Die spektakuläre Rückholung der Reichsinsignien nach Wien in die OeNB, Jänner 1946
Dieses Foto hält einen historischen Moment fest – wenn auch die Darstellung reichlich inszeniert wirkt. Vier Männer in Militäruniform stehen um einen schmalen Tisch, auf dem wertvolle Preziosen ausgebreitet sind. Bei den Soldaten handelt es sich um Mitglieder der United States Forces in Austria (USFA), der militärischen Organisationseinheit der US-Alliierten während der Besatzungszeit in Österreich ab 1945. Vor ihnen liegen Teile von unschätzbarem Wert, historisch und kulturell einzigartig: Die Reichsinsignien (fälschlich auch „Kronjuwelen“ genannt), die jahrhundertelang bei den Krönungszeremonien der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches verwendet wurden. Ein weiterer Aspekt ist außergewöhnlich: Die Aufnahme entstand in der Nationalbank, Anfang 1946.
Schon von den Farben her muss der Kronschatz einen überwältigenden Anblick geboten haben: Gold mit Edelsteinen verziert, rote Seide mit Perlen und Emailblättchen bestickt, glänzende Schwerter. Manche der Teile sind über 1000 Jahre alt. Diese Insignien der Macht und des Gottesgnadentums wurden fast 850 Jahre lang verwendet, solange das Heilige Römische Reich bestand. Der erste in diesem Herrschaftsbereich gekrönte Kaiser war im Jahr 962 Otto I. der Große. 1806 löste der letzte römisch-deutsche Herrscher, Kaiser Franz II., das Reich auf. Als Franz I. regierte er nun als Kaiser von Österreich (und unterzeichnete als solcher 1816 die Gründung der Nationalbank). Seitdem wurden die Reichsinsignien in Wien gelagert. Wie kamen diese Kostbarkeiten 1946 in den Tresor der OeNB?
An die jahrhundertelange Tradition des Heiligen Römischen Reiches, gefolgt vom 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich, wollten die Nationalsozialisten mit ihrer Ideologie des „Dritten Reiches“ anknüpfen. Hitler ließ die Reichsinsignien nach dem „Anschluss“ im Sommer 1938 von Wien nach Nürnberg bringen und plante eine öffentliche Ausstellung. Während des Krieges wurden die Kunstschätze schließlich unterirdisch eingemauert. Im April 1945 konnten amerikanische Militäreinheiten das Versteck aufspüren und brachten die Reichsinsignien unter größten Sicherheitsvorkehrungen in Panzerwagen und per Flugzeug nach Wien.
Dass der Kronschatz nach der Ankunft in der Nationalbank gelagert wurde, ergab doppelt Sinn: Die USFA hatten nach Kriegsende das OeNB-Gebäude beschlagnahmt und zu ihrem Wiener Hauptquartier gemacht. Vor Ort durften nur die Banknotendruckerei und die Kassen bleiben. Mit der Aufbewahrung der Insignien in ihrer Zentrale konnten sich die USFA als Helden darstellen. Und zusätzlich gab es wohl kaum einen sichereren Aufbewahrungsort als die Tresore des Noteninstituts.
Viele Zeitungen berichteten ausführlich über die geglückte Rückbringung der Reichsinsignien und ihrer Unterbringung „in den Tresoren der Nationalbank unter starker militärischer Bewachung“. Hier ein Artikel im Wiener Kurier vom 11. Jänner 1946.
Die Rückholung des Kronschatzes verbuchten die US-Alliierten als ihren Erfolg. Dementsprechend wurde die Bilddokumentation inszeniert.
Links am Bild erkennt man die Crew-Mitglieder des Rückholfluges an ihren Flieger-Abzeichen. Ihre übertriebene Mimik sollte die Bedeutung des Fundes verständlich machen.
Am Tisch liegen folgende Teile des Kronschatzes:
- Die Reichskrone, 2. Hälfte des 10.Jh.
- Der Reichsapfel, um 1200
- Das Szepter
- Das Krönungsevangeliar, deren 236 purpurgefärbte Pergamentblätter mit Gold und Silber beschrieben sind und vom Hof Karls des Großen um 800 stammen
- Die Stephansbursa, 1. Drittel des 9.Jh.
- Eines der beiden Tuchreliquiare, 1518
- Das Reichsschwert, 11.-13.Jh.
- Der "Säbel Karls des Großen", 1.Hälfte des 10.Jh.
Die weiteren Teile des Kronschatzes:
- Die Handschuhe aus dem Krönungsornat, vermutlich 1220.
- Das Reichskreuz, welches als Reliquienbehältnis die Heilige Lanze und die Kreuzpartikel verwahrt, um 1024/25.
- Die Schuhe, 1612-1619, ursprünglich aus dem 12./13.Jh.
Wie die Zeitungen ausführlich kolportierten, gab am 9. Jänner 1946 der Hochkommissar und Oberbefehlshaber der USFA, General Mark W. Clark, die Reichsinsignien an Bundeskanzler Leopold Figl als Vertreter für den österreichischen Staat zurück. Diese feierliche Übergabe fand ebenfalls in der OeNB statt, höchstwahrscheinlich im Generalratssitzungssaal. Heute befinden sich die Reichsinsignien wieder in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums.
James L. Zuidema aus Michigan, USA - einer der drei Piloten, die am ersten Foto zu sehen sind - sandte jenes Bild 1987 an die OeNB. In seinem Begleitschreiben vermerkt er: „Ich bin sehr stolz, dass ich einen Anteil an der Rückführung der Juwelen in Ihr Österreich hatte – auch wenn es nur ein kleiner Anteil war.“