Johannes Kopf – nicht nur Zahlen im Blick
Johannes Kopf ist der Öffentlichkeit vor allem in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des Arbeitsmarktservice (AMS) Österreich bekannt. Wir konnten im Gespräch eine vielschichtige Persönlichkeit kennenlernen und an dem promovierten Juristen eine künstlerische Seite entdecken, die in sich wiederum überaus facettenreich ausgestaltet ist.
OeNB: Johannes Kopf, Sie haben uns mit einem Fotobuch überrascht, in dem Sie die Nationalbank in ein neues Licht, in eine ungewohnte Perspektive gebracht haben. Wir haben uns selbst in dem einen oder anderen Bild neu gesehen, vielleicht auch: neu erkannt ... Soll Ihre Architekturfotografie eher dokumentieren oder vielmehr den Blick auf das Bestehende neu ausrichten?
Johannes Kopf: Der große Henri Cartier-Bresson hat einmal gesagt, ein gutes Foto sei ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut. Ich freue mich, wenn Menschen innehalten und meine Bilder länger als diese Sekunde betrachten. Manchmal entsteht dabei sogar etwas in der Person, ich vermute, das ist nochmals anders, wenn die Bilder von dem Gebäude sind, in dem man selbst tagein, tagaus arbeitet oder lebt.
OeNB: Öffnen sich große Gebäude denen, die ihre Geschichte sichtbar machen, nicht auch in den vielen kleinen Geschichten, die in den Häusern erzählt wurden? Mit der Nationalbank und dem Gebäude der ehemaligen Creditanstalt oder mit dem von Otto Wagner geplanten Jugendstilbau der Österreichischen Postsparkasse in Wien haben Sie auch Häuser des Geldes fotografiert. Sprechen diese eine eigene Sprache?
Johannes Kopf: Natürlich sind Häuser des Geldes besondere Orte. Gebäude, an denen es genug davon gibt, wovon fast alle Menschen zu wenig haben. Das sieht man auch am Prunk der Architektur und des Interieurs. Auch wenn das Haus der OeNB, das ja eigentlich nur als Druckereigebäude geplant war, verglichen mit der Postsparkasse oder Rothschilds Creditanstalt am Schottentor klarerweise nicht mithalten kann. Allerdings interessierte mich die Neuausstattung nach dem Brand 1979 besonders. Ehrlich gesagt, verstehe ich Menschen, die etwa die Holzarbeiten im 5. Stock als „Bonzenbarock“ oder sogar als hässlich bezeichnen. Trotzdem ist das Hauptgebäude der OeNB innenarchitektonisch etwas ganz Besonderes und wird eines Tages bestimmt sehr geschätzt werden. Die Architektur der 1990er Jahre beim Geldzentrum von Wilhelm Holzbauer ist da schon heute leichter zu mögen.
OeNB: Was hat Sie am Haus der Nationalbank am meisten überrascht?
Johannes Kopf: Wie sehr es doch gelungen ist, die beiden Gebäude, die ja ein ganzes Stück voneinander entfernt stehen, irgendwie auch zusammenwachsen zu lassen. Das liegt nicht nur an dem spannenden Tunnel und den Menschen, die – meist oberirdisch – zwischen den Häusern hin und hergehen, sondern auch an den gelungenen Reflexionen an der Glasfassade. Sehr spannend finde ich auch den Widerspruch zwischen dem klaren rechtwinkeligen Block des OeNB-Hauptgebäudes und den Rundungen der Shoa-Gedenkmauer. Diesen Gegensatz hab ich aber erst aus dem 4. Stock des Landesgerichts so deutlich wahrgenommen.
OeNB: In Ihrem Brotberuf scheint der präzise Blick aufs Ganze, verbunden mit höchster Konzentration im Detail, eine wichtige Fähigkeit zu sein. Verbessert Ihre fotografische Arbeit den Manager Johannes Kopf?
Johannes Kopf: Das Fotografieren ist ein wunderbarer Gegensatz zum Tempo und auch oftmals Stress meines Berufs. Schöne Fotos kann ich nur machen, wenn ich völlig ruhig und konzentriert beim Fotografieren bin. Ich glaube es ist ein sehr guter Ausgleich.
OeNB: Während die Fotografie Betrachter:innen zunächst in den Bann zieht und innehalten lässt, ehe sie ihnen eine neue Perspektive eröffnet, versetzt Musik die Menschen ganz unmittelbar in Bewegung. Sie verwirklichen Ihre Musikleidenschaft als DJ. Verstehen Sie die beiden Kunstformen als Gegensatz? Statik versus Dynamik?
Johannes Kopf: Dieser enorme Gegensatz ist mir so deutlich eigentlich noch gar nicht bewusst geworden. Und Sie haben völlig recht, wenn ich mich auf meine Auftritte – zuletzt im legendären Wiener U4 als DJ Labour MC – vorbereite, bin ich zwar auch konzentriert, aber meist ziemlich aufgeregt und auch selbst sehr dynamisch. Ich tanze ja auch selbst dabei, praktisch die ganze Zeit.
OeNB: Wann fotografieren Sie und wann machen Sie Musik? Wodurch ist diese Entscheidung beeinflusst?
Johannes Kopf: Beides leider viel zu selten. Denn ich habe ja ohnedies einen ziemlich erfüllenden Job im AMS. An den DJ Decks üben oder neue Musik kennenlernen geht oft ohne Planung am Abend oder Wochenende. Konkrete Auftritte oder Fotoprojekte sind aber lange geplant und daher nicht spontan.
OeNB: Kann man Ihre Kunst auch öffentlich erleben? Die Fotografien sind auf Ihrer persönlichen Website (johanneskopf.at) zu sehen, aber stellen Sie Ihre Werke auch aus? Und wo kann man zu Ihrer Musik tanzen?
Johannes Kopf: Nicht ganz einfach. Zwei meiner ausgezeichneten Fotos waren einmal in Buenos Aires ausgestellt, sonst hab ich – auch aus Zeitgründen – noch nie eine Ausstellung organisiert. Ich schätze, ich hoffe unverschämt darauf, dass eines Tages wer auftaucht, der mir diese Arbeit abnimmt. Zumindest einmal im Jahr – meist im Herbst – kann man zu meiner Musik im U4 tanzen, da muss man nur den Eventkalender des U4 beobachten. Sonst spiele ich meist gegen eine gemeinnützige Spende auf geschlossenen Veranstaltungen.
OeNB: Wir danken für Ihre Zeit und wünschen Ihnen auch in Zukunft die nötige Kreativität im Beruf und hinreichend Freiheit in der Kunst.