Blank space in your wallet – Swiftflation auch in Österreich?*

05.08.2024

Christian Beer, Doris Prammer

In den europäischen Medien wird seit dem vergangenen Jahr immer wieder kolportiert, dass die Konzerte von Taylor Swift einen Anstieg der Inflationsrate zur Folge hätten. Nun stehen Taylor Swifts Konzerte in Wien vor der Tür. Werden sie die Inflationsrate in Österreich im August zum Steigen bringen?

Die kurze Antwort: JA – zumindest lassen erste Datenanalysen darauf schließen, dass auch die offizielle HVPI-Inflationsrate im August einen Swift-Effekt zeigen wird. Allerdings handelt es sich hierbei um ein statistisches Artefakt. Für unsere Einschätzung analysieren wir Preisänderungen einzelner Produkte und betten sie in Hintergrundinformationen zur Inflationsberechnung ein. Wir weisen auch darauf hin, dass kurzfristige Preiserhöhungen aufgrund eines Großereignisses nicht notwendigerweise den Weg in die offiziellen Inflationsraten finden müssen.

Höhere Nachfrage führt zu höheren Preisen …
Durch die Taylor-Swift-Konzerte im Wiener Happel-Stadion kommt es zu einer höheren Nachfrage nach bestimmten Gütern und Dienstleistungen und daher potenziell zu höheren Preisen.

Eine erste Einschätzung über die Preisentwicklung in der Hotellerie ergibt sich durch das OeNB-Webscraping-Projekt. Seit 2020 sammelt dieses Projekt Preise und Produktinformationen von österreichischen Onlineshops, einschließlich einer Buchungsplattform. Wir haben gezielt Preise für eine Übernachtung für zwei Personen an den Tagen der Taylor-Swift-Konzerte erfasst (Webscraping-Preise). Um herauszufinden, ob eventuelle Preisveränderungen wirklich auf die Konzerte und nicht auf die allgemeine Tourismusentwicklung im Sommer zurückgehen, vergleichen wir die Preise für Übernachtungen zu den Konzertterminen mit jenen eine und zwei Wochen davor bzw. danach sowie mit den Preisen bei anderen Veranstaltungen (z. B. Coldplay-Konzert) bzw. an Feiertagen, die häufig für Urlaube genutzt werden, wie z. B. Silvester.

Wenn man die Preise für die drei Konzerttage (8., 9. und 10.8.) gemeinsam betrachtet, zeigt sich, dass die durchschnittlichen Hotelpreise an den Konzerttagen ungefähr 45 % höher sind als jeweils eine und zwei Wochen davor. Lediglich im Vergleich zum Zeitraum zwei Wochen nach den Taylor-Swift-Konzerten, wenn Coldplay in Wien auftritt, sind die Anstiege geringer (ca. 25 %). Das ist auch ein erster Hinweis darauf, dass man vorsichtig sein muss, wenn man die Auswirkungen von Einzelereignissen auf die Gesamtinflationsrate beurteilen möchte, da regelmäßig Ereignisse stattfinden, die die Preise in der Hotellerie beeinflussen. Das gilt zum Beispiel auch für Silvester, wo die Hotelpreise im Vergleich zu unseren Vergleichstagen ähnlich stark ansteigen wie bei den Taylor-Swift-Konzerten. Dennoch wird nicht von „Silvesterflation“ gesprochen. Der Grund dafür wird im Verlauf des Blogartikels erklärt.

Für die Frage nach den Auswirkungen auf die Inflationsrate ist es auch wichtig, ob es sich bei Preisanstiegen um ein lokales oder ein überregionales Phänomen handelt. Daher haben wir auch die Hotelpreise in Bratislava erhoben, da man von dort leicht zum Konzert nach Wien anreisen kann. Unsere Daten deuten eher auf eine lokal begrenzte Bedeutung der Preisanstiege hin, da man keine Auswirkungen der Taylor-Swift-Konzerte auf die Hotelpreise in Bratislava bemerken kann.

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Ein Großereignis wie die Konzertserie von Taylor Swift wirkt sich also auf die Hotelpreise in der Veranstaltungsstadt bzw. die unmittelbare Umgebung (zeitlich/örtlich) aus. Weitere Bereiche, in denen sich die Swift-Konzerte direkt auswirken könnten, sind die Preise für Konzertkarten (inkl. Schwarzmarkt) und für die Gastronomie. Aber was bedeutet das für die offizielle HVPI-Inflationsrate insgesamt?

…, aber gehen die höheren Preise auch in die Inflationsrate ein?
Die offiziellen Inflationsraten werden von Statistik Austria erhoben und veröffentlicht. Bestimmend für die Inflationsrate sind folgende Komponenten:

  1. Der Warenkorb, der die wichtigsten von den privaten Haushalten konsumierten Waren und Dienstleistungen (Indexpositionen) enthält, siehe Statistik Austria.
  2. Die Gewichte, die widerspiegeln, welche Anteile der Ausgaben auf die einzelnen Indexpositionen entfallen. Sie geben die durchschnittlichen Ausgaben in Österreich für diese Indexposition an. Die bei Konzerten relevante Ausgaben haben folgende Gewichte: Beherbergungsdienstleistungen haben ein Gewicht von 4,5 %, Restaurants und Cafés von 11 % und Musiktheater von 0,2 %. Bei der Gewichtung wird auch zwischen HVPI-Gewichten (Konsumation im Inland) und VPI-Gewichten (Konsumation der inländischen Bevölkerung) unterschieden (für eine genau Darstellung der Unterschiede zwischen VPI und HVPI sowie allen weiteren Informationen zur Inflationsberechnung in Österreich siehe Statistik Austria). Da beim VPI der Konsum von ausländischen Tourist:innen exkludiert ist, ist das VPI-Gewicht der Beherbergungen mit 1,7 % deutlich geringer.
  3. Die Entwicklung der Preise der Waren und Dienstleistungen in diesem Warenkorb.

Die Inflationsrate wird als gewichteter Durchschnitt der Preisänderungen in den bestimmten Kategorien berechnet.

Für die Inflationsstatistik der Statistik Austria werden die Preisdaten für Hotels in einer bestimmten Woche eines Monats erhoben. Die Erhebungswoche für Hotelpreise umfasst im August die Woche vom 05. bis 11.08, für die 4/5-Sterne-Hotels wird nur die Nacht vom 10. bis 11.08. herangezogen. Somit werden Veränderungen der Hotelpreise rund um die Taylor-Swift-Konzerte in die Berechnung der offiziellen Inflationsrate Eingang finden. Die von der Statistik Austria erhobenen Hotelpreise sind, wie auch unsere Webscraping-Preise, nur Angebotspreise, das heißt wir wissen nicht, ob das Zimmer letztendlich zu diesem Preis verkauft wurde. Da die Konzertkarten schon vor über einem Jahr verkauft wurden, haben wahrscheinlich die meisten Swifties ihre Zimmer schon früher gebucht. Diese Buchungen fließen nicht in die Inflationsrate ein, da sie lange vor der Erhebungswoche durchgeführt wurden.

Preise für Tickets für das Konzert werden in der Inflationsmessung nicht berücksichtigt, da nur Preise an Orten eingehen, an denen regelmäßig Konzertveranstaltungen stattfinden. Das trifft auf das Happel-Stadion nicht zu. Auch finden eventuell hohe Sekundärmarktpreise keinen Niederschlag in der offiziellen Inflationsrate, da Transaktionen zwischen Haushalten prinzipiell nicht in die offizielle Inflationsrate eingehen.

Bleibt noch die Preisentwicklung in der Gastronomie: In Österreich entspricht es nicht den Gepflogenheiten, dass Gaststätten – selbst in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort (wie etwa das Schweizerhaus im Prater) – die Preise kurzzeitig anheben. Bei der Schnellgastronomie – wie etwa einem Würstel- bzw. Kebabstand – wäre eine temporäre Preisänderung leichter durchzusetzen. Allerdings werden für die Inflationsberechnung nur jene Verkaufsstände berücksichtigt, die ganzjährig Teil der Erhebung sind. Temporäre – eigens für das Konzert eingerichtete – Verkaufsstände werden von der Statistik Austria nicht berücksichtigt. Allerdings wäre ihr Gewicht ohnehin so gering, dass sie keinen Einfluss auf die Inflationsrate hätten.

Und was bedeutet das konkret für Swiftflation?
Mittels der Webscraping-Preise soll nun eine Abschätzung der Swift-Konzerte auf die Inflationsrate im August vorgenommen werden. Diese Abschätzung der Preisentwicklung erfolgt möglichst in Anlehnung an die Methode von Statistik Austria. Daher verwenden wir für die Abschätzung der Preissteigerungen bei 4/5-Sterne-Hotels nur die Nacht von Samstag auf Sonntag. Diese Preise werden dann mit Webscraping-Preisen verglichen, die an einem Juli-Wochenende gesammelt wurden.

Die mittleren Preise für die unterschiedlichen Hotelkategorien steigen zwischen 32 % (Privatzimmer) und 64 % für 3-Sterne-Hotels. Gewichtet man die Hotelkategorien mit den HVPI-Gewichten, ergibt sich ein durchschnittlicher Preisanstieg von ca. 50 %. Die Preissteigerungen betreffen aber nur Wien mit einem Gewicht von rund 20 % für die gesamtösterreichische Inflationsberechnung. Eine grobe Abschätzung der Auswirkungen auf die allgemeine HVPI-Inflationsrate ergibt dann einen Anstieg von 0,3 Prozentpunkten. Aufgrund der geringeren Gewichte beträgt die Auswirkung auf die VPI-Inflationsrate allerdings nur 0,1 Prozentpunkte.

Fazit: Swiftflation in Österreich – im Wesentlichen ein Artefakt
Anhand der Webscraping-Daten der OeNB können die höheren Hotelpreise in der ersten Augustwoche relativ eindeutig mit den Taylor-Swift-Konzerten in Zusammenhang gebracht werden.

  • Da die Hotelpreise für die Berechnung der offiziellen Inflationsrate in der Konzertwoche erhoben werden, kann ein Teil der HVPI-Inflation im August mit „Swiftflation“ begründet werden.
  • „Swiftflation“ ist aber ein statistisches Artefakt: Die Hotelpreise werden in einer einzigen Woche – zufälligerweise der Konzertwoche – erhoben. Die geringeren Preise in den übrigen Wochen des Monats gehen nicht in die Inflationsberechnung ein. Daher kann es beispielsweise trotz möglicherweise hoher Hotelpreise keine „Silvesterflation“ geben, weil Silvester nicht in einer offiziellen Erhebungswoche liegt und die Preise daher in der Preismessung nicht berücksichtigt werden.
  • Wäre die Erhebungswoche für Hotelpreise nicht zufällig ident mit der Konzertwoche, würden keine Preiserhöhungen beobachtet werden. Dies wird auch in seriösen Analysen in anderen Ländern gezeigt – siehe etwa die Financial Times vom 17. Juli 2024: „Desperately Seeking Swiftflation“.
  • Andererseits sind eventuell höhere Ticketpreise und Preise an temporären Verkaufsständen nicht erfasst – aufgrund des geringen Gewichts haben sie allerdings keinen Einfluss auf die Inflationsrate.
  • Inflation ist der allgemeine Anstieg der Preise von Waren und Dienstleistungen. Ein Großereignis wie eine Taylor-Swift-Konzertreihe kann kurzfristig zeitlich und örtlich begrenzte Preissteigerungen auslösen. Diese Preissteigerungen können sich unter den oben diskutierten Umständen auch in der Inflationsrate widerspiegeln, einen Einfluss auf den zugrunde liegenden Inflationstrend haben sie aber nicht.

* Der Titel wurde mit Unterstützung von KI erstellt, frei nach dem Songtitel „Blank Space“ von Taylor Swift

Die Autor:innen bedanken sich herzlich bei Michaela Maier (Statistik Austria) für die detaillierte Auskunft zur Inflationsmessung der Statistik Austria.

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.