisenwochen lag. Dabei hat sich die Konjunkturdynamik in diesem Zeitraum von Woche zu Woche schrittweise verbessert. Noch lässt sich aber seriöser Weise nicht abschätzen, ob dies – nach der konjunkturellen Seitwärtsbewegung, die mit Ausbruch des Ukrainekriegs eingesetzt hat – eine nachhaltige Trendwende darstellt. Der wöchentliche BIP-Indikator der OeNB wird über den Sommer nicht weiter fortgeführt. Bis zum Herbst ist geplant, die Informationen der neuen hochfrequenten Echtzeitindikatoren, die der Berechnung des wöchentlichen Indikators zugrunde liegen, in einen neuen quartalsweisen Konjunkturindikator einzubinden.
Zur schrittweisen Verbesserung der Konjunkturdynamik während der vergangenen Wochen haben alle wichtigen nachfrageseitigen Komponenten des BIP beigetragen. Daten zur LKW-Fahrleistung und zum Stromverbrauch signalisieren eine Erholung in der exportorientierten Industrie. Die Daten von Zahlungsdiensteanbietern und zur Bargeldnutzung zeigen, dass die privaten Haushalte trotz Rekordinflation in den letzten Wochen verstärkt konsumiert haben. Im Gegensatz zur Industrieproduktion haben die realen Konsumausgaben aber ihr Vorkrisenniveau noch nicht erreicht. Im Vorjahresvergleich nahm die Wirtschaftsleistung in den vier Kalenderwochen 18 bis 21/2022 durchschnittlich um 3,5 % zu.
Wöchentliche BIP-Indikator der OeNB wird vorläufig nicht weiter fortgeführt
Ende März 2020 brach die COVID-19-Pandemie in Österreich aus. Bereits Anfang Mai 2020 veröffentlichte die OeNB erstmals einen neuen wöchentlichen BIP-Indikator. Ziel war es nahezu in Echtzeit die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bzw. der Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung verfolgen zu können. Die Berechnung basierte auf einer Fülle von hochfrequenten Indikatoren wie Zahlungskartenumsätzen, LKW-Fahrleistungsdaten, Stromverbrauch, Mobilitätsdaten oder Arbeitsmarktindikatoren. Die historisch einzigartig starken und abrupten Änderungen der Wirtschaftsleistung in Österreich in Folge der diversen Lockdowns konnten mit Hilfe des Indikators zeitnah geschätzt werden. Mit dem Auslaufen fast aller gesundheitspolitischer Maßnahmen sind die konjunkturellen Schwankungen zwischen einzelnen Kalenderwochen aber deutlich zurückgegangen. Die Berechnung eines wöchentlichen Indikators bietet daher nur mehr einen eingeschränkten Informationsgewinn und rechtfertigt daher auch den erheblichen Ressourcenaufwand nicht mehr. Die OeNB wird daher den wöchentlichen BIP-Indikator vorläufig nicht fortführen. Bis zum Herbst ist geplant, die Informationen der hochfrequenten Echtzeitindikatoren, in einen neuen, niederfrequenten (quartalsweisen) Konjunkturindikator einzubinden.
Evaluierung zeigt außergewöhnliche Prognosegüte
Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie war der wöchentliche BIP-Indikator der OeNB ein zentrales Analysetool bei der Konjunkturbeobachtung. Mit seinem Auslaufen nach über zwei Jahren soll abschließend kurz seine Prognosegüte evaluiert werden.
Der wöchentliche Verlauf entzieht sich aufgrund fehlender Referenzreihen einer unmittelbaren Beurteilung. Die Ergebnisse können aber auf Quartalsebene anhand der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) evaluiert werden. Ein Vergleich mit den Wachstumsraten des realen BIP lt. VGR für den Zeitraum zweites Quartal 2020 bis erstes Quartal 2022 zeigt eine außergewöhnlich hohe Prognosegüte. Der wöchentliche BIP-Indikator hat nicht nur das tatsächliche BIP-Wachstum präzise prognostiziert/geschätzt. Es wurde in den zwei Jahren auch jeder Wendepunkt in der Wachstumsentwicklung treffsicher identifiziert. Der Indikator hat sich damit als äußerst verlässliches Analysetool in Zeiten extremer konjunktureller Schwankungen bewährt und kann in Zukunft gegebenenfalls rasch reaktiviert werden. Die Vielzahl neuer, hochfrequenter Konjunkturindikatoren, die seiner Berechnung zu grundliegen, werden in der OeNB auch in Zukunft in der Konjunkturanalyse eine wichtige Rolle spielen. Sie werden nicht nur weiter genau verfolgt werden, sondern sollen auch in einen neuen Konjunkturindikator eingehen, der auf Quartalsebene die Entwicklung der heimischen Wirtschaft abbildet.
Wöchentlicher BIP-Indikator der OeNB für die Kalenderwochen 18 bis 21 (PDF, 0,3 MB)
Daten zum wöchentlichen BIP-Indikator für KW 18 bis 21 (XLSX, 0,1 MB)
Weekly OeNB GDP indicator: data (XLSX, 0,1 MB)
Weekly OeNB GDP indicator: data (CSV, 0 MB)
Die interaktive Grafik ist durch die Auswahl eines zeitlichen Bereichs zoombar (mit gedrückter linker Maustaste einen Bereich auswählen). Die ursprüngliche Darstellung kann durch „Reset Zoom“ wiederhergestellt werden. Des Weiteren können einzelne Komponenten des BIP-Indikators durch Drücken des entsprechenden Legendeneintrags ein- bzw. ausgeblendet werden.
Methodische Erläuterungen zur Vorkrisen- und Vorjahresdarstellung
Der wöchentliche BIP-Indikator der OeNB zeigte seit Ausbruch der COVID-19-Krise die Veränderung der Wirtschaftsleistung in Österreich in jeder Kalenderwoche im Vergleich zur entsprechenden Vorjahreswoche. Nachdem die COVID-19-Krise nun schon mehr als ein Jahr andauert, führt diese Darstellungsform am aktuellen Rand zu schwer interpretierbaren Ergebnissen. Nach Inkrafttreten des ersten Lockdowns am 16. März 2020 ist die Wirtschaftsleistung in den ersten Wochen um teilweise mehr als 20 % eingebrochen. Diese niedrigen Vorjahreswerte bilden aktuell den Ausgangswert für einen Vorjahresvergleich und führen zu stark positiven Wachstumsraten im Jahresabstand, die die tatsächliche ökonomische Situation – im Vergleich zur Situation vor der COVID-19-Krise - nicht adäquat widerspiegeln.
Beginnend mit Kalenderwoche 11/2021 (15.–21. März 2021) wird daher für jede Woche neben dem Vorjahresvergleich auch ein Vorkrisenvergleich dargestellt. Im Vorkrisenvergleich wird die Wirtschaftsleistung im Vergleich zur jeweiligen Kalenderwoche im Jahr vor Ausbruch der Krise dargestellt. Das entspricht gegenwärtig dem BIP-Niveau-Unterschied im Zweijahresabstand. Für diesen Vorkrisenvergleich werden auch weiterhin die Beiträge der wichtigsten nachfrageseitigen BIP-Komponenten dargestellt.
In der Grafik wird dieser Bruch in der Berechnungsweise durch einen Abstand zwischen den Kalenderwoche 10 (8.–14. März 2021) und 11 (15.–21. März 2021) zum Ausdruck gebracht.
Lesebeispiel:
In Kalenderwoche (KW) 12/2021 (22.–28.03.2021) lag das österreichische BIP
- 28.4 % über dem Niveau des realen BIP in der entsprechenden Woche des Vorjahres (23.–29.03. 2020) sowie
- 3,8 % unter dem Niveau des realen BIP in der entsprechenden Woche des Jahres 2019 (25.–31.03. 2019).
Dieser 3,8 % Rückgang erklärt sich wie folgt:
Der importbereinigte Beitrag des privaten Konsums zu dieser BIP-Veränderung betrug in KW 12 –2.5 Prozentpunkte, jener der Tourismusexporte –3.5 Prozentpunkte und der Exporte ohne Tourismus +1.9 Prozentpunkte.
Kurzbeschreibung Hintergrund und Methode
Für eine ausführlichere Beschreibung und Diskussion der Methode, siehe Monitoring the economy in real time with the weekly OeNB GDP indicator: background, experience and outlook (Fenz und Stix. Monetary Policy and the Economy, Q4/20–Q1/21, S. 17–40).
Die aktuelle COVID-19-Pandemie hat zu einem tiefen und abrupten Einbruch der Wirtschaftsleistung in Österreich geführt. Eine zeitnahe Schätzung der Stärke des Einbruchs und der folgenden schrittweisen Erholung der österreichischen Wirtschaft stellt die Wirtschaftsforschung vor neue Herausforderungen. Traditionelle Konjunkturindikatoren sind oft nicht ausreichend rasch verfügbar und liegen häufig nur auf Monats- oder Quartalsebene vor. Die OeNB hat daher ein Set von Konjunkturindikatoren, die auf Tages- oder Wochenbasis erhoben werden und ohne Zeitverzögerung zur Verfügung stehen, zusammengestellt, das laufend erweitert und evaluiert wird. Aktuell zählen zu den Indikatoren LKW-Fahrleistungsdaten (Quelle: ASFINAG), Zahlungsverkehrsdaten (mehrere Zahlungsdienstanbieter), Arbeitsmarktdaten (AMS), Stromverbrauchsdaten (E-Control, Austrian Power Grid – APG), Mobilitätsindikatoren (Google, Apple) und Finanzmarktdaten, die von den genannten Unternehmen mit großer Kooperationsbereitschaft zur Verfügung gestellt wurden.
Basierend auf diesen zeitnah verfügbaren Konjunkturindikatoren wurde ein neuer Aktivitätsindikator berechnet, der die Entwicklung des realen BIP auf Wochenbasis abbildet. Dazu werden die nachfrageseitigen BIP-Komponenten mittels Brückengleichungen – das sind Prognosegleichungen, die Variablen mit unterschiedlicher Datenfrequenz verbinden – geschätzt.
Zur Schätzung der privaten Konsumausgaben wurden Informationen zu Zahlungskartenumsätzen im Inland sowie Bargeldeinlieferungen (in die OeNB) verwendet. Die LKW-Fahrleistungsdaten werden - wie im Rahmen des OeNB-Exportindikators - zur Bestimmung der Exportentwicklung verwendet. Gesondert geschätzt werden die Tourismusexporte mit Hilfe der Zahlungskartenumsätze von Ausländern im Inland. Die Entwicklung der Bauinvestitionen wird mittels der täglichen Zahlen zu den gemeldeten Arbeitslosen im Bausektor geschätzt. Die anderen Investitionen (Nicht-Bauinvestitionen) folgen mangels geeigneter tagesaktueller Indikatoren annahmegemäß dem gewichteten Durchschnitt der anderen Nachfragekomponenten. Für den öffentlichen Konsum und die Lagerveränderungen wird eine stabile Entwicklung unterstellt. Alle angeführten Nachfragekomponenten werden um ihre Importanteile gemäß Input-Output-Tabellen bereinigt, sodass die Summe der angeführten Nachfragekomponenten dem gesamten BIP entspricht. Andere tagesaktuelle Konjunkturindikatoren, die nicht direkt in die Schätzungen ein-fließen, wie Daten zum Stromverbrauch, zum Mobilitätsverhalten, zur Kurzarbeit und Finanzmarktvariable, werden für Plausibilitätsprüfungen verwendet.
Die Schätzungen werden bis auf Weiteres zweiwöchentlich aktualisiert und auf der OeNB-Website publiziert. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine wöchentliche BIP-Schätzung mit großen Unsicherheiten verbunden ist. Die hier vorgestellten Zahlen bieten nur einen groben Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Aktivität und können übliche modellgestützte makroökonomische Prognosen nicht ersetzen. Der Indikator wird laufend verbessert. Dadurch können sich auch rückwirkend Änderungen der Schätzergebnisse ergeben.