COVID-19-Pandemie stellt Wohnimmobilienmärkte europaweit vor neue Herausforderungen

(, Wien)

Preisanstiege im zweiten Quartal in ganz Österreich deutlich beschleunigt

Die aktuelle Immobilienmarktanalyse der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zeigt für Wien und insbesondere für Österreich ohne Wien im zweiten Quartal 2020 eine merkliche Beschleunigung des Preisanstiegs für Wohnimmobilien auf 4,1 % bzw. 6,8 % (nach 3,9 % und 2,8 % im ersten Quartal, jeweils im Vorjahresvergleich). Die nur bis zum ersten Quartal verfügbaren Daten für Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE) zeigen bei Preisen für Wohnimmobilien dynamische Wachstumsraten über dem EU-Durchschnitt, allerdings scheint sich COVID-19 gerade in CESEE-Ländern dämpfend auf die Nachfrage auszuwirken. Eine ähnliche Entwicklung deutet sich auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten an.

Weiterhin stabile Nachfrage nach Wohnimmobilien in Österreich

Wien und insbesondere Österreich ohne Wien verzeichneten im zweiten Quartal 2020 eine merkliche Beschleunigung des Preisanstiegs für Wohnimmobilien. Nach einer Abschwächung der Preisdynamik seit Jahresmitte 2019 erreichten die Preiszuwächse damit wieder die Werte vom ersten Halbjahr 2019. In Wien betrug der Preisanstieg im zweiten Quartal 2020 4,1 % im Vorjahresvergleich und 2,4 % gegenüber dem Vorquartal. In Österreich ohne Wien war zu Jahresbeginn 2020 bei den Immobilienpreisen ein Plus von 2,8 % verzeichnet worden, im zweiten Quartal beschleunigte sich der Anstieg auf +6,8 % (jeweils im Vorjahresvergleich) und auf +3,8 % gegenüber dem Vorquartal. Die Nachfrage nach Wohnungen über die verschiedenen Preissegmente hinweg gestaltete sich ähnlich wie vor der COVID-19-Pandemie: Sowohl günstige als auch teure Wohnungen wurden auch im zweiten Quartal 2020 unverändert nachgefragt.

Für die Beschleunigung in Österreich ohne Wien war vor allem die Preissteigerung bei Einfamilienhäusern verantwortlich – mit einer Verdreifachung auf 10,6 % im zweiten Quartal (nach 3,3 % im ersten Quartal). Auch in Wien blieben die Preise für Einfamilienhäuser auf hohem Niveau – nach einer Zuwachsrate von 10,4 % im ersten Quartal stiegen die Preise im zweiten Quartal um 11,7 %, jeweils im Vorjahresvergleich. Möglicherweise ist dies auf den durch Effekte der COVID-19-Pandemie (Trend zu Homeoffice, Erfahrungen im Lockdown, Social Distancing) verstärkten Wunsch nach Wohnen im Grünen bzw. mit Garten zurückzuführen. Es wird sich im weiteren Jahresverlauf zeigen, ob sich dieser Trend fortsetzt.

Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in Österreich  
  Q2 20 Q1 20 Q4 19 Q3 19 Q2 19 2019 2018 2017 2016 2015 2014
 
Veränderung zum Vorjahr in %
Österreich  5,2  3,4  3,0  2,3  5,6 3,9 6,9 3,8 7,3 4,1 3,5
Österreich ohne Wien  6,8  2,8  1,2  1,7  3,6  2,6  8,5  4,9  9,1  5,1  3,1
Wien  4,1  3,9  4,3  2,7  7,0  4,9  5,2  1,5  3,8  2,2  4,2
 
Veränderung zum Vorquartal in %
Österreich  3,0  1,7  0,8  -0,4   1,2   x   x   x   x   x   x
Österreich ohne Wien   3,8  1,5  0,6  0,8   0,0   x   x   x   x   x   x
Wien   2,4  1,9  1,0  -1,2   2,2   x   x   x   x   x   x
 
Index (2000=100)
Österreich  219,5  213,1  209,5  207,8  208,6  208,0  200,1  187,2  180,4  168,1  161,4
Österreich ohne Wien  206,9  199,3  196,3  195,2  193,7  194,8  189,8  174,9  166,7  152,9  145,4
Wien  255,6  249,5  244,9  242,4  245,4  234,2  232,0  220,4  217,2  209,2  204,6
 

Dynamische Entwicklung der CESEE-Wohnimmobilienmärkte vor Beginn der COVID-19-Pandemie

Die COVID-19-Pandemie traf die Wohnimmobilienmärkte in den CESEE-Ländern in einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Aufschwungphase. Die Preise für Wohnimmobilien stiegen im ersten Quartal 2020 laut Eurostat-Daten[1] weiterhin dynamisch mit Zuwachsraten weit über dem EU-Durchschnitt in fast allen Ländern (mit Ausnahme von Ungarn), die Wohnbaukreditvergabe war grundsätzlich stark, ebenso die Bautätigkeit. Erste Daten zeigen, dass sich die Krise dämpfend auf die Nachfrage nach Wohnimmobilien ausgewirkt hat. Ausschlaggebend hierfür sind insbesondere niedrigere Einkommen, eine verschlechterte Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie die erhöhte Unsicherheit der Haushalte. Die Notenbanken und Regierungen der Region haben umfangreiche Maßnahmen zur Abfederung der kurzfristigen Auswirkungen der Krise getroffen, die auch die Wohnimmobilienmärkte stützen sollten. Weiterhin wird Haushalten und Banken grundsätzlich eine größere Widerstandsfähigkeit im Vergleich zur Finanzmarktkrise 2008/09 attestiert. Dennoch stellt die COVID-19-Pandemie die CESEE-Wohnimmobilienmärkte vor große Herausforderungen.

Vor COVID-19 stiegen Wohnimmobilienpreise größtenteils auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten

In den meisten EU-Mitgliedstaaten (exkl. CESEE-Länder und Österreich) setzte sich der dynamische Anstieg der Immobilienpreise im ersten Quartal 2020 – bis kurz vor dem Einsetzen der COVID-19-Pandemie – fort. Besonders stark stiegen die Immobilienpreisindizes (weit über dem EU-Durchschnitt) in Deutschland, Luxemburg, Schweden, Portugal und Malta. Unterhalb des EU-Durchschnitts liegen Finnland, Spanien, Frankreich und Zypern sowie besonders deutlich weiterhin Italien. Das allgemeine Konsumentenvertrauen ist im Zuge der COVID-19-Pandemie gesunken und angesichts der gestiegenen Verunsicherung sank auch die Nachfrage nach neuen Wohnimmobilienkrediten deutlich. Angebotsseitig musste auch die Bauwirtschaft – wie die meisten anderen Branchen – ihre Aktivitäten ab Mitte März herunterfahren; am Ende des Lockdowns nahm sie ihre Aktivitäten aber rasch wieder auf.

[1] Eurostat-Daten für Wohnimmobilienpreise umfassen das erste Quartal 2020.