Die Antworten der Geldpolitik auf COVID-19
Autor: Gouverneur Robert HolzmannCOVID-19 bedeutet unermessliches Leid für all jene Menschen, die ihnen Nahestehende durch die Krankheit verloren haben. Zudem ist COVID-19 ein Schock für unsere bisherige Lebensweise, die wir in den letzten Wochen drastisch umstellen mussten: keine Reisen, keine Restaurantbesuche, kein Fitnesscenter – Abstand halten, ist die Devise.
Ein drastischer Konjunktureinbruch ist nun die Folge, der das österreichische Bruttoinlandsprodukt nach jüngsten Schätzungen der Europäischen Kommission im heurigen Jahr voraussichtlich um 5,5 % schrumpfen lassen wird. Rund 1½ Millionen Menschen sind in Österreich direkt von den wirtschaftlichen Konsequenzen betroffen.
Jetzt ist es wichtig zu verhindern, dass unverschuldet in diese vorübergehende Krise geratene gesunde Unternehmen kollabieren und Beschäftigte dadurch ihren Arbeitsplatz für immer verlieren. Eine Vielzahl an wirtschaftspolitischen Maßnahmen steht den Regierungen (nicht nur in Österreich) zur Verfügung, um das zu verhindern. Auch die Geldpolitik des Eurosystems, wovon die Oesterreichische Nationalbank ein Teil ist, ist sich ihrer Verantwortung in dieser Situation bewusst und hat ein großes Maßnahmenpaket geschnürt, um den von der Krise am meisten Betroffenen, nämlich Unternehmen und Haushalten, zu helfen.
Mit der deutlichen Aufstockung unserer Wertpapierankaufprogramme auf ein Ankaufsvolumen von über 1 Billion EUR im heurigen Jahr kaufen die Zentralbanken des Eurosystems unter anderem vermehrt Staatsanleihen und Unternehmensanleihen. Kauft das Eurosystem zum Beispiel Unternehmensanleihen, so senkt es damit die Zinskosten, die Unternehmen bei der Begebung neuer Anleihen haben. Die Finanzierung der Unternehmen wird billiger und zudem ist es durch die vermehrte Nachfrage am Markt für Unternehmensanleihen leichter, eine neue Anleihe zu platzieren. Alle Wirtschaftszweige können folglich von günstigeren Finanzierungsbedingungen profitieren.
Da Klein- und Mittelbetrieben der Weg auf den Kapitalmarkt oft nicht zugänglich ist, sind sie ebenso wie Haushalte auf die Finanzierung durch Banken angewiesen. Der zweite Teil unseres Maßnahmenpakets zielt folglich darauf ab, Banken ein großzügiges Angebot für ihre eigene Finanzierung zu machen. Das Eurosystem bietet den Banken unter der Auflage, dass sie die erhaltene Finanzierung in Form von Krediten an Unternehmen und Haushalte weitergeben, sehr günstige Konditionen an. Erfüllen die Banken die Auflagen und legen ausreichende Sicherheiten für die Besicherung der Kredite vor, können sie sich beim Eurosystem zu einem Zinssatz von bis zu -1 % refinanzieren. Anders ausgedrückt, zahlt das Eurosystem jenen Banken, die die Auflagen erfüllen, Zinsen bis zu 1 %, wenn sie einen Kredit nehmen und an Kunden und Kundinnen weitergeben. Das ist der niedrigste Zinssatz, den wir jemals angeboten haben. Die Überlegung hinter dieser Maßnahme ist, dass Banken die günstigen Konditionen, die sie in ihrer eigenen Refinanzierung vorfinden, in weiterer Folge an die Realwirtschaft weitergeben. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass solche Maßnahmen eine enorme Wirkung entfalten können. Wir schätzen, dass die letzten beiden Runden derartiger Kreditgeschäfte die Banken im gesamten Euroraum veranlasst haben, 125 Mrd EUR mehr an Krediten zu vergeben als ohne diese Maßnahmen. D. h., wir gehen davon aus, dass Banken durch die Maßnahmen des Eurosystems mehr Kredite zu günstigeren Konditionen an die Realwirtschaft weiterreichen werden.
Zusammengenommen zeigen diese Maßnahmen, dass das Eurosystem der durch die Krise ausgelösten Verschärfung der Finanzierungsbedingungen entgegentritt. Die geldpolitischen Maßnahmen können eine größere Wirkung entfalten, wenn alle Politikbereiche – wie zum Beispiel die Budgetpolitik, die Bankenaufsicht sowie die Wirtschaftspolitik – ineinandergreifen und einander ergänzen.