Finanzwissen in Österreich und der CESEE-Region

Elisabeth Beckmann, Matthias Enzinger, Pirmin Fessler, Sarah Reiter

Die OeNB stellt umfassende Ergebnisse zur Finanzbildung in Ländern aus Zentral-, Ost- und Südosteuropa (Central, Eastern and Southeastern Europe, CESEE) erstmals in einem interaktiven Dashboard zur Verfügung. Während mittlerweile für eine Vielzahl von Ländern detaillierte Daten, die von internationalen Institutionen wie der Weltbank und der OECD erhoben werden, vorliegen, ist das Thema Finanzwissen in vielen Ländern der CESEE-Region nach wie vor unterbeleuchtet. Die im Rahmen des OeNB Euro Survey erhobenen und in Kooperation mit einer Forscherin des Münchner ifo Instituts analysierten Daten sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg, diese Lücke zu schließen, und ermöglichen einen ersten Eindruck von der Finanzbildung in CESEE. Neben einem Vergleich mit Österreich und anderen OECD-Ländern erlaubt das Dashboard auch die maßgeschneiderte Erstellung von Grafiken und deren Download inklusive der zugrundeliegenden Daten.

„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen“, meinte der Schriftsteller, Verleger, Naturwissenschafter und Gründervater der Vereinigten Staaten von Amerika, Benjamin Franklin. Obwohl Franklin damit nicht unbedingt die Rendite im finanziellen Sinn im Blick hatte, trifft dieser Satz auch einen heute wichtigen Punkt: In unserer Marktwirtschaft fallen für die meisten Menschen eine Vielzahl von finanziellen Entscheidungen an. Manche betreffen den Alltag, wie das Einteilen des monatlich verfügbaren Einkommens und das Planen von mittelfristigen größeren Ausgaben, etwa den notwendigen Kauf einer Waschmaschine oder die Planung eines Urlaubs. Andere sind eher einmalige oder zumindest seltene große Entscheidungen, wie die Aufnahme eines Kredits zum Wohnungs- oder Hauskauf oder der Kauf eines Autos. Aber auch das Sparen für das Alter will gut geplant sein. All das funktioniert besser mit Finanzwissen. Gerade in unserer heutigen Gesellschaft mit ihrer rasch fortschreitenden Digitalisierung und den immer mehr niederschwelligen Angeboten, auch relativ große finanzielle Entscheidungen – von der Buchung eines Hotels bis zum Aktienkauf – direkt vom Smartphone aus treffen zu können, ist Finanzwissen zu einer wichtigen Basis für einen soliden Umgang mit Finanzen geworden.

Aus diesem Grund gibt es auch eine umfassende Debatte zur Stärkung der Finanzbildung in Österreich und eine Vielzahl von entsprechenden Initiativen. Die Oesterreichische Nationalbank ist in diesem Zusammenhang eine besonders aktive Zentralbank (Eurologisch – Finanzbildung durch die Oesterreichische Nationalbank). Verschiedene internationale Organisationen, wie etwa die OECD oder die Weltbank, erheben in vielen Ländern Daten zum Thema Finanzbildung, Einstellungen zu Finanzthemen und Finanzverhalten (Finanzbildung in Österreich. Millennials im Fokus). Diese sind neben den Erhebungen zu den Finanzen der Haushalte selbst (www.hfcs.at) eine wichtige Quelle für einen Eindruck von der finanzielle Gesamtsituation der Haushalte.

Eine Region, zu der es noch relativ wenige Daten und Studien zu diesem Thema gibt, ist die CESEE-Region. Diese ist aber für die österreichischen Banken und daher auch für die Oesterreichische Nationalbank eine besonders wichtige Region, in der viele österreichische Banken aktiv sind und große Anteile der lokalen Märkte mit Finanzdienstleistungen bedienen. Seit langem erhebt die OeNB daher auch detaillierte Individualdaten in diesen Ländern (OeNB Euro Survey). Um für diese Länder auch standardisierte Informationen zum Thema Finanzbildung zu bekommen, hat die OeNB drei Finanzwissensfragen, die auch international als einfachster Indikator zu diesem Thema anerkannt sind, in rezente Erhebungen mit aufgenommen. In einer Kooperation mit Sarah Reiter (ifo Institut) hat Elisabeth Beckmann (OeNB) eine detaillierte Auswertung dieser Finanzwissensfragen vorgenommen. Ihre Studie „How financially literate is CESEE?” erschien 2020 in der OeNB-Reihe Focus on European Economic Integration.

Da es sich dabei um die ersten umfassenden und vergleichbaren Informationen zu Finanzbildung in vielen der untersuchten CESEE-Länder handelt, haben wir nun ein Dashboard erstellt, in dem die wichtigsten Informationen abgerufen werden können und auch Ergebnisse zur Weiterverarbeitung als Download zur Verfügung stehen. Zur Einbettung in einen breiteren Kontext wurde das Dashboard auch mit den jüngsten OECD-Ergebnissen zur Finanzbildung, die teilweise eine Vergleichsmöglichkeit bieten, angereichert.

Das Dashboard basiert, wie erwähnt, auf der Studie von Beckmann und Reiter (2020) und dokumentiert die Finanzkompetenz in zehn Ländern in CESEE für die Jahre von 2012 bis 2019. Es bietet auch einen Vergleich mit Österreich und 23 anderen Ländern, die von der OECD/INFE 2020 International Survey of Adult Financial Literacy abgedeckt werden.

Finanzielle Kompetenz wird dabei anhand von drei Grundkonzepten definiert: Zinssätze, Inflation und Risikodiversifikation. Bei diesen drei Fragen (siehe Dashboard) handelt es sich um einen internationalen Standard. Sie wurden ursprünglich von Lusardi und Mitchell (2008) vorgeschlagen und sind seither als die „großen Drei“ bekannt.

Im Durchschnitt beantwortet in allen CESEE-Ländern nur jeder fünfte Erwachsene alle drei Fragen zu Zinssätzen, Inflation und Risikodiversifikation richtig. Die Finanzkompetenz unterscheidet sich von Land zu Land stark und ändert sich auch über die Zeit. Aber auch innerhalb der Länder zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen sind die Unterschiede beträchtlich.

Der OeNB Euro Survey bietet eine einzigartige Datenquelle, bei der die Umfragemethode die Vergleichbarkeit der Finanzkompetenz über Länder und Zeiträume hinweg gewährleistet. Der OeNB Euro Survey wurde über einen langen Zeitraum durchgeführt, damit die Variation der Finanzkompetenz im Laufe der Zeit untersucht werden kann. Ein weiterer Vorteil liegt in der großen Anzahl von Beobachtungen, mit denen die Finanzkompetenz auf innerstaatlicher Ebene analysiert werden kann.