Eine Werkstatt für Millionen, um 1920

Einblick in einen Wiener Produktionsbetrieb: Zwei raumgreifende Maschinen, die sorgfältig begutachtet und bedient werden, im Vordergrund Stapel von bedrucktem Papier, welche konzentriert überprüft werden. Mit seinem massiven Holztisch, dem Bretterboden und der elektrischen Ausstattung sieht der Raum wie fast jede andere gut gepflegte Werkstatt um 1920 aus. Wären da nicht die Bögen mit Kronen-Banknoten im Vordergrund, die diesen Raum als eine besondere Werkstatt ausweisen – die „Druckerei für Wertpapiere“ der Nationalbank.

Die Werkstatt der Banknotendruckerei um 1920

Die Banknoten-Druckerei war auf mehrere Etagen in einem eigenen Haus vis-à-vis vom Bank-Hauptsitz im Palais Ferstel in der Herrengasse untergebracht. Mit dem heutigen Drucksaal in der Oesterreichischen Banknoten- und Sicherheitsdruck GmbH (OeBS) sind die seinerzeitigen Arbeitsbedingungen nicht zu vergleichen.

Mehrere Arbeitsschritte des Produktionsprozesses wurden oft dicht an dicht in einem Raum gleichzeitig abgewickelt: Die verschiedenen Druckstufen an unterschiedlichen Maschinen und das Zählen und Sortieren der Banknotenbögen. Zusätzlich waren stets Aufseher anwesend, die die Arbeiten überwachten.

Wenn man aber eine Weile zusieht, merkt man zu seiner Verwunderung, daß die Frauen an Präzision und Geschwindigkeit hinter den Maschinen, die wir eben noch bewundert haben, kaum zurückstehen. Sie greifen nach einem Häuflein Noten, breiten es mit leichtem Drucke zum Fächer aus – auch diese Bewegung ist voller Anmut – und gleiten nun, leise streichend, über die Notenspitzen. Das Zählen ist fertig. Die Schnelligkeit wirkt verblüffend.“
Aus dem Artikel „Besuch beim Geld“ in der Neuen Freien Presse vom 1. Juni 1916.

Prüfung von Bögen mit Banknoten
Das typische Auffächern der frisch gedruckten Banknotenbögen zur Qualitätsüberprüfung wurde bis in die 1990er Jahre (rechts) gehandhabt.

Frauen waren in der Banknoten-Druckerei keineswegs die Ausnahme, sondern nahmen in der Arbeiterschaft sogar die Mehrheit ein. Und zwar nicht nur in Bereichen wo Feingefühl gefordert war, wie bei der Überprüfung der Druckbögen, sondern vor allem direkt an den Druckmaschinen. Die Arbeiterinnen leisteten an den Pressen körperliche Schwerarbeit und waren seit 1878 fixer Bestandteil des Druckereipersonals.

Eine Anstellung in der Banknoten-Druckerei der Nationalbank war für Frauen wie für Männer gleichermaßen sehr erstrebenswert. Ein sicherer Job in Nachkriegszeiten, die durch Not und Hunger gekennzeichnet waren und das inkludierte warme Mittagessen, waren neben der ehrenvollen Tätigkeit sehr viel wert.

Ein Teil des männlichen Personals waren ausgebildete Fachkräfte wie Maschinenschlosser und Buchdrucker. Der Großteil der Arbeiterschaft kam aber ursprünglich aus ganz anderen Bereichen und wurde angelernt, wie z.B. Hausmeister und Hilfsarbeiter.
Frauen wechselten durch ihre Anstellung oft komplett die Branche: Aus ehemaligen Weißnäherinnen, Hutmacherinnen und Lehrerinnen wurden Einlegerinnen, Banknoten-Leimerinnen und Geldzählerinnen.

Während der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie besaß die Nationalbank zwar  je eine Hauptanstalt für jede der beiden Reichshälften – in Wien und in Budapest – doch die Banknotenproduktion fand für den gesamten Vielvölkerstaat nur in Wien statt. Es war eine logistische Meisterleistung, den Banknotenbedarf für über 50 Millionen Einwohner in diesen Räumlichkeiten zu bewerkstelligen.

Nach dem Zerfall der Donaumonarchie blieben die Kronen-Banknoten der Oesterreichisch-ungarischen Bank (OeUB) in den abgespaltenen, nun eigenständigen Territorien vorläufig ohne Kennzeichnung weiter in Umlauf. Doch bald begannen einzelne Nachfolgestaaten, wie die Tschechoslowakei und das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, eine eigene Währung vorzubereiten. Dafür versahen sie die Kronen-Banknoten mit Kennzeichen.

Die Regierung der Republik Deutschösterreich sah sich deshalb gezwungen, die auf heimischem Gebiet in Umlauf befindlichen Kronen-Banknoten zur Unterscheidung mit der Abstempelung „Deutschösterreich“ zu versehen. Ab 1919 fand der Umtausch der abgestempelten Banknoten gegen nicht gekennzeichnete Noten statt.

         

Bei den Banknoten am Foto handelt es sich eben um diese 100-Kronen-Scheine mit der Abstempelung „Deutschösterreich“.

Das Problem mit der Abstempelung war aber nur die kleinere Sorge im Vergleich zu der immer weiter fortschreitenden Entwertung der Krone, die bereits während des Ersten Weltkrieges eingesetzt hatte. Ab 1921 geriet die Preisentwicklung gänzlich außer Kontrolle, es kam zur Hyperinflation: Das Geld zerrann den Menschen buchstäblich zwischen den Fingern.

Je tiefer der Kronen-Kurs sank, umso mehr liefen die Notenpressen auf Hochtouren. Die Notenbank stellte beim Staatsamt für soziale Verwaltung den Antrag, das für Frauen und Jugendliche geltende Nachtarbeitsverbot in der Banknoten-Druckerei aufzuheben, um den Erfordernissen gerecht zu werden: „Die OeUB ist mit Rücksicht auf den fortwährend großen Bedarf an Banknoten gezwungen, in ihrem Notendruckereibetrieb in zwei Schichten arbeiten zu lassen: von 7h früh bis ½ 4 nachmittags und von 4h nachmittags bis ½ 12h nachts.“ 

Erst die Übersiedlung in das neue Hauptgebäude am Otto-Wagner-Platz 1925 änderte sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Währung: Die hochinflationäre Krone wurde durch den Schilling ersetzt.