Banking on Beta – Kommen die gestiegenen Zinsen bei österreichischen Haushalten an?

23.08.2023

Robert Ferstl, Bernhard Graf, Claudia Kwapil

Fazit

  • Der geldpolitische Leitzins wurde im aktuellen Zinsanhebungszyklus außerordentlich schnell und stark angehoben.
  • Für die Wirkung der Geldpolitik auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und in der Folge auf die Inflation ist die Weitergabe von Zinsänderungen – als Anreiz für Spar- und Konsumentscheidungen – ausschlaggebend.
  • Die österreichischen Banken geben die geldpolitischen Leitzinserhöhungen an die Sparer:innen weiter, jedoch hauptsächlich bei gebundenen Einlagen.
  • Im Vergleich zum Euroraum ist die Verzinsung von täglich fälligen Einlagen in Österreich aktuell etwas höher.
  • Die attraktiven Zinsen für gebundene Einlagen bieten privaten Haushalten in Österreich die Möglichkeit, durch die zeitliche Bindung ihrer Einlagen eine höhere Verzinsung zu erzielen.

EZB-Rat hebt geldpolitische Leitzinsen so schnell und stark wie noch nie

Seit Juli 2022 hob der EZB-Rat die geldpolitischen Leitzinsen im Euroraum um 4,25 Prozentpunkte und damit so schnell und so stark wie nie zuvor seit Beginn der Währungsunion im Jahr 1999. Für die Wirkung der Geldpolitik ist es ausschlaggebend, dass Banken die Änderungen der geldpolitischen Leitzinsen an die Zinssätze für ihre Kund:innen weitergeben. So können sie auf Spar- und Konsumanreize einwirken und Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausüben.

Doch kommen diese Leitzinsänderungen bei Österreichs Sparer:innen an?

Grafik 1 stellt die Weitergabe der Zinsänderungen an Haushalte, jeweils seit Beginn der Zinsanhebungszyklen dar und vergleicht dabei den aktuellen Zyklus mit jenem des Jahres 2005 sowohl für Österreich als auch für den Euroraum. Diese Darstellung ermöglicht einen einfachen Vergleich von Höhe und zeitlichem Verlauf (in Monaten) der Anpassungen bei Kundensparzinsen in den geldpolitischen Straffungsphasen von 2005 und heute. Der linke Teil der Grafik betrachtet den durchschnittlichen Zinssatz täglich fälliger Einlagen, während der rechte Teil der Grafik sich den Zinsen von Einlagen mit Bindungsfrist (gebundene Einlagen) widmet.

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Primär sticht bei Grafik 1 ins Auge, dass die Kundenzinsen bei gebundenen Einlagen (rechte Grafik) im aktuellen Zinszyklus – im Einklang mit den geldpolitischen Leitzinsen – sowohl in Österreich als auch im Euroraum bisher rascher und stärker gestiegen sind als in den ersten Monaten nach Beginn des Anhebungszyklus im Jahr 2005. Betrachten wir den Verlauf der Zinsweitergabe im aktuellen Zyklus, so fällt auf, dass in Österreich bei gebundenen Einlagen die Kundenzinsen zudem rascher gehoben wurden als im Euroraumdurchschnitt. Die Weitergabe in den anderen Euroraumländern hat jedoch in den letzten Monaten aufgeholt, sodass die aktuellen Zinsen für gebundene Einlagen in Österreich mit 2,35 % in etwa dem Euroraumdurchschnitt entsprechen.

Eine gänzlich andere Dynamik beobachten wir bei den Zinsen für täglich fällige Einlagen (linker Teil von Grafik 1). Obwohl die geldpolitischen Leitzinsen im aktuellen Zyklus stärker angehoben wurden als im Jahr 2005, entsprechen die Erhöhungen bei den Kundenzinsen für täglich fällige Einlagen ihrem historischen Muster. Dies gilt für die Kundenzinsen in Österreich ebenso wie für jene im Euroraumdurchschnitt. Im Einklang mit dem historischen Muster wurden jedoch auch im aktuellen Zyklus die täglich fälligen Kundenzinsen in Österreich stärker erhöht als im Euroraum.

Sparer:innen können mit gebundenen Einlagen stärker von Zinserhöhungen profitieren

Die Interpretation von Grafik 1 wird durch den Umstand, dass die geldpolitischen Leitzinsen in den beiden Zyklen unterschiedlich stark angehoben wurden, erschwert. Für Grafik 2 wählen wir daher eine alternative Darstellungsform, die zeigt, wie viel von den geldpolitischen Leitzinserhöhungen die Kreditinstitute bereits an ihre Kund:innen weitergegeben haben. In der Fachsprache werden diese Anteile Deposit Betas genannt. Dabei wird die Änderung der Einlagenzinsen als Anteil an den Leitzinserhöhungen dargestellt.

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Wie schon Grafik 1 nahelegt, zeigt Grafik 2 nochmals deutlich, dass die Zinsweitergabe (Deposit Beta) bei Einlagen mit vereinbarter Laufzeit deutlich ausgeprägter ist als bei täglich fälligen Einlagen. Während die Zinsweitergabe bei Einlagen mit vereinbarter Laufzeit im gesamtem Euroraumdurchschnitt derzeit bei 61% liegt (siehe rechter Teil von Grafik 2), beträgt sie bei täglich fälligen Einlagen 5,5% (linker Teil von Grafik 2). In Österreich beobachten wir bei Zinsen von gebundenen Einlagen eine ähnlich hohe Quote (62%) wie im Euroraum. Bei Zinssätzen täglich fälliger Einlagen ist die geldpolitische Transmission in Österreich mit 12,5% stärker als der Euroraumdurchschnitt.

Wie hoch ist die gesamte Zinsweitergabe jedoch historisch gesehen? Drei Jahre nach Beginn des Zinsanhebungszyklus, der 2005 seinen Anfang nahm, lag das Deposit Beta für täglich fällige Einlagen in Österreich bei rund 50% und jenes für gebundene Einlagen bei rund 100%. Mit anderen Worten, auch die historische Betrachtung zeigt, dass die Zinsweitergabe an täglich fällige Einlagen in der Regel schwächer ausfällt als bei gebundenen Einlagen. Zudem zeigt sie, dass – unter der Annahme, dass nach 3 Jahren ähnliche Deposit Betas erreicht werden wie 2005-2008 – die Zinsweitergabe bei den gebundenen Einlagen schon fortgeschritten ist, während sie bei täglich fälligen Einlagen noch einen weiten Weg vor sich hat.

Banken bevorzugen Einlagen mit Bindungsfrist gegenüber täglich fälligen Einlagen, weil sie eine stabilere Refinanzierungsquelle darstellen. Folglich bieten sie ihren Kund:innen finanzielle Anreize, ihre Ersparnisse von den bislang beliebten täglich fälligen Einlagen verstärkt in Richtung Einlagen mit vereinbarter Laufzeit umzuschichten und bieten ihnen dafür höhere Zinsen an (siehe Grafik 1). Folglich beobachten wir seit Beginn der gelpolitischen Straffung im Juli 2022 in Österreich eine Umschichtung der Sichteinlagen in Richtung gebundener Formen von Einlagen.

Prognose der Einlagezinsen mittels Zinsweitergabemodell

Einer rezenten Arbeit der Deutschen Bundesbank folgend modellieren wir die Beziehung zwischen Leit- und Kundensparzinssätzen in Österreich. Von einem theoretischen Standpunkt aus kann eine kurz- sowie langfristige Beziehung zischen Einlagezinssätzen und Leitzins unterstellt werden. Nur ein Teil der Leitzinsänderung wird zeitgleich auf die Einlagezinssätze übertragen, während sich ein weiterer Teil erst in der langen Frist auf die Einlagenzinsen niederschlägt. Ein Fehlerkorrekturmodell erlaubt die Modellierung ebensolcher Zusammenhänge. Während das Modell keine weiteren erklärenden Variablen beinhaltet, und dessen Koeffizienten daher nur mit Vorsicht zu interpretieren sind, fokussieren wir auf die Modellprognosen, um den realisierten Pfad der Einlagezinsen mit dem unterstellten anhand der geschätzten Beziehungen zu vergleichen. Dabei schätzen wir ein „Fehlerkorrekturmodell“ für die letzten zwei Jahrzehnte (Jänner 2003 bis Dezember 2021) und erstellen Prognosen für die Einlagezinssätze bis Juni 2023. Schließlich vergleichen wir die tatsächlichen Werte mit diesen Prognosen und können abschätzen, ob die geldpolitische Transmission derzeit ähnlich stark ausfällt wie in der Vergangenheit1.

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Grafik 3 zeigt, dass sich die Verzinsung von Einlagen mit vereinbarter Laufzeit (linker Teil) bis März 2023 im Prognoseintervall des Zinsweitergabemodells befindet. Insofern entsprach die Entwicklung des Kundenzinses für gebundene Einlagen zu Beginn des aktuellen Zinsanhebungs-zyklus dem – basierend auf den geschätzten Regelmäßigkeiten der letzten zwei Jahrzehnte – erwarteten Pfad. In den letzten Monaten liegt der tatsächliche Zinssatz jedoch unter den Prognosewerten.

Der Anteil der gebundenen Einlagen an sämtlichen Bankeinlagen stieg in Österreich zwischen März und April 2023 erstmals seit Beginn des aktuellen Hiking Cycle auf über 30 %. Dies legt den Schluss nahe, dass die Anhebungen der Zinsen für gebundene Einlagen die Kund:innen zu einem stärkeren Umschichten in derartige Einlagen motiviert, als angesichts der Regelmäßigkeiten der Zinsweitergabe der letzten 20 Jahre zu erwarten wäre und daher weitere Zinsanreize bei dieser Einlagenkategorie aus Sicht der Banken nicht vonnöten sind.

Bei der Prognose der Verzinsung für täglich fällige Einlagen stellt sich ein gänzlich anderes Bild dar. Basierend auf dem Zinsweitergabemodell würde man mit Juni 2023 eine höhere Verzinsung erwarten. Während die Kreditinstitute in einem negativen Zinsumfeld keine Negativzinsen auf Bankeinlagen verrechnen konnten, fällt auch die Weitergabe positiver Zinsschritte auf Sichteinlagen niedriger aus, als die Regelmäßigkeiten der Zinsweitergabe der letzten 20 Jahre implizieren würden. Ob diese Abweichung einen von den Banken ausgehenden Kompensationsmechanismus (für die Verluste während der Negativzinsphase) oder eine durch das Modell verursachte Überschätzung darstellt, lässt sich derzeit nicht beantworten.
 

1 Wir finden anhand eines Bounds-Tests eine signifikante Kointegrationsbeziehung zwischen Leit- und Einlagezinssatz für täglich fällige und für Einlagen mit vereinbarter Laufzeit von privaten Haushalten in Österreich. Somit kann das als Autoregressive Distributed Lag Model (ARDL) geschätzte Modell zur Prognose sowohl der kurz- als auch der langfristigen Zinsweitergabe benutzt werden.