Pressure drop! Wie häufig werden Preise von Eigenmarken bei Nahrungsmitteln angepasst?
16.08.2023Christian Beer, Robert Ferstl, Bernhard Graf, Matthias Meiksner
Die aktuelle Inflationsentwicklung wirft die Frage auf, ob sich in Österreich das Preissetzungsverhalten der Unternehmen in Zeiten hoher Inflation grundlegend verändert hat. Das allgemeine Preisniveau ist letztlich das Resultat des Preissetzungsverhaltens einzelner Unternehmen, die die Preise häufiger oder stärker anpassen können. Daher analysieren wir, wie Supermärkte Nahrungsmittelpreise bei Eigenmarken und Nicht-Eigenmarken ändern.
Wie sich die Preise in Österreich derzeit verhalten
Die Nahrungsmittelpreise sind in Österreich zwischen Juli 2021 und Juni 2023 um 23,2 % gestiegen und haben stark zum Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in diesem Zeitraum beigetragen. Der Inflationsbeitrag der Nahrungsmittel lag zu Beginn unseres Analysezeitraums im Juli 2021 bei 0,2 Prozentpunkten und erreichte seinen Höhepunkt im Jänner 2023 mit 2,4 Prozentpunkten. Im Juli 2023 trugen die Nahrungsmittel 1,7 Prozentpunkte zur Inflation von 7,8 % bei. Allerdings deuten die seit Jahresbeginn sinkenden Inflationsraten und der Rückgang des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) in der aktuellen Schnellschätzung der Statistik Austria auf ein Nachlassen des allgemeinen Preisdrucks hin.
Eigenmarken bei Nahrungsmitteln beliebt
Eigenmarken weisen einen großen Anteil am gesamten Nahrungsmittelsortiment und eine andere Kostenstruktur auf, unter anderem durch niedrigere Warenkosten und ein einheitliches Marketing. Darüber hinaus können Konsument:innen ihr Einkaufsverhalten als Reaktion auf die Preisanstiege verändern, in dem sie beispielsweise vermehrt Eigenmarken der Supermärkte nachfragen. Unsere Analyse zeigt anhand von Onlinepreisen österreichischer Supermärkte, dass Eigenmarkenpreise häufiger angepasst werden, die Höhe ihrer Anpassungen jedoch im Schnitt niedriger ausfällt.
Analyse anhand von Onlinepreisen österreichischer Supermärkte
Wir betrachten das Preissetzungsverhalten österreichischer Supermärkte anhand eines Datensatzes täglicher Onlinepreise. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) sammelt seit 2020 im Zuge des Price-setting Microdata Analysis Network (PRISMA) Preisdaten von Onlineshops österreichischer Supermärkte. Mittels einer Liste öffentlich ausgewiesener Eigenmarken der Supermärkte wird zwischen Eigenmarken und Nicht-Eigenmarken unterschieden. Der Anteil der Eigenmarken in unserem Datensatz liegt bei rund 20 %. In über 90 % der 118 Unterkategorien von C011 Nahrungsmittel (siehe Verwendungszwecke des Individualverbrauchs, COICOP) kommen in unserer Stichprobe Eigenmarken vor. Für die nachfolgenden Berechnungen benutzen wird die HVPI-Gewichte.
Häufigkeit von Preisänderungen steigt in Hochinflationsphase
Die Grafik stellt die gewichtete tägliche Frequenz der Preiserhöhungen und -senkungen für Eigenmarken und Nicht-Eigenmarken dar. Übereinstimmend mit bisherigen Analysen österreichischer Onlinepreisdaten im Bereich der Nahrungsmittel finden wir eine starke Zunahme der Frequenz von Preiserhöhungen im Zuge der Hochinflationsphase ab Jänner 2022, während die Frequenz von Preissenkungen annähernd konstant bleibt (siehe Inflation aktuell Q1/23 und Monetary Policy and the Economy Q4/22–Q1/23). Die Periode abnehmenden Preisdrucks seit Jahresbeginn 2023 zeichnet sich durch eine starke Reduktion der Preiserhöhungsfrequenz auf das Niveau des Jahres 2021 sowie durch eine Zunahme der Preissenkungsfrequenz aus. Preissenkungen treten mittlerweile wieder gleich häufig wie Preiserhöhungen auf. Hinsichtlich der Frequenz der Preisänderungen zeigt sich, dass die Preise von Eigenmarken häufiger angepasst werden. Sowohl die Frequenz von Preiserhöhungen als auch von Preissenkungen fällt bei den Eigenmarken über weite Teile des Beobachtungszeitraums höher aus. Über den gesamten Zeitraum lag die durchschnittliche Häufigkeit von Preisanstiegen bei Eigenmarken bei 0,6 % und bei Nicht-Eigenmarken bei 0,5 %; bei den Senkungen waren es bei den Eigenmarken 0,3 % und bei den Nicht-Eigenmarken 0,2 %.
Preisänderungen seit Jahresbeginn rückläufig
Neben der Häufigkeit ist auch das Ausmaß der Preisänderungen ein wesentliches Element des Preissetzungsverhaltens. Während die Preise von Eigenmarken häufiger geändert werden, zeigt sich, dass die gewichtete mittlere Preiserhöhung bei Eigenmarken durchwegs niedriger ausfällt als bei Nicht-Eigenmarken. Über den gesamten Beobachtungszeitraum lag die mittlere gewichtete Preiserhöhung bei Eigenmarken bei rund 0,3 % und bei Nicht-Eigenmarken bei rund 0,5 %. Die mittleren gewichteten Preiserhöhungen und -senkungen haben während der Hochinflationsphase weniger stark reagiert als die Frequenzen von Preisänderungen. Wir beobachten kaum Änderungen der Höhe mittlerer prozentueller Preissenkungen, während gewichtete Preiserhöhungen im Jahr 2022 höher ausfallen. Im laufenden Jahr beobachten wir jedoch eine Abnahme der mittleren Höhe von Preiserhöhungen besonders bei Nicht-Eigenmarken. Lagen die gewichteten Preiserhöhungen im Jänner noch bei durchschnittlich 0,9 %, waren es im Juli nur noch 0,3 %.
Fazit
Unsere Analyse täglicher Nahrungsmittelpreise zeigt, dass Onlinepreise von Eigenmarken im Schnitt häufiger angepasst werden als jene von Nicht-Eigenmarken. Die gewichtete Frequenz der täglichen Preisänderungen nimmt sowohl bei Eigenmarken als auch Nicht-Eigenmarken im Laufe des Jahres 2022 im Zuge der Hochinflationsphase stark zu. Im laufenden Jahr beobachten wir eine Abnahme der Preisänderungsfrequenzen auf das Niveau des dritten Quartal 2021. Preissenkungen sind im Juli 2023 wieder gleich häufig wie Preiserhöhungen, was auf eine Abnahme des Preisdrucks hinweist.
Betrachtet man das Ausmaß der Preisänderungen, so zeigt sich, dass beim Vergleich von Eigenmarken und Nicht-Eigenmarken sowohl Preiserhöhungen als auch -senkungen bei Eigenmarken meist niedriger ausfallen. Seit Jahresbeginn 2023 sind jedoch besonders bei Nicht-Eigenmarken geringere mittlere Preisanstiege zu beobachten. Dies weist ebenfalls in Richtung einer Reduktion des Preisdrucks bei Nahrungsmitteln hin.
Unsere Ergebnisse stimmen mit vorhergehenden Analysen österreichischer Mikropreisdaten überein, die Veränderungen im Preissetzungsverhalten bei Nahrungsmitteln während der Hochinflationsphase feststellen. Dieses Phänomen ist nicht nur aus Sicht der Konsument:innen interessant, sondern hat auch potenzielle wirtschaftspolitische Auswirkungen. Unterschiede im Preissetzungsverhalten können zu veränderten Geschwindigkeiten bei der Übertragung von geldpolitischen und anderen makroökonomischen Schocks führen.