„Reglobalisierung: strukturelle Veränderungen“

(, Wien)

OeNB-WKÖ-Publikation: Schwerpunkt Außenwirtschaft 2021/2022

Die Erfahrung fragiler globaler Lieferketten sowie der brutale Schock des Russland-Ukraine-Konflikts und seiner wirtschaftlichen Folgen haben eine intensive Diskussion über weitreichende und dauerhafte Auswirkungen auf die politische, militärische, wirtschaftliche und finanzielle Weltordnung ausgelöst. Der Welthandel und die wirtschaftliche Verflechtung werden nicht mehr als Garant für Frieden und gegen militärische Konflikte gesehen. Im Gegenteil, die Einschränkung der globalen Handels- und Finanzbeziehungen wird dazu genutzt, militärische Aggressionen zu sanktionieren. Dies ist zwar nicht neu, aber das Ausmaß ist in der neueren Geschichte beispiellos. Infolgedessen steht Europa vor der Notwendigkeit, seine Energieversorgung und seine Energiepolitik im Allgemeinen grundlegend zu überdenken. Durch die Diversifizierung von Energiequellen und Versorgungsregionen wird eine größere Widerstandsfähigkeit angestrebt. Die Produktion in den Energie-, insbesondere Erdgas-intensiven Industrien, ist nicht nur durch die steigenden Energiekosten bedroht, sondern auch durch die Sorge um die Energieverfügbarkeit. Die hohe Abhängigkeit Österreichs von Gasimporten aus Russland macht das Land anfälliger als viele Vergleichsländer.

Vor diesem Hintergrund lautet das diesjährige Spezialthema der jährlichen, zum 11. Mal erscheinenden OeNB-WKÖ-Publikation „Schwerpunkt Außenwirtschaft“ „Reglobalization: Changing Patterns“. Die Beiträge gliedern sich in drei große Themenbereiche: erstens die Rolle der Politik, zweitens die Rolle des Unternehmertums und drittens die Rolle des Klimawandels und des Klimaschutzes für die Gestaltung der künftigen Entwicklung des Welthandels.

Was das erste Thema, die Rolle der Politik, betrifft, so geht eine erste Gruppe von Texten davon aus, dass die Politik der alles entscheidende Ausgangspunkt und die Grundlage für internationale Handelsmuster ist. In dem Maße, wie sich die politische Landschaft verändert, verändern sich auch die globalen Handelsströme. Militärische Konflikte lösen kurz- und mittelfristige Reaktionen im Welthandel aus (Sanktionen), führen aber auch zu langfristigen strategischen Neuorientierungen. Letztere können nicht nur zwischen den unmittelbaren Konfliktparteien stattfinden, sondern auch die strategischen Überlegungen anderer Akteure beeinflussen: Sie können beispielsweise eine vorsorgliche Entkopplung und Bemühungen um eine Verringerung der gegenseitigen Abhängigkeit auslösen; oder sie können Bemühungen um regionale Handelsabkommen fördern, die ohne die Wahrnehmung einer „Bedrohung von außen“ nicht realisierbar gewesen wären. In diesem Zusammenhang befasst sich eine zweite Gruppe von Beiträgen mit der Rolle der wirtschaftlichen und politischen „Supermächte“ USA und China bei der Gestaltung der Zukunft des Welthandels. Eine dritte Gruppe von Autoren erinnert uns daran, dass die Vorteile des Freihandels immer noch gelten; wenn der Freihandel auf globaler Ebene nicht weitergeführt werden kann, könnten regionale Handelsabkommen als zweitbeste Lösung einspringen. 

Das zweite große Thema des diesjährigen Schwerpunkts befasst sich mit der Rolle von Unternehmertum und Technologie für das globale Handelssystem von morgen. Wie gehen die Unternehmen mit den großen Unsicherheiten im globalen Umfeld um, einschließlich der Unterbrechungen in den globalen Wertschöpfungsketten? Wie werden neue Technologien die Zukunft des Welthandels beeinflussen? Wie werden sich neue Zahlungsmodalitäten auf den Welthandel auswirken? Welche Rolle sollte der Datenschutz spielen? Wie werden die Dienstleistungen beeinflusst?

Das dritte Thema befasst sich mit der Frage, wie sich Klimaschutz und knappe Ressourcen auf den internationalen Handel auswirken. Der Klimaschutz wird große Investitionsanstrengungen erfordern und somit den Welthandel nicht verringern, sondern große Anpassungen auslösen. So werden beispielsweise bestimmte Rohstoffe in großen Mengen benötigt, und es müssen Energienetze aufgebaut werden, die Energie von (neuen) Lieferanten zur weltweiten Nachfrage leiten. Der internationale Handel ist auch ein wichtiges Instrument zur Optimierung der CO2-Emissionen aus globaler Sicht, indem er die Märkte für saubere Technologien belebt und den Einsatz energiesparender Technologien weltweit erleichtert.

Das Buch ist kostenlos online auf den Websites der Oesterreichischen Nationalbank sowie der Wirtschaftskammer Österreich downloadbar sowie im Buchhandel erhältlich.

 

Ernest Gnan, Claudia Stowasser, Christoph Schneider (Hrsg.), Schwerpunkt Außenwirtschaft 2022/2022. Reglobalization: Changing Patterns. Facultas. Wien, 2022.