Änderungen aufgrund BPM6 allgemein
Warum gab es Änderungen in der Zahlungsbilanz und der Internationalen Vermögensposition?
In der Darstellung der Außenwirtschaftsstatistiken ist die OeNB an internationale Rechtsvorgaben gebunden, welche die Vergleichbarkeit der Statistiken der einzelnen Länder sicherstellen sollen. Weltweit gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) Bilanzform, Inhalt und Gliederung im „Balance of Payments Manual“ (BPM) vor. Auf Basis dieser Vorgaben regeln in Europa im Speziellen die EU-Kommission durch Verordnung und die EZB durch eine Leitlinie die Außenwirtschaftsstatistiken der Mitgliedsstaaten.
Seit der fünften Auflage des Zahlungsbilanzhandbuches des IWF aus dem Jahr 1994, hat sich die Weltwirtschaft stark verändert. Neue Informationstechnologien und der Wegfall von Kapitalverkehrsbeschränkungen haben zu einer dynamischen Entwicklung des Welthandels und des internationalen Kapitalverkehrs beigetragen, die allgemein unter dem Stichwort Globalisierung zusammengefasst werden. Um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen, hat der IWF das Zahlungsbilanzhandbuch 2009 in sechster Auflage neu erlassen. In Europa wurden die entsprechenden Rechtsakte durch die EZB im Jahr 2011 und durch EU-Kommission im Jahr 2012 angepasst.
Im Unterschied zum BPM5 behandelt die sechste Auflage zusätzlich zu den Transaktionen der Zahlungsbilanz auch die Internationale Vermögensposition. Die wesentlichste Änderung in der Darstellungsform betrifft die Direktinvestitionen sowie Güter und Dienstleistungen. Diverse Änderungen von Begriffen und Systematiken wurden vorgenommen, vor allem um die Konsistenz zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu erhöhen und um die wirtschaftliche Realität besser abbilden zu können. Überdies wurde die Liste der Finanzierungsinstrumente erweitert.
In der EU hat die Umstellung auf das BPM6 im Laufe des Jahres 2014 stattgefunden. Die OeNB hat erstmals Daten nach neuem Standard für die Berichtsperiode 2014/Q2 Ende September 2014 publiziert. Diese Umstellung erfolgte in Abstimmung mit einer weiteren wichtigen statistischen Systemumstellung im Bereich der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und der Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung, die ab diesem Zeitpunkt das neue Europäische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 2010) zur Anwendung gebracht hat.
Was hat sich bei Gütern und Dienstleistungen geändert?
Vor allem im Bereich der Güter und Dienstleistungen kam es zu bedeutenden Änderungen durch die Einführung von BMP6. Für einige Dienstleistungsarten sieht der IWF eine genauere Gliederung vor. Diese Anforderungen stammten zum einen aus den GATS-Verhandlungen der WTO, zum anderen aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, für welche die Zahlungsbilanz die Quelle für das Außenkonto bei der BIP-Berechnung ist. Wirtschaftsbranche und Dienstleistungsart sollen einander entsprechen und die Abwicklung von Rechtsgeschäften über das Internet („e-commerce“) erfasst werden. Der Begriff „Gebühren für die Nutzung von geistigem Eigentum“ ersetzt den davor gültigen Terminus „Patente und Lizenzen“ und der Kauf von Patenten und Lizenzen wurde aus dem Teilkonto Vermögensübertragungen in den Bereich der Forschung- und Entwicklungsdienstleistungen umgeschichtet. Überdies sind Lizenzgebühren nach der Art des zugrundeliegenden intellektuellen Eigentums zu spezifizieren (Handelsmarken und Franchise-Verträge, Computersoftware, Ergebnisse der Forschung und Entwicklung, künstlerische Rechte).
Weitere wesentliche Änderungen waren: Im sechsten Zahlungsbilanzhandbuch des IWF wurde die Darstellung der Auslagerung von Produktionsschritten („offshoring“) als eine wesentliche Ausprägung von Globalisierung eingeführt. Lagert ein österreichisches Unternehmen Teile des Fertigungsprozesses in das Ausland zur Lohnveredelung aus, wurde die entsprechende Aus- und Einfuhr der Ware bislang als Güterhandel erfasst. Mit BPM6 ist dieses Rechtsgeschäft als Dienstleistungsgebühr zur Vergütung der Lohnveredelung zu klassifizieren, denn es findet kein Eigentumsübergang an der Ware statt. Ähnliches gilt auch für die grenzüberschreitende Reparatur von Waren (z. B. die Wartung von Flugzeugen). Diese Verbuchungsmethode reduziert die Bruttowerte bei Güterexporten und -importen und erhöht die entsprechenden Exporte und Importe von Dienstleistungen um die Wertschöpfung bei der Lohnveredelung.
Anders als bei der Lohnveredelung wurde der Transithandel definitorisch vom Dienstleitungsverkehr zum Güterhandel verschoben. Der Kauf der Waren wird im Land des Transithändlers als negativer Export, der Verkauf als positiver Export verbucht. Rechnerisch ist unverändert nur der Saldo aus Ein- und Verkauf der Ware für die Leistungsbilanz relevant.
Darüber hinaus wurde auch der internationalen Versicherungswirtschaft verstärkt Rechnung getragen. Während zuvor grenzüberschreitende Versicherungsdienstleistungen im Vergleich zum Inlandsgeschäft nur in vereinfachter Form zu erfassen waren, wurde die Erhebung methodisch angeglichen. Damit einher ging sowohl eine detaillierte Darstellung der realen Wertschöpfung in den verschiedenen Versicherungssparten als auch eine genauere Erfassung von Finanzforderungen und -verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland auf Basis der Unternehmensbilanzen.
Im Bereich des Finanzwesens strebt der IWF eine weitgehende Harmonisierung der Zahlungsbilanz mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) an, indem auch indirekt verrechnete Gebühren erfasst werden sollen. Dazu zählen sowohl implizite Gebühren für Kredite und Einlagen, die aus Zinseinkommen und -aufwendungen herausgerechnet und in die Finanzdienstleistungen umgeschichtet werden, als auch die Handelsspanne von Wertpapierhändlern und Market Makern. Diese Aufschläge zwischen Kauf- und Verkaufspreisen, die Händler von Finanzinstrumenten als Vergütung für ihre Vermittlerdienste verrechnen, wurden zuvor nicht als eine Form von Dienstleistungstransaktion angesehen.
Auch dem Handel mit CO2-Emissionsrechten trug der IWF Rechnung. Der Übertrag im Zuge eines internationalen Kaufs oder Verkaufs ist als Vermögensübertragung zu klassifizieren.
Was hat sich in der Kapitalbilanz und im Vermögenseinkommen geändert?
Einige Änderungen in der Nomenklatur wurden vorgenommen, um die Konsistenz mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu erhöhen. So wurden beispielsweise die Begriffe „primäres“ und „sekundäres“ Einkommen eingeführt. Unter „Primäreinkommen“ versteht man Vermögens- und Erwerbseinkommen und einige Posten, wie z. B. Steuern auf Produktion und Importe, sowie Subventionen und Mieterträge, die im BPM5 unter „laufenden Transfers“ zu finden waren. Der Begriff „Sekundäreinkommen“ hingegen entspricht im Wesentlichen den laufenden Transfers (aus dem alten Manual) plus den „persönlichen Transfers“, d. h., alle laufenden Transfers in Form von Geld- oder Sachleistungen zwischen in- und ausländischen Haushalten unabhängig von der Art des Einkommens und der Beziehung zwischen den Haushalten.
Die in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gängigen Gliederungen der volkswirtschaftlichen Sektoren und finanziellen Forderungen und Verbindlichkeiten wurden größtenteils übernommen. So wurden z. B. die Begriffe „Kapitalmarktpapiere“ sowie „Geldmarktinstrumente“ durch „langfristige“ bzw. „kurzfristige verzinsliche Wertpapiere“ ersetzt. Die Subsektoren des finanziellen Sektors sind das prominenteste Beispiel für die detailliertere Klassifikation im Bereich der volkswirtschaftlichen Sektoren:
- Zentralbank
- Sonstige monetäre Finanzinstitute
– Kreditinstitute
– Geldmarktfonds - Investmentfonds
- Sonstige Finanzinstitute
- Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten
- Firmeneigene Finanzinstitute und Kapitalgeber
- Versicherungsgesellschaften
- Pensionskassen
Des Weiteren kam es zu einer Umschichtung von Holdinggesellschaften ohne Managementfunktion aus dem Sektor der nicht finanziellen Kapitalgesellschaften in den finanziellen Sektor.
Direktinvestitionen
Die Änderungen im Bereich der Direktinvestitionen sind relativ umfangreich und betreffen vor allem die Art der Darstellung in Zahlungsbilanz und IVP und nur in geringerem Maß zusätzliche Informationen.
Mit BPM6 ist in erster Linie die Darstellung der Direktinvestitionen nach dem Forderungs-/Verbindlichkeitsprinzip neu. Dabei werden sämtliche Forderungen aus aktiven oder passiven Direktinvestitionen sämtlichen Verpflichtungen aus aktiven und passiven Direktinvestitionen gegenübergestellt, ohne dass es zu einer Saldierung nach der Richtung der Direktinvestition kommt. Dadurch erfolgt ein Anstieg sowohl der Forderungen als auch der Verpflichtungen.
Für detaillierte Analysen wird natürlich auch die gewohnte Darstellung nach dem „directional principle“ beibehalten, in dem die aktiven Direktinvestitionen österreichischer Investoren im Ausland den passiven Direktinvestitionen ausländischer Investoren in Österreich gegenübergestellt werden. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Darstellungsweisen besteht in der Behandlung von „reverse investments“, also beispielsweise von Forderungen der ausländischen Tochter gegen die österreichische Mutter. Im Fall der Darstellung nach dem Forderungs-/Verbindlichkeitsprinzip werden diese Bestände zu den Verbindlichkeiten Österreichs hinzugezählt, im Fall des „directional principle“ werden sie von den Forderungen aus aktiven Direktinvestitionen abgezogen.
Das zweite Kennzeichen der BPM6-Anforderungen ist der Versuch, nahezu alle Finanzierungsformen innerhalb von Konzernen als Direktinvestitionen zu erfassen und auszuweisen. Dazu gehören insbesondere die „Schwesternkredite“, die bisher überwiegend als „Sonstige Investitionen von Nichtbanken“ in der Zahlungsbilanz und der IVP ausgewiesen wurden. Dabei handelt es sich um konzerninterne Kredite zwischen Unternehmen, die einer gemeinsamen Konzernführung unterliegen, ohne jedoch aneinander kapitalmäßig beteiligt zu sein (d. h. sie haben keine gegenseitigen Direktinvestitionen). Die Zuordnung zu den aktiven bzw. passiven Direktinvestitionen erfolgt bei Schwesternkrediten nach dem „extended directional principle“, das heißt abhängig vom Sitz der Konzernzentrale.
Gefordert wird auch die Erfassung von konzernintern gehaltenen Wertpapieren, etwa geringfügige Positionen von Aktien der Mutter oder auch von Schwestergesellschaften im Portefeuille der Tochter. Mit Ausnahme der „Schwesternkredite“ sind die quantitativen Effekte dieser Ausweitungen vermutlich nur von untergeordneter Bedeutung. Nicht zu den Direktinvestitionen zählen nur noch konzerninterne Bankkredite, konzerninterne Finanzderivate und konzerninterne Verrechnungskonten.
Ein drittes Merkmal der BPM6-Anforderungen liegt in dem Bestreben, durch Zusatzinformationen den analytischen Wert der Direktinvestitionsdaten zu erhöhen. Dazu gehört etwa die gesonderte Darstellung von „Special Purpose Entities“. Das sind inländische Einheiten ohne wirtschaftliche Aktivität, die sich im Besitz von Ausländern befinden und deren Vermögensbestände zur Gänze oder zumindest überwiegend in Form von Auslandsbeteiligungen bestehen. Diese Aufgliederung gibt es für Österreich bereits seit 2006.
Empfohlen wird auch die Darstellung der passiven Direktinvestitionen nach dem „ultimate beneficiary“, eine Forderung, der Österreich durch seine „Stammhausbereinigung“ seit Langem entspricht. Zusätzlich wird in „mergers and acquisitions“ einerseits und in sonstige Formen von Direktinvestitionen andererseits unterschieden.
Portfolioinvestitionen
Die größte Änderung bei den Portfolioinvestitionen betrifft die Behandlung von Ertragsansprüchen aus thesaurierenden Investmentfonds. Es werden alle Erträge, die von Investmentfonds erwirtschaftet werden – unabhängig davon, ob sie tatsächlich ausbezahlt werden oder nicht – dem Anteilseigner zugeschrieben. Dies geschieht entweder als Dividende bei tatsächlich ausbezahlten Erträgen oder in Form von reinvestierten Gewinnen (die Verbuchung dieser Ertragsansprüche erfolgt in der Praxis analog zur Verbuchung der Erträge aus Direktinvestitionen).
Neben der bereits zuvor gängigen Darstellung der Ursprungslaufzeiten von Schuldverschreibungen ist mit BPM6 auch eine Gliederung der Restlaufzeiten in Zahlungsbilanz und IVP abzubilden. Erweitert wurde auch die internationale Forderung nach einer Darstellung der aktiven Portfolioinvestitionen sowohl nach den Emissionswährungen als auch den volkswirtschaftlichen Sektoren der ausländischen Emittenten.
Sonstige Investitionen
Die bedeutendste Änderung bei den Sonstigen Investitionen steht in Zusammenhang mit der oben bereits erwähnten Änderung der Klassifikation der Kredit- und Einlagenbeziehungen zwischen „Schwesterunternehmen“ („fellow enterprises“), die zum selben Konzernverbund gehören, ohne direkte Eigenkapitalverflechtungen zu haben. Diese Finanzbeziehungen müssen folglich aus dem Bereich der Sonstigen Investitionen, in dem sie zuvor verbucht wurden, herausgelöst und zu den Direktinvestitionen umgeschichtet werden.
Eine weitere Änderung im unmittelbaren Zusammenhang mit den Währungsreserven besteht darin, dass den Forderungen aus Sonderziehungsrechten (Special Drawing Rights) in den Währungsreserven eine Verpflichtungsposition in den Sonstigen Investitionen für die vom Währungsfonds zugeteilten Sonderziehungsrechte gegenübergestellt wird. In der zuvor gültigen Methodologie wurden diese Sonderziehungsrechte nur als Aktivposten dargestellt, der den Ländern vom IWF sozusagen geschenkt wurde, was bei genauerer Betrachtung eine unvollständige Abbildung der volkswirtschaftlichen Realität war und auch nicht mit der betriebswirtschaftlichen Bilanzierung der Zentralbanken übereinstimmte.
Des Weiteren sind Forderungen und Verpflichtungen aus versicherungstechnischen Rückstellungen (inklusive Rückversicherungen), aus Pensionsrückstellungen und standardisierten Garantien mit höherer Genauigkeit und in höherem Detailgrad zu erfassen und gesondert auszuweisen. Vor BPM6 wurden diese Geschäftsfälle unter „Sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten“ subsummiert. Dasselbe gilt auch für die mit BPM6 eingeführte Kategorie „Sonstige Anteilsrechte“ (Beteiligungen außerhalb der Direkt- oder Portfolioinvestitionen wie z. B. GmbH-Anteile unter 10 % des stimmberechtigen Grundkapitals).
Währungsreserven
Bei den Währungsreserven wurden keine Änderungen in den grundlegenden Definitionen und Abgrenzungen vorgesehen. Die bedeutendste vom Internationalen Währungsfonds empfohlene Erweiterung bei der Publikation der Währungsreserven ist die Unterteilung der Goldbestände in physisches Gold und Buchgold.