OeNB Report 2024/17: Österreichische Wirtschaft verharrt in Rezession, Inflationsschock kommt zu einem Ende
Redaktionsschluss: 5. September 2024
Christian Beer, Friedrich Fritzer, Martin Schneider, Richard Sellner, Alfred Stiglbauer und Klaus Vondra 1
1 Zusammenfassung
Österreichs Wirtschaft befindet sich seit zwei Jahren nahezu durchgängig in einer Rezession. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte seit ihrem Höhepunkt im zweiten Quartal 2022 bis zum zweiten Quartal 2024 um insgesamt 2,1 %. Für diese Entwicklung gibt es zwei wesentliche Ursachen, nämlich die Industrierezession und eine ausgeprägte Konsumzurückhaltung. Der OeNB-Konjunkturindikator vom September 2024 signalisiert für das dritte Quartal 2024 einen weiteren Rückgang des realen BIP um 0,2 % und für das vierte Quartal eine Stagnation. Verglichen mit der Juniprognose wird die Prognose für das reale BIP-Wachstum im Jahr 2024 um einen Prozentpunkt auf –0,7 % und für 2025 um 0,8 Prozentpunkte auf 1,0 % gesenkt. Die Abwärtsrevision ist auf einen schwächeren historischen BIP-Verlauf und den BIP-Rückgang im zweiten Quartal 2024 zurückzuführen, aber auch auf eine nunmehr schwächere Einschätzung für das BIP-Wachstum im zweiten Halbjahr 2024. Änderungen der historischen Wachstumszahlen im Rahmen einer größeren methodischen Revision der VGR Ende September können noch zu Änderungen der Prognosewerte für die Jahre 2024 und 2025 führen. Aufgrund der schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung wird auch mit einer höheren Arbeitslosenquote von 7,1 % für 2025, von 7,5 % für 2025 und von 7,3 % für 2026 gerechnet.
Die HVPI-Inflation erreichte im Jänner 2023 mit 11,6 % ihren Spitzenwert. Seither bildete sich die Teuerung stetig zurück und erreichte im August 2024 laut Schnellschätzung von Statistik Austria 2,5 %. Die Kerninflation erreichte im April 2023 den Spitzenwert von 8,3 % und verringerte sich bis Juli 2024 auf 3,7 %. Laut der aktuellen Inflationsprognose wird die HVPI-Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2024 auf 2,9 % sinken (2023: 7,7 %). Dafür sind sowohl die schwache Konjunkturentwicklung als auch die zurückgehende Kostenentwicklung auf Erzeugerebene verantwortlich. In den Folgejahren ist auch aufgrund auslaufender Fiskalmaßnahmen im Energiesektor mit einem langsameren Rückgang der Teuerung zu rechnen. Für 2025 erwarten wir eine Inflationsrate von 2,3 % und für 2026 einen Wert von 2,2 %.
Tabelle 1
Revision seit
Juni 2024 |
|||||||||||
Q3 24 | Q4 24 | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2024 | 2025 | 2026 | |||
in Prozentpunkten | |||||||||||
Reales BIP-Wachstum (zur Vorperiode in %) | –0,2 | 0,0 | –0,7 | –0,7 | 1,0 | 1,5 | –1,0 | –0,8 | 0,0 | ||
HVPI-Inflation (zum Vorjahr in %) | 2,5 | 1,9 | 7,7 | 2,9 | 2,3 | 2,2 | –0,4 | –0,4 | –0,4 | ||
AMS-Arbeitslosenquote (in %) | 7,2 | 7,4 | 6,4 | 7,1 | 7,5 | 7,3 | 0,4 | 1,0 | 0,9 | ||
Quelle: 2023: Statistik Austria; 2024–2025: OeNB. |
2 Rückgang der Wirtschaftsleistung hält im ersten Halbjahr 2024 an
Österreichs Wirtschaft befindet sich seit zwei Jahren nahezu durchgängig in einer Rezession. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte seit ihrem Höhepunkt im zweiten Quartal 2022 bis zum zweiten Quartal 2024 um insgesamt 2,1 %. Lediglich in drei Quartalen konnte ein Minimalwachstum des realen BIP um jeweils 0,1 % (zum Vorquartal, saison- und arbeitstägig bereinigt) verzeichnet werden. Für das Gesamtjahr 2023 betrug der Rückgang 0,7 %. Im zweiten Quartal 2024 schrumpfte die österreichische Wirtschaft um 0,4 %.
Für diese Entwicklung gibt es zwei wesentliche Ursachen, nämlich die Industrierezession und eine ausgeprägte Konsumzurückhaltung. Die Industrie leidet vor allem unter der Schwäche der internationalen Konjunktur. In Deutschland ist die Konjunkturschwäche besonders ausgeprägt, wovon die österreichische Industrie aufgrund der engen Verflechtungen mit dem Nachbarland besonders betroffen ist. Die Exporttätigkeit hat sich bis Anfang des Jahres 2023 noch positiv entwickelt. Nach dem ersten Quartal 2023 sind die Exporte jedoch eingebrochen: Sie lagen im zweiten Quartal 2024 um 9 % darunter (saison- und arbeitstägig bereinigt). Dies ist vor allem auf den Rückgang der Exporte nach Deutschland zurückzuführen.
Neben der schwachen Auslandsnachfrage entwickelt sich die inländische Nachfrage für viele Sektoren ungünstig. Vor allem Hersteller von Intermediärgütern sowie baunahe Sektoren sind davon betroffen. Die schwache Nachfrage in Verbindung mit steigenden Kostenbelastungen durch zunächst stark gestiegene Energiepreise, daraus resultierend kräftige Lohnzuwächse und zuletzt hohe Finanzierungskosten haben dazu geführt, dass die Investitionen seit zwei Jahren keine Dynamik zeigen. Die Produktion in der Sachgütererzeugung ist von Jänner 2022 bis Juni 2024 um 6 % gefallen. Besonders betroffen sind die Unternehmen in den energieintensiven Sektoren Holz, Papier, Glas und Keramik sowie Metallerzeugung. Der Rückgang fiel mit –13 % mehr als doppelt so stark aus wie in der Sachgütererzeugung insgesamt. Konsumnahe Branchen wie Nahrungsmittel, Getränke und Bekleidung sowie High-Tech-Branchen wie die Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen entwickelten sich hingegen überdurchschnittlich positiv.
Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Industrieproduktion für verschiedene sektorale Aggregate. In der linken Teilgrafik ist die Industrieproduktion von energie- und lohnintensiven Sektoren relativ zu nicht-energie- und nicht-lohnintensiven Sektoren dargestellt. 2 Energieintensive Sektoren haben sich deutlich schwächer als nicht-energieintensive Sektoren entwickelt. Sektoren mit einem höheren Lohnanteil entwickelten sich hingegen nicht schlechter als nicht-lohnintensive Sektoren.
Die rechte Teilgrafik zeigt zwei sektorale Aggregate nach der Nachfrageabhängigkeit. Basierend auf Daten der Input-Output-Tabelle von 2019 wurden die Sektoren nach dem Anteil des Bausektors bzw. der Exporte an der jeweiligen Gesamtnachfrage aggregiert. Dabei zeigt sich, dass die stark von der Baunachfrage abhängigen Sektoren Holz, Glas und Keramik sowie Bergbau zwischen Jänner 2022 und Juni 2024 einen Produktionsrückgang von 25 % verzeichneten. Für stark exportabhängige Sektoren zeigt sich eine – wenn auch nur leicht – überdurchschnittliche Betroffenheit.
Grafik 1
Die Lage in der Bauwirtschaft ist durch einen Einbruch im Hochbau bei einer gleichzeitig soliden Entwicklung im Tiefbau gekennzeichnet. Bereits vor den Zinserhöhungen deuteten die rückläufigen Baubewilligungen auf ein Auslaufen des kräftigen Wohnbauzyklus hin. Im Jahr 2023 lag die Anzahl der bewilligten Wohnungen mit 46.600 nur knapp über der Hälfte des Werts von 2019 (84.890). Im ersten Quartal 2024 war ein geringfügiger Anstieg zu verzeichnen. Die Stimmung in der Bauwirtschaft verschlechtert sich seit dem Jahr 2021 stetig. Die Bauunternehmen schätzen ihren Auftragsbestand und ihre Verkaufspreiserwartungen deutlich pessimistischer ein (Economic Sentiment Indicator). Bei der Einschätzung der Bautätigkeit und den Beschäftigungserwartungen ist hingegen eine Bodenbildung zu beobachten. Auch die Ergebnisse des aktuellen Bank Lending Surveys signalisieren mit einer leichten Zunahme der Nachfrage nach Wohnbaukrediten, dass der Tiefpunkt hinsichtlich der Wohnbauaktivität erreicht worden ist. In den von Statistik Austria erhobenen Auftragseingangs-, Umsatz- und Produktionsindizes sowie in der realen Wertschöpfung im Bau zeigt sich hingegen eine noch weitgehend stabile Lage der Bauwirtschaft. Dies könnte als Risiko einer noch bevorstehenden Korrektur gedeutet werden, aber auch zukünftige Revisionen der aktuell widersprüchlichen Daten scheinen nicht ausgeschlossen.
Grafik 2 zeigt die Beiträge der entstehungsseitigen Sektoren und der Nachfragekomponenten zum Rückgang des realen BIP zwischen dem Höhepunkt im zweiten Quartal 2022 und dem zweiten Quartal 2024 (–2,1 %). Auf der Entstehungsseite wird der Rückgang von der Sachgütererzeugung sowie den Bereichen Handel und Verkehr und Lagerei getrieben. Vom Bau ist hingegen aufgrund des nur überraschend geringen Rückgangs der realen Wertschöpfung (–1,2 %) und des geringen Anteils an der gesamten Wirtschaftsleistung von 5 % kein nennenswerter negativer Beitrag zu beobachten. Positive Wachstumsimpulse kamen in erster Linie vom öffentlichen Sektor. Auf der Nachfrageseite 3 ist der Rückgang zum überwiegenden Teil auf die Exporte zurückzuführen. Die Bruttoanlageinvestitionen trugen jedoch ebenfalls negativ bei.
Vom privaten Konsum sind hingegen trotz kräftiger Realeinkommenszuwächse von 4,5 % in diesem Zeitraum keine positiven Wachstumsbeiträge zu verzeichnen, da die Haushalte ihre Ersparnisbildung aufgrund der vorherrschenden Verunsicherung deutlich erhöht haben.
Grafik 2
Die Konjunkturschwäche ist mittlerweile am Arbeitsmarkt angekommen. Die unselbstständige Beschäftigung gemäß Registerdaten ist seit Anfang 2023 trotz der schwachen Konjunkturentwicklung auf einem Niveau von etwa 3,96 Millionen Personen stabil. Allerdings zeigen die Umfragedaten der Europäischen Kommission negative Beschäftigungserwartungen für die Industrie, die Bauwirtschaft und den Einzelhandel an. Damit dürfte sich der Rückgang der Beschäftigung der letzten Monate in diesen Branchen fortsetzen. Steigende Beschäftigungsentwicklung, gepaart mit leicht positiven Beschäftigungserwartungen, gibt es hingegen im Dienstleistungssektor, insbesondere im IT-Sektor, in den freien Berufen und im öffentlichen Dienst sowie im Unterrichts- und Gesundheitswesen. Die Zahl der offenen Stellen ist stark gefallen und liegt saisonbereinigt bei 87.000 – im Mai 2022 hatte sie noch 128.000 betragen. Auch die Umfragedaten der Europäischen Kommission zeigen einen deutlichen Rückgang des Arbeitskräftemangels an. Die Register-Arbeitslosigkeit steigt seit dem Beginn des Vorjahrs kontinuierlich an und liegt nun (Ende August 2024) saisonbereinigt bei 302.000 Personen; Anfang 2023 war dieser Wert bei 259.000 Personen gelegen. Die saisonbereinigte Register-Arbeitslosenquote betrug im zweiten Quartal 2024 7,0 % und lag damit etwa auf dem Niveau von vor der COVID-19-Krise.
Für das Gesamtjahr rechnet die OeNB mit einem Anstieg auf durchschnittlich 7,1 %. In Folge der anhaltenden Wachstumsschwäche wird die Arbeitslosenquote 2025 auf 7,5 % ansteigen, dies entspricht einer Aufwärtsrevision von einem Prozentpunkt im Vergleich zur Juniprognose.
3 Konjunkturindikator zeigt Erholung erst 2025
Nach dem überraschend starken BIP-Rückgang im zweiten Quartal 2024 um 0,4 % zeigt der OeNB-Konjunkturindikator 4 (Stand 4. September 2024) für das dritte Quartal 2024 einen weiteren Rückgang des realen BIP um 0,2 % und für das vierte Quartal 2024 eine Stagnation an.
Grafik 3
Die reine Modellprognose signalisiert für die zweite Jahreshälfte sogar stärker rückläufige Wachstumsraten. Dies liegt überwiegend an den schwachen Stimmungsindikatoren für die Industrie. Aber auch die Indikatoren für den Dienstleistungsbereich und den Einzelhandel sowie der Rückgang bei den offenen Stellen signalisieren eine Kontraktion der Wirtschaftsleistung gegenüber den Vorquartalen.
Die nunmehr stärker gesunkene Inflation, bei bereits verhandelten und somit fixen Löhnen, verstärkt den Zuwachs bei den realen Nettohaushaltseinkommen. Somit geht die OeNB weiterhin von einer etwas stärkeren Beschleunigung des privaten Konsums aus. Die zuletzt bremsenden Vertrauenseffekte laufen annahmegemäß aus. Um diese nicht im Modell erfassten Entwicklungen abzubilden, wird ein Expert Judgment von jeweils +0,2 Prozentpunkten pro Quartal aufgeschlagen.
4 Deutliche Abwärtsrevision der Wachstumsprognose
Die Wachstumsprognose für die Jahre 2024 und 2025 stellt ein technisches Update der OeNB-Prognose vom Juni 2024 dar. Dazu wurde zunächst die aktuelle Veröffentlichung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für das zweite Quartal 2024 inkludiert. 5 Anschließend wurden die Auswirkungen der Veränderungen (seit Juni 2024) in den internationalen Rahmenbedingungen (wie Energie- und Rohstoffpreise, Wechselkurse und Zinsen) mit dem makroökonomischen Modell der OeNB (Austrian Quarterly Model – AQM) simuliert. Für das zweite Halbjahr 2024 wurden die Ergebnisse des OeNB-Konjunkturindikators übernommen.
Verglichen mit der Juniprognose wird die Prognose für das reale BIP-Wachstum im Jahr 2024 um einen Prozentpunkt auf –0,7 % gesenkt. Österreich ist damit das zweite Jahr in Folge in einer – wenn auch schwachen – Rezession. Diese Abwärtsrevision ist (1) auf einen etwas schwächeren historischen BIP-Verlauf, (2) den BIP-Rückgang im zweiten Quartal 2024 sowie (3) auf eine nunmehr schwächere Einschätzung für das BIP-Wachstum im zweiten Halbjahr 2024 zurückzuführen. Die Abwärtsrevision im zweiten Halbjahr 2024 führt durch den niedrigeren Startwert für 2025 auch zu einer Senkung des Jahreswachstum 2025 um 0,8 Prozentpunkte gegenüber der Juniprognose auf nunmehr +1,0 %.
Tabelle 2
Sep. 2024 | Juni 2024 | Revision | durch ... | |||
Gesamt |
neue
Daten |
externe
Annahmen |
OeNB-
Einschätzung |
|||
Veränderung zum Vorjahr in % | Prozentpunkte | |||||
2023 | –0,7 | –0,7 | –0,0 | –0,0 | 0,0 | 0,0 |
2024 | –0,7 | 0,3 | –1,0 | –0,6 | –0,0 | –0,4 |
2025 | 1,0 | 1,8 | –0,9 | –0,2 | –0,1 | –0,6 |
2026 | 1,5 | 1,5 | –0,0 | –0,0 | 0,0 | –0,0 |
Quelle: Statistik Austria, OeNB. |
Abwärtsrisiken überwiegen bei hohen Unsicherheiten
Die internationalen wirtschaftlichen Risiken sind mehrheitlich nach unten gerichtet. Dies sind (1) die Verschärfung der Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft, (2) internationale Konflikte/Kriege (Naher Osten, Sudan, Ukraine) mit möglichen Auswirkungen auf Rohstoffpreise und den Welthandel und (3) Risiken, die von internationalen politischen Entwicklungen ausgehen. Dazu zählen das Risiko einer protektionistischen US-Handelspolitik nach den Präsidentschaftswahlen im November 2024 und eine mögliche Eskalation des Konflikts zwischen China und Taiwan (Versorgungs- und Lieferengpässe seitens der taiwanesischen Halbleiterindustrie). Auch die heimischen Risiken sind tendenziell nach unten gerichtet. Ein wesentliches Abwärtsrisiko liegt darin, dass der aktuelle Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der höheren Lohn- und Energiestückkosten negative strukturelle Auswirkungen auf den Industriestandort Österreich hat. Unsicherheiten ergeben sich aus einer möglichen schwierigen Regierungsbildung nach der Nationalratswahl am 29. September 2024.
Ein mittelfristiges Abwärtsrisiko auf die Konjunktur stellen notwendige fiskalische Konsolidierungen dar, die nicht in die Prognose aufgenommen werden können (No-policy-change-Annahme). Die zukünftige Konsumentwicklung ist mit hoher Unsicherheit behaftet. In den vergangenen Prognoserunden flossen die realen Nettohaushaltseinkommen stärker als erwartet in Ersparnisse. Eine sich weiter verstärkende oder auf dem bestehenden hohen Niveau verbleibende Konsumzurückhaltung stellt ein weiteres Abwärtsrisiko dar. Andererseits könnte die Sparquote abrupter und schneller als erwartet auf ihren historischen Durchschnitt zurückkehren, was zu einer stärkeren wirtschaftlichen Erholung beitragen würde. Die Benchmark-Revision der VGR, die am 30. September 2024 von Statistik Austria veröffentlicht wird, kann über mögliche Revisionen historischer Daten die Prognosewerte für die Jahre 2024 und 2025 beeinflussen.
5 HVPI-Inflation zuletzt auf dem niedrigsten Stand seit Mitte 2021
Die HVPI-Inflationsrate setzte auch im Jahr 2024 ihren Rückgang fort: Im Jänner 2024 betrug sie noch 4,3 %, bis August 2024 verringerte sie sich auf 2,5 %. 6 Die Kerninflationsrate betrug im Juli 2024 3,7 % (Jänner 2024: 5,3 %). Zuletzt belief sich der Inflationsbeitrag von Dienstleistungen auf 2,6 Prozentpunkte (oder 90 % der HVPI-Inflation). Die Inflationsbeiträge von Nahrungsmitteln (Inflationsbeitrag von 0,3 Prozentpunkten) und Industriegütern ohne Energie (Inflationsbeitrag von 0,2 Prozentpunkten) waren im Juli 2024 nur leicht im positiven Bereich, während Energie die Gesamtinflationsrate dämpfte.
Der Rückgang der Inflationsrate von Jänner 2024 bis Juli 2024 ging in etwa zu gleichen Anteilen auf Industriegüter ohne Energie und Nahrungsmittel (–0,6 Prozentpunkte des Rückgangs von 1,4 Prozentpunkten der HVPI-Inflation) sowie Dienstleistungen (–0,5 Prozentpunkte) zurück.
Sinkende Preise bei Energie, deutlich geringere Inflationsraten bei Industriegütern ohne Energie und Nahrungsmitteln
Die Inflationsrate von Energie lag im Juli 2024 bei –1,7 %. Zuletzt waren die Jahresinflationsraten von Gas, festen Brennstoffen und Fernwärme deutlich im negativen Bereich. Elektrizität wies in den letzten beiden Monaten positive Teuerungsraten aus. Die deutliche Rückbildung der Großhandelspreise bei Gas sind seit Mitte 2022 bisher teilweise bei den Endkund:innen angekommen. Im Fall von Elektrizität ist seit Einführung der Strompreisbremse im Dezember 2022 eine stabile Preisentwicklung zu beobachten. Auch die Halbierung des Stromkostenzuschusses mit Juli 2024 hat zu keinen Preisveränderungen bzw. Preissteigerungen bei Elektrizität geführt.
Auch die Inflationsrate von Industriegütern ohne Energie ging seit Jahresanfang (Jänner 2024: 2,7 %) deutlich zurück, sodass die Jahresinflationsrate im Juli 2024 nur mehr 0,5 % betrug. Eine der Ursachen hierfür sind die schon seit Juli 2023 rückläufigen Erzeugerpreise für den Inlandsmarkt. Betrachtet man die nichtenergetischen Industriegüter im Detail, zeigt sich ein Rückgang des Preisauftriebs vor allem bei langlebigen Konsumgütern, besonders bei Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen sowie bei Pkw, die zuletzt negative Teuerungsdaten aufwiesen.
Die Preissteigerung bei Nahrungsmitteln betrug im Juli 2024 1,6 %. Negative Inflationsraten waren zuletzt bei unverarbeiteten Nahrungsmitteln zu beobachten. Bei verarbeiteten Nahrungsmitteln lag die Teuerungsrate im Juli 2024 bei 2,3 %, lag damit aber deutlich unter der Inflationsrate des Jänners 2024 (6,1 %).
Die Inflation bei den Dienstleistungen bildete sich in den letzten Monaten zurück, liegt aber weiterhin deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Von Jänner 2024 bis Juli 2024 verringerte sich die Jahresteuerungsrate von 6,8 % auf 5,5 %. Die weiterhin hohen Teuerungsraten im Dienstleistungssektor werden vor allem von Gast- und Beherbergungsdienstleistungen sowie Mieten getrieben. Die starke Erholung im Tourismus erlaubt es den Unternehmen, ihre Preise zu erhöhen. Diese Preiserhöhungen waren zumindest teilweise den gestiegenen Kosten geschuldet. Bei Mieten wird sich der Inflationsauftrieb aufgrund des im August 2023 beschlossenen Mietpreisdeckels im Jahr 2024 um rund 0,2 Prozentpunkte einbremsen. Ohne Mietpreisdeckel wäre ein Teil des regulierten Mietmarktes im April 2024 von Erhöhungen stärker betroffen gewesen.
Inflationsabstand zum Euroraum zuletzt unter dem langfristigen Durchschnitt
Die österreichische HVPI-Inflationsrate betrug im Jahr 2023 7,7 % und lag damit um 2,3 Prozentpunkte über jener des Euroraums (2023: 5,4 %). Seither ist der Inflationsabstand kontinuierlich zurückgegangen. Im Juli und August 2024 lag die österreichische Inflationsrate nur mehr 0,3 Prozentpunkte über dem Euroraum-Durchschnitt. Damit liegt der Inflationsabstand derzeit unter dem langfristigen Durchschnittswert von 0,6 Prozentpunkten. Der zuletzt beobachtete deutliche Rückgang des Inflationsabstandes lässt sich vor allem auf Energie zurückführen. Mehr als die Hälfte des Rückgangs der Inflationsdifferenz von 2,0 Prozentpunkten gegenüber dem Jahr 2023 geht auf Energie zurück. In einem geringeren Ausmaß haben aber auch Industriegüter ohne Energie und Dienstleistungen zu einer Verringerung des Inflationsabstandes beigetragen. Nahrungsmittel dämpften den Inflationsabstand zuletzt ebenfalls, allerdings in einem geringeren Ausmaß als im Vorjahr.
Energie weist in den letzten Monaten eine niedrigere Teuerungsrate als im Euroraum-Durchschnitt auf. Ausschlaggebend dafür ist die Rücknahme fiskalpolitischer Maßnahmen zum Ausgleich der Energiepreissteigerungen in einigen größeren Ländern des Euroraums. Dazu zählt die im ersten Halbjahr 2024 erfolgte Beendigung der Mehrwertsteuersenkung für bestimmte Energiekomponenten in Deutschland und Spanien. Darüber hinaus haben österreichische Energieversorger die Preissenkungen auf den Großhandelsmärkten bei Gas und Fernwärme nunmehr teilweise an die Konsument:innen weitergegeben.
Die Teuerungsrate bei Industriegütern ohne Energie war in Österreich zuletzt nicht nur unter jener des Euroraums, sondern auch niedriger als der langfristige Durchschnitt. Vor allem die Inflationsraten bei langlebigen Konsumgütern wie Kfz und Möbeln haben sich in Österreich stärker zurückgebildet als im Euroraum. Die Inflationsrate für Dienstleistungen lag in Österreich zuletzt um rund 1,5 Prozentpunkte über jener im Euroraum. Allerdings hat sich der Abstand seit Jänner 2024 deutlich zurückgebildet. Mehr als zwei Drittel dieses Rückgangs gehen auf Hotels und Beherbergungsdienstleistungen sowie Mieten zurück. Bei Nahrungsmitteln (inklusive Alkohol und Tabak) liegt die österreichische Inflationsrate im Juli mit 1,6 % unter jener des Euroraums.
Wage Tracker: Langsame Abnahme des Tariflohnwachstums bis Jahresende, danach stärkerer Rückgang
Nachdem der Jahresanfang 2024 von hohen Abschlüssen im öffentlichen Dienst (+9,3 %), bei den Elektrizitätsversorgungsunternehmen und der Mineralölindustrie (jeweils +9,4 %) geprägt war, kam es im Laufe der folgenden Monate im Einklang mit der sinkenden Inflation zu niedrigeren kollektivvertraglichen Lohnsteigerungen. Dazu zählten der Abschluss im Finanzsektor (+8,3 % ab April), in der Elektro- und Elektronikindustrie (+7,5 % ab Mai), in der Papierindustrie (+7,0 % ab Mai), im Hotel- und Gastgewerbe (+7,25 % ab Mai), in der Glasindustrie (+6,5 % ab Juni) und in der Bekleidungsindustrie (+5,4 % ab Juli). In der Bauindustrie kam es aufgrund eines im Vorjahr abgeschlossenen 2-Jahres-Kollektivvertrags ab Mai zu einer Lohnerhöhung von 7,1 %. Im Gesundheitssektor sind die Abschlüsse relativ hoch ausgefallen, wie die Beispiele der Privatkrankenanstalten (+9,15 % ab April) und der privaten Kur- und Rehabilitationsbetriebe (+8,3 % ab Mai) zeigen.
Grafik 4
Der weitere Verlauf des Tariflohnwachstums bis zum Jahresende ist bereits weitgehend determiniert, weil keine bedeutenderen Kollektivvertragsabschlüsse mehr zu erwarten sind. Für die Metallersektoren, deren Lohnsteigerungen im November in Kraft treten, ist es außerdem Ende letzten Jahres ebenfalls zum Abschluss eines 2-Jahres-Kollektivvertrag gekommen. Damit steigen die Löhne bei den Metallern ab Herbst 2024 wohl um gut 5 %, was der rollierenden Inflation von September 2023 bis August 2024, zuzüglich eines vereinbarten Aufschlags von einem Prozentpunkt, entspricht. Überhaupt kam es im Verlauf der Lohnrunde 2023/2024 zu einer Häufung von 2-Jahres-Abschlüssen.
Neben den Metallersektoren gab es solche Abschlüsse unter anderem auch im Metallgewerbe, im IT-Sektor, in der Textilindustrie, bei den Privatkrankenanstalten, bei den Speditionen, im Hotel- und Gastgewerbe sowie bei den privaten Kur- und Rehabilitationseinrichtungen. Der Grund für die häufigere Vereinbarung von solchen Abschlüssen dürfte der Wunsch nach einer Verringerung der Unsicherheit in Zeiten hoher Inflation sein.
Grafik 4 mit dem Wage Tracker der OeNB zeigt: Das Tariflohnwachstum betrug zu Jahresanfang 9 % und wird bis zum Jahresende auf etwa 8 % sinken. Danach nimmt der Wage Tracker stark ab. Allerdings sind die meisten der Abschlüsse, die das Lohnwachstum im nächsten Jahr bestimmen, derzeit noch nicht bekannt. Die tatsächliche Abnahme des Tariflohnwachstums wird wahrscheinlich sogar stärker ausfallen, weil den Abschlüssen, die mit Jänner nächsten Jahres in Kraft treten werden, eine geringere Inflation zugrunde liegen wird. So wird die für den öffentlichen Dienst und den Handel maßgebliche rollierende Inflation (von Oktober 2023 bis September 2024) weniger als 4 % betragen.
Nahrungsmittelinflation im August 2024 laut Webscraping-Daten weiter gesunken
Gemäß den Webscraping-Daten der OeNB deutet sich an, dass der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken im August 2024 gegenüber dem Juli 2024 weiter nachgelassen hat. Im August 2024 betrug der Preisanstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat 0,1 %, während er im Juli 2024 noch bei 0,9 % lag. Besonders ausgeprägt war der Rückgang bei Fleisch und Fisch, wo im August 2024 eine Jahresveränderungsrate von –2,0 % verzeichnet wurde. Im Vergleich dazu blieben die Preisanstiege bei Ölen und Fetten (2,8 %) relativ hoch. Auch wenn bei Milchprodukten mit –1,2 % eine relativ geringe Teuerungsrate zu beobachten war, fällt auf, dass bei dieser Produktgruppe seit einigen Monaten wieder ein Anstieg der Jahrespreisveränderungen zu beobachten ist.
6 Inflationsprognose: Inflation sinkt 2024 auf 2,9 %
Die OeNB erwartet in ihrer aktuellen Inflationsprognose, dass sich die HVPI-Inflationsrate von 7,7 % im Jahr 2023 auf 2,9 % im Jahr 2024 zurückbilden sollte. In den Folgejahren wird sich der Rückgang der Inflationsrate verlangsamen: zunächst auf 2,3 % im Jahr 2025 und dann auf 2,2 % im Jahr 2026. Die Kerninflationsrate (HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel) bildet sich 2024 auf 4,0 % zurück (2023: 7,3 %) und sinkt damit weit schwächer als die Gesamtinflationsrate. Die inflationstreibenden Effekte der dynamischen Lohnentwicklung werden durch die schwache Konjunktur gebremst. Damit liegt die Kerninflationsrate im Jahr 2024 deutlich über der HVPI-Inflationsrate. Mit dem abschwächenden Lohnwachstum verringert sich die Kerninflationsrate in den Jahren 2025 und 2026 auf 2,6 % sowie 2,3 % und liegt gegen Ende des Prognosehorizonts nur mehr geringfügig über der Gesamtinflation.
Der Rückgang der HVPI-Inflationsrate von 2023 auf 2024 geht auf alle Hauptkomponenten des HVPI zurück, vor allem aber auf Industriegüter ohne Energie sowie Energie und Nahrungsmittel. Die schwache Nachfrage, aber auch rückläufige Produzentenpreise sind dafür ausschlaggebend. Zudem wird in der zweiten Jahreshälfte 2024 mit weiteren Preissenkungen bei Haushaltsenergiepreisen gerechnet. Im Fall von Dienstleistungen sollte die dynamische Lohnkostenentwicklung den Rückgang der Inflationsrate bremsen.
Fiskalische Maßnahmen beeinflussen vor allem die Energie- und Dienstleistungsinflation. Anfang 2025 wird das Auslaufen der fiskalpolitischen Maßnahmen zur Dämpfung der Energiepreise (Strompreisbremse, Wiedereinführung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe, Wiedereinführung der Erneuerbarenpauschale) sowie die Erhöhung des CO2-Preises die HVPI-Inflationsrate – isoliert betrachtet – um rund 0,6 Prozentpunkte anheben. 7 Die im August 2023 von der Regierung beschlossene Deckelung der Mietpreisanstiege und die Aussetzung der Gebührenanpassung werden die Dienstleistungsinflation 2024 und in den Folgejahren leicht verringern.
Im Vergleich zum Juni 2024 wurde die OeNB-Prognose für die Gesamtinflationsrate über den gesamten Prognosehorizont nach unten revidiert: für 2024 bis 2026 um jeweils 0,4 Prozentpunkte (siehe Tabelle 3). Die Prognose für Dienstleistungen wurde gegenüber der letzten Prognose nicht revidiert. Bei allen anderen Hauptkomponenten des HVPI kam es zu einer Abwärtsrevision über den gesamten Prognosehorizont. Dafür sind sowohl der in den letzten Monaten unerwartet starke Rückgang der Inflationsrate als auch die deutlich schwächere Konjunkturdynamik ausschlaggebend.
Tabelle 3
Prognose |
Revisionen gegenüber
Juni 2023 |
||||||
2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2024 | 2025 | 2026 | |
Veränderung zum Vorjahr in % | in Prozentpunkten | ||||||
HVPI-Inflation | 7,7 | 2,9 | 2,3 | 2,2 | –0,4 | –0,4 | –0,4 |
Nahrungsmittel insgesamt | 10,0 | 2,9 | 2,5 | 2,0 | –1,1 | –0,9 | –0,3 |
davon unverarbeitete Nahrungsmittel | 7,6 | 0,2 | 1,2 | x | –2,1 | –1,5 | x |
davon verarbeitete Nahrungsmittel | 10,6 | 3,4 | 2,8 | x | –0,9 | –0,8 | x |
Industriegüter ohne Energie | 6,4 | 1,0 | 0,5 | x | –0,6 | –0,9 | x |
Energie | 6,9 | –5,7 | –1,1 | 1,7 | –0,9 | –0,6 | –1,0 |
Dienstleistungen | 7,8 | 5,7 | 3,8 | x | –0,0 | 0,0 | x |
HVPI ohne Energie | 7,8 | 3,8 | 2,6 | 2,2 | –0,4 | –0,4 | –0,3 |
HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel | 7,3 | 4,0 | 2,6 | 2,3 | –0,2 | –0,3 | –0,3 |
Quelle: OeNB, Statistik Austria. |
Die Inflationsprognose ist mit ausgeglichenen Risiken behaftet. Die geopolitischen Spannungen wie auch die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas könnten zu einem höheren Preisdruck führen als prognostiziert. Andererseits sind die Wirtschaftsaussichten für 2024 und 2025 eher mit abwärtsgerichteten Risiken behaftet.
Grafik 5
Tabelle 4
Annahmen September
2024 |
Revisionen gegenüber
Juni 2024 |
||||||
2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2024 | 2025 | 2026 | |
Energie und Wechselkurse | in % | ||||||
Erdölpreis (EUR/Barrel Brent) | 77,5 | 76,5 | 69,5 | 66,9 | –1,5 | –4,1 | –3,3 |
Großhandelspreis Gas (EUR/MWh) | 40,6 | 34,2 | 41,1 | 35,4 | 11,0 | 16,0 | 18,1 |
Großhandelspreis Elektrizität (EUR/MWh) | 103,5 | 77,4 | 93,3 | 82,2 | 6,0 | 6,4 | 13,0 |
USD/EUR-Wechselkurs | 1,08 | 1,09 | 1,10 | 1,10 | 0,8 | 1,7 | 1,7 |
Nichtenergetische Rohstoffpreise | Index 2005 = 100 | in % | |||||
Gesamt | 184,7 | 198,2 | 200,8 | 205,8 | –3,7 | –6,1 | –4,6 |
davon Weltmarktpreise für Nahrungsmittel | 214,1 | 243,6 | 235,0 | 232,1 | –5,3 | –9,0 | –8,3 |
davon Weltmarktpreise für metallische Rohstoffe | 170,4 | 170,1 | 172,5 | 177,6 | –3,8 | –6,8 | –4,8 |
EU-Erzeugerpreise für Nahrungsmittel | 173,7 | 167,7 | 163,4 | 163,7 | –2,3 | –5,5 | –5,0 |
Zinsen | in Prozentpunkten | ||||||
Drei-Monats-Zinssatz | 3,4 | 3,6 | 2,5 | 2,2 | –0,0 | –0,4 | –0,3 |
Rendite 10-jähriger Bundesanleihen | 3,1 | 2,9 | 2,8 | 2,9 | –0,0 | –0,1 | –0,0 |
Quelle: Eurosystem. |
Die obige Tabelle zeigt die wichtigsten externen Annahmen, die vom Eurosystem für die Inflationsprognose vorgegeben werden. Abwärtsrevisionen wurden bei Rohöl sowie den nichtenergetischen Rohstoffpreisen vorgenommen. Die Großhandelspreise für Gas und Elektrizität wurden im gesamten Prognosehorizont nach oben revidiert – im Fall von Gas um durchschnittlich 15 % und im Fall von Elektrizität um durchschnittlich 9 %.
Güterinflation sinkt, aber die Kerninflationsrate geht nur langsam zurück
Industriegüter ohne Energie
Die Teuerungsrate nichtenergetischer Industriegüter hat sich auf
zuletzt 0,5 % verringert (Juli 2024). Der in den vergangenen Monaten
beobachtete Rückgang der Industriegüterinflation ist teilweise auf die
schwache Nachfrage zurückzuführen, die sich in der moderaten
Umsatzentwicklung im Einzelhandel widerspiegelt. Kurzfristindikatoren im
Hinblick auf das
Konsument:innenvertrauen im Einzelhandel (ohne Nahrungsmittel)
signalisieren aktuell und für die kommenden drei Monate eine weit
unterdurchschnittliche Entwicklung. Auch Preiserwartungen der
Unternehmen haben sich inzwischen (von historischen Höchstständen in den
Jahren 2022 und 2023) auf ein langfristiges Durchschnittsniveau
zurückgebildet. Trotz des hohen Lohnkostenwachstums im Jahr 2024 sollte
die Konjunktureintrübung die Inflationsrate in diesem Sektor dämpfen.
Zudem ist auf der Erzeugerebene seit mehreren Monaten eine rückläufige
Kostenentwicklung zu beobachten. Im Jahr 2024 erwarten wir in diesem
Sektor eine Teuerungsrate von 1,0 % (2023: 6,4 %). Mit einer erwarteten
Inflationsrate von 0,5 % im Jahr 2025 geht die Teuerung in diesem Sektor
weiter zurück und liegt damit unter ihrem langfristigen
Durchschnittswert (2001 bis 2019: 0,9 %).
Energie
Die Inflationsprognose geht davon aus, dass der seit Mitte 2022 beobachtete Rückgang der Haushaltsenergie-Großhandelspreise bei den österreichischen Verbraucher:innen in der zweiten Jahreshälfte 2024 verstärkt ankommt, da der Bestand an hochpreisigen Altverträgen durch günstigere Neuverträge ersetzt werden sollte. Die beschlossene Halbierung der Strompreissubvention von 30 auf 15 Cent pro Kilowattsunde ab Juli 2024 sollte keine Auswirkung auf den Strompreis haben, da der Arbeitspreis für Elektrizität im zweiten Halbjahr 2024 bei rund 15 Cent pro Kilowattstunde liegen wird. Auch wenn die Subventionierung nur 5 Cent pro Kilowattstunde betragen würde, hätte dies noch immer keinen preistreibenden Effekt für die Konsument:innen zur Folge. Insgesamt erwarten wir für das Jahr 2024 eine Energieinflationsrate von –5,7 %. Allerdings wird die Teuerung in diesem Sektor Anfang 2025 ansteigen. Das Auslaufen der fiskalpolitischen Maßnahmen und die Anhebung der CO2-Preise sind dafür ausschlaggebend. Die Auswirkung auf die Energiekomponente dürfte etwa +7,1 Prozentpunkte betragen und jene auf die HVPI-Inflation etwa +0,6 Prozentpunkte. Da allerdings die Haushaltspreise für Gas und Fernwärme deutlich unter jenen des Vorjahres liegen, bleibt die gesamte Energiepreisinflation trotz der fiskalischen Maßnahmen mit –1,1 % negativ. 2026 steigt die Teuerung auf 1,7 %.
Dienstleistungen
Die anhaltend hohen Inflationsraten im Dienstleistungssektor sind vor allem auf tourismusnahe Dienstleistungen (Hotels, Restaurants, Sport und Freizeitdienstleistungen) sowie Mieten zurückzuführen. Diese Sektoren verzeichneten zuletzt Inflationsraten, die deutlich über der durchschnittlichen Dienstleistungsinflation lagen. Kurzfristige Erwartungsindikatoren in diesen Sektoren signalisieren eine stabile Nachfrage. Die Preiserwartungen bei Hoteldienstleistungen haben sich von einem überdurchschnittlichen Niveau in den vergangenen Monaten wieder dem langfristigen Durchschnitt angenähert. Bei Restaurantdienstleistungen haben sich die kurzfristigen Preiserwartungen der Unternehmen auf einem leicht überdurchschnittlichen Niveau eingependelt. Die OeNB-Prognose geht von vergleichsweise hohen Lohnabschlüssen im Jahr 2024 und etwas niedrigeren Abschlüssen in den Folgejahren aus. Deshalb wird die Dienstleistungsinflation nur langsam zurückgehen und 2024 noch 5,7 % betragen und damit weit über dem langfristigen Durchschnitt bleiben (Durchschnitt von 2001 bis 2019: 2,4 %). Dabei sind schon die inflationsdämpfenden Effekte der von der Regierung im August 2023 beschlossenen Maßnahmen berücksichtigt. Maßnahmen wie die Mietzinsobergrenze und die Aussetzung von Gebührenanpassungen werden die Dienstleistungsinflation in den Jahren 2024 und 2025 leicht senken (2024 um 0,2 Prozentpunkte; 2025 um 0,1 Prozentpunkte). 8 Erst mit dem Rückgang des Lohnkostenwachstums im Jahr 2025 sollte die Inflationsrate im Dienstleistungssektor auf 3,8 % sinken.
Nahrungsmittel (inklusive Alkohol und Tabak)
Die Nahrungsmittelinflation hat sich in den letzten Monaten deutlich zurückgebildet und beläuft sich im Juli 2024 auf 1,6 % (2023: 10 %). Dazu hat vor allem ein ungewöhnlich starker Rückgang bei unverarbeiteten Nahrungsmitteln (insbesondere Obst und Gemüse) beigetragen. Im weiteren Jahresverlauf sollte die Teuerung im Nahrungsmittelsektor weitgehend stabil bleiben und im Jahresdurchschnitt 2024 2,9 % betragen. Dazu sollte auch die rasche Normalisierung der Teuerung bei unverarbeiteten Nahrungsmitteln beitragen, die auch von den jüngsten Frostschäden getrieben wird. Zudem wird sich das hohe Lohnkostenwachstum erst 2025 deutlicher zurückbilden. Ab 2025 verringert sich die Teuerung im Nahrungsmittelsektor kontinuierlich auf zunächst 2,5 % im Jahr 2025 und 2,0 % im Jahr 2026. Die Normalisierung der Teuerung in diesem Sektor geht auch auf geringere Energiekosten zurück.
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Oesterreichische Nationalbank, Referat Konjunktur, christian.beer@oenb.at , friedrich.fritzer@oenb.at ,
martin.schneider@oenb.at , richard.sellner@oenb.at , alfred.stiglbauer@oenb.at , klaus.vondra@oenb.at .
Unter Mitarbeit von Gerhard Fenz und Birgit Niessner. ↩︎ -
Die Linien in der linken Teilgrafik von Grafik 1 zeigen die Differenz der Indexwerte zwischen intensiven und
nicht-intensiven Sektoren, basierend auf Jänner 2022. ↩︎ -
Die Nachfragekomponenten sind in dieser Darstellung um ihren Importgehalt laut Input-Output-Tabelle bereinigt. ↩︎
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Details zur Methode des OeNB-Konjunkturindikators siehe OeNB-Konjunkturindikator - Oesterreichische Nationalbank (OeNB) . ↩︎
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Statistik Austria veröffentlicht Ende September eine großangelegte methodische Revision der VGR. Diese Überarbeitung könnte auch wesentliche Revisionen der Quartalsrechnung implizieren und damit das Konjunkturbild verändern. ↩︎
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Laut Schnellschätzung von Statistik. Detailliertere Daten für den August (Kerninflation, Hauptkomponenten) werden am 18. September 2024 publiziert. ↩︎
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Für diese Berechnung wurden nur direkte Effekte berücksichtigt. ↩︎
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Siehe Deckeln, bremsen, fixieren: Aktuelle Inflationsmaßnahmen der Regierung - Oesterreichische Nationalbank (OeNB) . ↩︎